Volkswagen-Skandal Hat VW eine zweite Schummel-Software eingesetzt?

Die Krise bei VW weitet sich aus. US-Chef Michael Horn erwähnt Probleme mit einer zweiten Software – der Antrag für die Umweltgenehmigung neuer Modelle wird zurückgenommen. Das Vertrauen in den Konzern erodiert weiter.

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Das neue Who is Who im VW-Konzern
Stefan Knirsch Quelle: Audi
Hinrich Woebcken Quelle: dpa
Neuer Generalbevollmächtigter für die Aggregate-Entwicklung: Ulrich EichhornVolkswagen hat einen neuen Koordinator für die Aggregate-Entwicklung auf Konzernebene. Der WirtschaftsWoche bestätigte Ulrich Eichhorn, dass er im Frühjahr zu VW zurückkehrt. Der 54-Jährige kommt vom Verband der Deutschen Automobilindustrie (VDA), wo er die Verantwortung für die Bereiche Technik und Umwelt inne hatte. Zuvor war Eichhorn neun Jahre lang Entwicklungsvorstand bei der VW-Tochter Bentley. Eichhorn wird nicht Mitglied des Vorstands, sondern berichtet als Generalbevollmächtigter direkt an VW-Chef Matthias Müller – ähnlich wie der neue Chef-Stratege Thomas Sedran. Quelle: Presse
Der neue Generalbevollmächtigte für Außen- und Regierungsbeziehungen: Thomas StegEs ist kein Wechsel der Funktion, sondern der Zuordnung: Thomas Steg ist seit 2012 Generalbevollmächtigter des Volkswagen-Konzerns für Außen- und Regierungsbeziehungen. Bislang war dieser Bereich Bestandteil der Konzernkommunikation. Jetzt ist das Team um Steg als eigenständiger Bereich in das Ressort von VW-Chef Matthias Müller zugeordnet, an den Steg persönlich berichtet. Der diplomierte Sozialwissenschaftler wird zusätzlich das Thema Nachhaltigkeit verantworten. „Mit der Bündelung der Konzernzuständigkeiten und der neuen Zuordnung des Themas Nachhaltigkeit trägt Volkswagen dessen wachsendem Gewicht Rechnung“, teilte der Konzern mit. Steg begann seine berufliche Laufbahn 1986 als Redakteur der Braunschweiger Zeitung. Danach war er Pressesprecher zunächst des DGB Niedersachsen/Bremen, ab 1991 des Niedersächsischen Sozialministeriums und ab 1995 der SPD-Landtagsfraktion Niedersachsen. 1998 übernahm er im Bundeskanzleramt die stellvertretende Leitung des Büros von Bundeskanzler Gerhard Schröder, ab 2002 war er stellvertretender Regierungssprecher, ab 2009 selbstständiger Kommunikationsberater. Quelle: Presse
Der neue VW-Entwicklungsvorstand: Frank WelschKurz nach dem Bekanntwerden von Dieselgate wurde der Entwicklungsvorstand der Marke VW, Heinz-Jakob Neußer, beurlaubt. Bei der Aufsichtsratssitzung am 9. Dezember ernannte das Kontrollgremium Frank Welsch zu seinem Nachfolger. Der promovierte Maschinenbau-Ingenieur ist seit 1994 im Konzern. Über verschiedene Stationen in der Karosserie-Entwicklung, als Entwicklungsleiter in Shanghai und Leiter der Entwicklung Karosserie, Ausstattung und Sicherheit der Marke Volkswagen arbeitete er sich zum Entwicklungsvorstand von Skoda hoch. Diesen Posten hatte Welsch seit 2012 inne.Sein Vorgänger Neußer verlässt den Konzern allerdings nicht, sondern steht laut VW-Mitteilung "dem Unternehmen für eine andere Aufgabe zur Verfügung". Quelle: Volkswagen
Der neue VW-Beschaffungsvorstand: Ralf BrandstätterRalf Brandstätter wird Vorstand für Beschaffung der Marke Volkswagen. Der 47-Jährige folgt in seiner neuen Funktion auf Francisco Javier Garcia Sanz, der die Aufgabe als Markenvorstand in Personalunion zusätzlich zu seiner Funktion als Konzernvorstand für den Geschäftsbereich Beschaffung wahrgenommen hatte. In Zukunft wird Garcia Sanz zusätzlich zu seinen Aufgaben als Konzernvorstand Beschaffung die Aufarbeitung der Diesel-Thematik betreuen. Brandstätter kam 1993 in den Konzern. Seit dem ist der Wirtschaftsingenieur in verschiedensten Posten für die Beschaffung verantwortlich gewesen, zuletzt als Leiter Beschaffung neue Produktanläufe. Zwischenzeitlich war er auch Mitglied des Seat-Vorstands. Seit Oktober 2015 ist Brandstätter auch Generalbevollmächtigter der Volkswagen AG. Brandstätter berichtet wie der ebenfalls neu berufene Entwicklungschef Frank Welsch direkt an VW-Markenvorstand Herbert Diess. Quelle: Volkswagen
Neuer VW-Personalvorstand: Karlheinz BlessingMitten in der größten Krise der Konzerngeschichte bekommt Volkswagen mit dem Stahlmanager Karlheinz Blessing einen neuen Personalvorstand. Der Aufsichtsrat stimmte am 9. Dezember bei seiner Sitzung dem Vorschlag der Arbeitnehmerseite für den vakanten Spitzenposten bei Europas größtem Autobauer zu. Blessing folgt damit auf den bisherigen Personalvorstand Horst Neumann, dieser war Ende November in den Ruhestand gegangen. Der Ernennung war eine lange Suche nach einem geeigneten Kandidaten vorausgegangen. Blessing (58) ist seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Stahlherstellers Dillinger Hütte. Zuvor war er Büroleiter des damaligen IG Metall-Vorsitzenden Franz Steinkühler und Anfang der 1990er Jahre Bundesgeschäftsführer der SPD. 1993 ersetzte er als Arbeitsdirektor bei der Dillinger Hütte Peter Hartz, der damals zu VW nach Wolfsburg ging. Blessing sei gut in der IG Metall vernetzt, habe aber auch unternehmerische Erfahrung, hieß es in den Konzernkreisen. Quelle: dpa

