Volkswagen und das Auto-Kartell VW-Chef blockt bei Kartellvorwürfen

Der Volkswagen-Konzern hat laut einem „Spiegel“-Bericht selbst ausführlich Kartellbehörden über mögliche illegale Absprachen mit anderen Herstellern informiert. Doch öffentlich schweigen die Firmen.

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„Zu Spekulationen und Sachverhaltsvermutungen auf Grundlage der Spiegel-Berichterstattung äußern wir uns nicht.“ Quelle: dpa

Düsseldorf Die Aktien der großen deutschen Autokonzerne sind gestern unter Druck geraten, VW, Daimler und BMW gaben deutlich nach. Die vom „Spiegel“ veröffentlichten Informationen zu einem seit den 1990er-Jahren bestehenden Kartell der Konzerne in vielen Technologiebereichen hatten Anleger und Investoren ebenso wie Kunden und Wettbewerbsexperten verblüfft. Über den Verdacht der Absprachen zur Größe von AdBlue-Tanks zur Abgasbehandlung hatte auch das Handelsblatt ausführlich berichtet.

VW-Chef Matthias Müller hält sich in einem Interview mit der Rheinischen Post dazu bedeckt. „Zu Spekulationen und Sachverhaltsvermutungen auf Grundlage der Spiegel-Berichterstattung äußern wir uns nicht“, sagt der Vorstandsvorsitzende des Volkswagen-Konzerns, zu dem auch die ins vermutete Kartell involvierten Marken Audi und Porsche gehören. Es ist die erste öffentliche Äußerung Müllers seit Bekanntwerden der Vorwürfe, die laut „Spiegel“ durch umfangreiche Offenlegungen des VW-Konzerns bei den Kartellbehörden unterfüttert sind.

Die Affäre um manipulierte Diesel-Motoren bei VW hat den Hersteller bereits etwa 20 Milliarden Euro gekostet, durch ein Kartell mit den bislang vermuteten Ausmaßen könnten weitere Milliarden hinzukommen. Und das zu einem Moment, da die großen Konzerne versuchen, die Konflikte um manipulierte Dieselmotoren – sei es illegal oder am Rande des gesetzlich Erlaubten – zu beheben.

„Die Verunsicherung ist groß. Das spüren wir auch an den Diesel-Bestellungen, die merklich zurückgegangen sind“, sagt Müller. Volkswagen überarbeitet die Software in Millionen Diesel-Fahrzeugen, Daimler hat das für drei Millionen Autos angekündigt und Audi teilte am Freitag mit, 850.000 Autos in die Werkstätten zu beordern.

Am 2. August soll auf einem politisch hochkarätig besetzten Treffen mit den Chefs der Autohersteller die Zukunft des Diesel diskutiert werden, die hoch umstritten ist, wie die aktuelle Titelgeschichte des Handelsblatt zeigt. Fahrverbote drohen, die Effizienz der Abgasbehandlung ist in Frage gestellt und in anderen Ländern wie Frankreich wird etwa bereits die steuerliche Förderung des Kraftstoffs begrenzt.


„Dieselbesitzer stehen vor einem Totalschaden“

Der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller, hält es nach einem „Bild“-Bericht für geboten, dass zum „Diesel-Gipfel“ am 2. August auch Verbrauchervertreter geladen werden. „Die Dieselbesitzer stehen vor einem Totalschaden“, sagte er dem Blatt. „Sie könnten für ein womöglich unzulängliches Auto einen durch Kartellabsprachen in die Höhe getriebenen Preis gezahlt haben.“ An den Beratungen, bei denen Lösungen zur Senkung des Diesel-Schadstoffausstoßes gefunden werden sollen, nehmen bisher nur Vertreter aus Konzernen und Politik teil.

Die neuen Kartellvorwürfe werden diese Verhandlungen mit der Bundesregierung nicht vereinfachen. Die Wettbewerbshüter waren in einem Verfahren gegen Stahlhersteller zufällig auf Informationen gestoßen, die Hinweise auf das Autokartell geliefert hatten. Volkswagen und Daimler stellten weiter umfangreiche Unterlagen zur Verfügung.

Laut dem „Spiegel“-Bericht sprachen sich Konzerne seit den 1990er-Jahren in einem geheimen Arbeitskreis über Technik, Kosten und Zulieferer ab. Der VW-Schriftsatz, auf den sich der „Spiegel“-Bericht stützt, soll auch für die VW-Töchter Audi und Porsche gelten. Und auch Daimler soll eine solche „Selbstanzeige“ eingereicht haben. Die Aktien der Autobauer sackten am Freitagnachmittag deutlich ab.

Der Vorwurf wiegt schwer: Mehr als 200 Mitarbeiter der Unternehmen sollen sich seit den 1990er-Jahren in geheimen Arbeitskreisen abgestimmt und auf diese Weise den Wettbewerb außer Kraft gesetzt haben. Es soll um alle Details der Autoentwicklung gegangen sein.

Selbst über die Abgasreinigung ihrer Dieselfahrzeuge haben sich die Konzerne offenbar abgestimmt. In den Geheimtreffen soll es etwa um die Größe der sogenannten „AdBlue“-Tanks gegangen sein, die für die Abgasreinigung eingesetzt werden. Große Tanks sind teuer, daher habe man sich auf kleinere verständigt, so der Vorwurf.

Inzwischen sind die Harnstoff-Tanks im Fokus der Wettbewerbshüter der EU-Kommission. Aus einer Audi-Präsentation zur „Clean Diesel Strategie“ geht hervor, dass es ein „Commitment der deutschen Automobilhersteller auf Vorstandsebene“ gibt, künftig kleine AdBlue-Tanks zu verwenden. Ein Mitarbeiter der Generaldirektion Wettbewerb der EU-Kommission hakte nach Handelsblatt-Informationen wegen dieser und anderer Formulierungen in dem Dokument bei einem hochrangigen Audi-Manager nach.

Der Kunde soll nach dem Willen der Autohersteller nicht in Kontakt mit AdBlue, einer klebrigen Flüssigkeit, kommen. Vielmehr sollen die Tanks bei den üblichen Service-Intervallen aufgefüllt werden. Das Problem: Dafür sind die Tanks viel zu klein. Doch zumindest bei Audi vergrößerte man nicht die Tanks, sondern verringerte die Einspritzmenge.

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