Volkswagen und die Zulieferer Das Wolfsburger Eigentor

VW hat sich mit einer Zulieferergruppe angelegt und zahlt dafür einen hohen Preis – mit Kurzarbeit und Produktionsstopp. Der Konzern hat im Umgang mit den Zulieferern einen wichtigen Punkt vergessen. Ein Kommentar.

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Ein Güterzug mit dem Logo von Volkswagen steht am Bahnhof in Fallersleben bei Wolfsburg. Eine Zulieferer-Gruppe legt sich mit dem Weltkonzern an, VW ist machtlos. Quelle: dpa

Düsseldorf Das hat gerade noch gefehlt: Erst lähmt die Dieselaffäre weite Teile des Volkswagen-Konzerns. Und jetzt gelingt es einem vergleichsweise kleinen Zulieferer auch noch, die Golf-Produktion in Wolfsburg und die Passat-Fertigung in Emden lahm zu legen. Die Krise wird bei dem Wolfsburger Autobauer zum Dauerzustand. Statt sich um die langfristige Strategie des Unternehmens zu kümmern, muss das Management von einem Brandherd zum nächsten eilen.

Doch dass die Prevent-Zuliefergruppe mit ihren beiden Tochtergesellschaften Car Trim und ES Guss den großen Volkswagen-Konzern in die Knie zwingt, wäre alles andere als nötig gewesen. Anders formuliert: VW ist auch selbst dafür verantwortlich, wenn der Ausfall eines einzigen Zulieferers zu solch nachhaltigen Konsequenzen führt.

Selbstverständlich, auch in den Geschäftsbeziehungen zu seinen Zulieferern muss ein Unternehmen wie Volkswagen auf die Kosten achten. Überall in der Branche hat das Just-in-Time-Prinzip Einzug gehalten. Es gibt keine großen Lager mehr. Stattdessen sorgen die Zulieferer dafür, dass ihre Komponenten genau dann ans Band geliefert werden, wenn sie der Autohersteller auch tatsächlich braucht.

Regelmäßige Preisrunden von Herstellern und Zulieferern sind genauso zum Branchenstandard geworden. Zulieferer geben bindende Zusagen darüber ab, dass sie ihre Preise mit festgelegten Prozentsätzen von Jahr zu Jahr reduzieren. Immer häufiger war in der Vergangenheit zu hören, dass die Zulieferer Probleme mit diesem hohen Kostendruck haben und auf ein Entgegenkommen der Hersteller hoffen.

Doch im aktuellen Streitfall von Volkswagen und der Prevent-Gruppe hat der Zulieferer ziemlich offensichtlich den Spieß umgedreht und seine hervorgehobene Position ausgenutzt. Denn einen ganz zentralen Fehler hätte der VW-Konzern in diesem Fall nicht machen sollen: sich bei der Lieferung von Sitzbezügen und Getriebeteilen auf einen einzigen Zulieferer zu verlassen. Zu extremes Kosten-  und Effizienzdenken haben jetzt in Wolfsburg zu einem Eigentor geführt.

Das ist die zentrale Lehre dieses Konfliktes für die gesamte Automobilbranche: Verlasse dich niemals auf einen einzigen Zulieferer. Hätte sich Volkswagen an diesem Prinzip orientiert, würde es die Kurzarbeit und den Produktionsausfall nicht geben. Mit einem zweiten Zulieferer im Rücken hätte der Wolfsburger Konzern schnell reagieren und umschalten können – die aktuellen Alarmmeldungen hätte es überhaupt nicht geben  müssen.

Hätte, könnte, sollte. Nun ist das Kind den Brunnen gefallen, der VW-Konzern muss mit der aktuellen Situation klarkommen. Am einfachsten wäre es, wenn sich Volkswagen schnell mit der Prevent-Gruppe auf einen Kompromiss verständigen würde. Dann könnten die Produktionspausen schon in wenigen Tagen wieder aufgehoben werden.

VW muss also nun über seinen eigenen Schatten springen, wenn es schnell vorangehen soll. Auf längere Sicht dürfte Volkswagen den aktuellen Konflikt mit der Prevent-Gruppe allerdings nicht so schnell vergessen. Denn es steht in den Sternen, ob die Wolfsburger mit diesem Zulieferer überhaupt noch einmal neue Verträge abschließen wollen und lieber dauerhaft auf eine Zusammenarbeit mit diesem Partner verzichten.   

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