Washington/New York Die Anhörung des US-Chefs von Volkswagen, Michael Horn, könnte die Krise bei VW weiter verschlimmern. Denn vor dem Untersuchungsausschuss kamen zwei neue Problemfelder für den Konzern ans Tageslicht, die bislang kaum Beachtung fanden. Laut Aussage des US-Chefs gibt es neben der bereits bekannte Software, die die Emissionswerte des Fahrzeuges manipuliert, noch ein zweites Programm.

In seiner Rede erwähnte Horn ein „Hilfsgerät zur Emissionskontrolle“ oder „Auxiliary Emissions Control Device“ (AECD). Weder VW noch die US-Umweltbehörde wollen sagen, ob das AECD ebenfalls zum Schummeln genutzt wurde. Aber es ist so problematisch, dass „wir den Antrag auf die Umweltgenehmigung der 2016-Fahrzeuge zurückziehen“, wie Horn sagte.

Ein AECD ist ein Programm, das Temperatur, Geschwindigkeit, Umdrehungszahl oder eingeschalteten Gang wahrnimmt, um bei bestimmten Parametern das Emissionskontrollsystem ganz oder teilweise auszuschalten. Das ist ein gängiges Verfahren und erlaubt dem Fahrzeug, beispielsweise bei kaltem Wetter oder einem steilen Anstieg mehr Emissionen auszustoßen. „Wir untersuchen derzeit die Eigenschaften und Zweck des erst kürzlich identifizierten Geräts“, sagte ein Sprecher der US-Umweltbehörde.

Das weckt neues Misstrauen und könnte für Volkswagen ganz neue Probleme schaffen. Der Vorsitzende des Ausschusses für Energie und Handel im US-Repräsentantenhaus, Fred Upton, brachte es auf den Punkt: „Wenn sie einmal gewillt waren, eine Eins gerade zu lassen, wo haben sie das sonst noch getan?“

Der VW-Abgas-Skandal im Überblick

Großen Unmut bringt auch Volkswagens Plan zur Behebung des Problems bei bestehenden Fahrzeugen hervor. Laut Horn wird es bei rund 90 Prozent der Fahrzeuge mindestens ein Jahr dauern, bis die zu hohe Stickoxid-Emission der Fahrzeuge in den USA behoben wird. Horn betonte, dass die US-Umweltbehörde die betroffenen VW-Fahrzeuge als „sicher und legal zu fahren“ einstufte, sie also Amerikaner fahren können.

Das brachte die Abgeordnete Jan Schakowsky auf die Palme. Sie hob einen Brief hoch, den VW an einen Kunden geschickt hatte. Darin wiederholte der Konzern genau das Argument, was die Demokratin aus Illinois als verharmlosend verdonnerte. Immerhin würden die Passats oder Jettas bis zum 40fachen der erlaubten Stickoxide ausschleudern. „Das ist schockierend“, sagte die Demokratin aus Illinois mit Hinweis auf die Wartezeit von einem Jahr, „Kunden um Geduld zu bitten reicht nicht aus“.

Ihre Forderung: VW müsse alle Fahrzeuge ersetzen oder den Betroffenen ein Leihwagen zur Verfügung stellen. Davon wollte Horn aber nichts hören: „Unser Plan ist es, die Autos zu reparieren“. Die Ablehnung verwundert nicht, wie der Abgeordnete Chris Collins aus New York vorrechnete. Rund eine halbe Million Fahrzeuge zum Neupreis zu ersetzen würde laut durchschnittlichen Listenpreis weit mehr als zehn Milliarden Dollar kosten.

Ungemütlich dürfte es für die Wolfsburger auch in Kalifornien werden. Die Leiterin der dortigen Behörde CARB, Mary Nichols, sagte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“, VW habe bis zum 20. November Zeit, einen Plan dafür vorzulegen, wie die betroffenen Diesel-Fahrzeuge nachgerüstet werden können. „Wenn es keine technische Lösung gibt, drohen die Stilllegung der Autos und zivilrechtliche Auseinandersetzungen mit den Kunden.“ Nichols kündigte zudem weitere Testergebnisse zu Autos anderer Hersteller an.

In Deutschland hat sich Niedersachsens Regierungschef und VW-Aufsichtsrat Stephan Weil zu Wort gemeldet und eine ganze Kette von großen Fehlern kritisiert. „Fehler passieren in allen großen Institutionen, problematisch aber ist bewusstes Fehlverhalten“, sagte der SPD-Politiker der Deutschen Presse-Agentur. Um die schwere Krise zu überstehen, müssten nun alle Unternehmensteile bei Europas größtem Autobauer den geforderten Kulturwandel mit Leben füllen. Ob nach dem Abtritt von Konzernchef Martin Winterkorn und anderen Managern noch weitere personelle Konsequenzen folgen könnten, wollte Weil nicht ausschließen – genauso wenig wie mögliche Jobverluste wegen rückläufiger Absatzzahlen.

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