Vor dem Autogipfel Warum der Diesel so gefährlich ist

Asthma, Bronchitis, Lungenkrebs: Was aus den Dieselautos kommt, schadet auch gesunden Menschen – besonders denen, die in größeren Städten wohnen. Ein kurzer Chemie-Exkurs vor dem Dieselgipfel.

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Der Feinstaub aus den Abgasen ist auch für gesunde Menschen gefährlich. Quelle: dpa

Düsseldorf Erst das mögliche Autokartell, dann der Zulassungsstopp für einige Porsche-Modelle und schließlich die drohenden Fahrverbote: Kein Thema beschäftigt die Automobilwelt hierzulande so sehr wie die Diskussion um den Diesel. Was hinzukommt: Dieselabgase sind gefährlich – auch für gesunde Menschen.

Der Kraftstoff an sich ist nicht das Problem, sondern das, was nach der Verbrennung im Motor aus dem Auspuff kommt. Ein kurzer Chemie-Exkurs: In den Abgasen ist Ruß enthalten – auch als Feinstaub bekannt. Zudem kommen Stickstoffoxide aus dem Auspuff, die chemisch als NOx bezeichnet werden. Beides ist für den Menschen gesundheitsschädlich.

Zu viel Feinstaub in der Luft ist entzündungs- und auch krebserregend. Durch den Einsatz von Partikelfiltern in den Diesel-Fahrzeugen wurde das Problem in letzter Zeit zwar reduziert. Aber: Es bleibt weiterhin die Belastung durch die Stickoxide. Und um die geht es in der aktuellen Diesel-Diskussion besonders. Allein in Deutschland sterben jedes Jahr 14.000 Menschen vorzeitig durch die Stickoxid-Belastung, zeigt der Luftqualitätsbericht der EU.

Erlaubt sind in deutschen Städten 40 Mikrogramm NOx pro Kubikmeter Luft. Die EU legte diesen Grenzwert fest – auf Grundlage von statistischen Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation WHO. Das Problem: „Die NOx-Belastung ist hierzulande in vielen Städten das ganze Jahr überhöht“, sagt Christian Witt, Lungenspezialist an der Berliner Charité.

Und das hat Folgen, vor allem für das Atmungsorgan. Das Risiko an Bronchitis und Asthma zu erkranken, steigt – auch für gesunde Patienten. Auch können Atemwegs- und Herzkreislauferkrankungen ausgelöst werden. Und bei ohnehin erkrankten Menschen besteht das Risiko, dass sich die Krankheit weiter verschlimmert. Ob Stickoxide auch krebserregend sind, konnte in Studien nicht gesichert nachgewiesen werden. Ein mögliches Risiko bleibt: 2012 stufte die WHO Dieselabgase als krebserregend ein, während sie zuvor über zwei Jahrzehnte lang als „potenziell krebserregend“ galten.

Klar ist: Vor allem Kinder und ältere Menschen leiden unter der Stickoxid-Belastung, zeigt eine aktuelle, von der Umweltschutzorganisation Greenpeace in Auftrag gegebene Studie des Schweizer Tropen- und Public-Health-Instituts. Demnach steigt durch Stickoxide etwa das Risiko für Bluthochdruck und Schlaganfälle.

Zurück zum Diesel. Denn der ist der Hauptverursacher der Stickoxide – und damit auch der Krankheiten. Das gilt zumindest in den Innenstädten. Denn 40 Prozent der Luftverschmutzung wird dort allein durch den Verkehr verursacht, sagt Christian Witt und beruft sich dabei auf Untersuchungen. Und an den Verkehrsemissionen hat der Diesel, verglichen mit den Benzinmotoren, den deutlich größeren Anteil – 70 Prozent nämlich.


„Die Politik darf den Dieselmotor nicht künstlich am Leben halten“

Insgesamt ist der Straßenverkehr mit weniger als 15 Prozent aber nicht der Haupttreiber der Emissionen, sondern die Landwirtschaft, die nach Zahlen des Umweltbundesamtes für über 60 Prozent des NOx-Ausstoßes verantwortlich ist. Aber: Der Trend geht dahin, in der Stadt zu wohnen. Und dort ist die Luft vor allem durch die Dieselabgase verpestet. Das vergrößert die Gefahr, zu erkranken. „Die hochfrequentierte Straße ist der Risikofaktor“, sagt Mediziner Witt. Vor allem für die, die an viel befahrenen Routen wohnen, ist die Wahrscheinlichkeit größer, an den Stickstoffoxid-Folgen krank zu werden.

Benzinmotoren stoßen übrigens kaum NOx-Gase aus. Gut für die Gesundheit sind die Benzinabgase aber auch nicht. Im Gegenteil: Sie sind vor allem wegen des Feinstaubs schädlich. Dazu kommt: Benzinabgase belasten das Klima viel mehr als der Diesel, weil sie mehr Kohlendioxid enthalten. Und das CO2 trägt hauptsächlich zur Klimaerwärmung bei.

Für Aufsehen sorgte zuletzt eine Untersuchung des Umweltbundesamtes. Das Ergebnis: Auch moderne Diesel sind meilenweit von den erlaubten Abgaswerten entfernt. Unter Realbedingungen stoßen Euro-5-Diesel demzufolge durchschnittlich über 900 Milligramm NOx pro Kilometer aus. Erlaubt sind am Prüfstand allerdings nur 180 Mikrogramm. Für neu zugelassene Euro-6-Diesel liegt dieser Grenzwert bei 80 Mikrogramm. Auch diese Fahrzeuge sind nicht sauber, zeigte der Test: Der NOx-Ausstoß war unter realen Bedingungen mehr als sechs Mal so hoch wie erlaubt.

Zahlen, die Umweltverbände – auch unter Gesundheitsaspekten – nicht akzeptieren wollen: „Die Politik darf den sterbenden Dieselmotor nicht künstlich am Leben halten“, sagt Benjamin Stephan, Verkehrsexperte bei Greenpeace, vor dem Dieselgipfel am heutigen Mittwoch. Die Umweltschutzorganisation fordert in allen größeren Städten ein Fahrverbot für Dieselautos.

Mit dem Gipfel will die Politik die Autohersteller dazu bewegen, ihre Diesel sauber zu machen – ohne dass Fahrverbote nötig sind. Die Hersteller setzen darauf, die Motoren mit Software-Updates nachzurüsten, um die Fahrzeuge in einen rechtlich einwandfreien Zustand zu bringen. Das ist mit etwa 100 Euro pro Auto vergleichsweise günstig. Der Deutschen Umwelthilfe geht das aber nicht weit genug: „Die Software-Updates bringen fast gar nichts“, sagt deren Chef Jürgen Resch. Sie würden den NOx-Ausstoß nicht einmal um zehn Prozent reduzieren.

„Nur ein Hardware-Update reduziert nachhaltig die Emissionen“, sagt Greenpeace-Verkehrsexperte Stephan. „Aber davor drücken sich die Hersteller.“ Vor allem aus Kostengründen: 1500 Euro würde ein umfassende Nachrüstung kosten, schätzt die Deutsche Umwelthilfe. Bei neun Millionen Euro-5- und Euro-6-Autos in Deutschland wären das Kosten von 13,5 Milliarden Euro.

Bei dem Gipfel – mitten in der Sommerpause – trifft sich das halbe Kabinett mit mehreren Verbands- und Gewerkschaftschefs und den wichtigsten Autobossen der Republik. „Nur Mediziner sind nicht eingeladen“, kritisiert Resch. Für die Gesundheit der Menschen wäre das womöglich besser gewesen.

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