VW-Abgasskandal Ein Friedhof für die Schummel-Diesel

Im Abgas-Skandal musste Volkswagen in den USA viele betroffene Diesel-Autos zurückkaufen. Aber wohin damit? Ein verlassenes Stadion in der Nähe von Detroit wird nun zum „wertvollsten Schrottplatz der Welt“.

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Wo VW seine Schummel-Diesel parkt
VW-Autofriedhof in den USA Quelle: dpa
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VW-Autofriedhof in den USA Quelle: AP
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VW-Autofriedhof in den USA Quelle: REUTERS
VW-Autofriedhof in den USA Quelle: dpa
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Der „Silverdome“ war einst eine Ikone der boomenden Autoregion Michigans. Heute steht das Sportstadion wie ein Mahnmal des Niedergangs verlassen in der Ödnis des Detroiter Vororts Pontiac und bröckelt vor sich hin. Der VW-Konzern erweitert diese Kulisse um ein Symbol seiner eigenen Krise: Auf den Parkplätzen um das Stadion herum stehen Tausende ausrangierte Dieselwagen, die wegen illegaler Software zur Abgas-Manipulation aus dem Verkehr gezogen und von US-Kunden zurückgekauft werden müssen.

VW hatte im September 2015 zugegeben, im großen Stil Abgaswerte zum Ausstoß des Schadstoffs Stickoxid bei Dieselwagen gefälscht zu haben. Was nun aus den Überbleibseln von „Dieselgate“ wird, ist ungewiss. Der Wolfsburger Autobauer gibt die Fahrzeuge aber nicht verloren.

Dass VW den Parkplatz eines maroden Geisterstadions als Sammelstelle für seine stillgelegten Autos wählt, passt ins triste Bild, das der Konzern derzeit in den USA abgibt. Der Silverdome war einst ein schillernder Showtempel – The Who, Elvis und Led Zeppelin traten hier auf. Die 1975 eröffnete Arena zog als Bühne für Großevents wie einen Papstbesuch und als Heimat von Sportteams die Massen an. 2013 wurde der Betrieb krisenbedingt eingestellt, zur Sanierung fehlte das Geld.

Der Fall Volkswagen vor Gericht

Um das Stadion, in dem 1979 der Monster Truck „Big Foot“ Weltpremiere feierte und „Wrestlemania“ 1987 über 93.000 Fans anzog, erstreckt sich heute ein Meer von Volkswagen – Jetta, Passats und Golfs der durch den Abgasbetrug als Bluff entlarvten Serie „Clean Diesel TDI“. Spötter bezeichnen das Areal als „VW-Autofriedhof“ oder „wertvollsten Schrottplatz der Welt“.

Doch VW hat die Hoffnung nicht aufgegeben, die Dieselautos in einen legalen Zustand umzurüsten und als Gebrauchtwagen zu verkaufen. Der Ruf hat zwar gelitten, es ist schwer einzuschätzen, wieviel die Aktion einbringen würde – aber ein Teil der hohen Kosten des Skandals ließe sich wohl wieder ausgleichen.

Dafür müssten aber die US-Umweltämter grünes Licht geben. Noch immer versucht VW, sie von Umrüstungsplänen zu überzeugen, mit denen der Konzern die Manipulations-Software in den Autos beseitigen will. Das ist kompliziert, nicht zuletzt weil durch ihren Wegfall andere Faktoren wie Spritverbrauch und Motorleistung verändert werden könnten.

von Martin Seiwert, Annina Reimann

Eigentlich ist das Unterfangen ohnehin längst gescheitert, denn wäre VW nicht wiederholt mit seinen Vorschlägen abgeblitzt, wären die Rückkäufe gar nicht erst angeordnet worden. So muss der Konzern die meisten der rund 580.000 Autos so oder so erstmal zurücknehmen. Spannend ist jedoch, was dann damit passiert.


Einsparungen in Milliardenhöhe


Einen kleinen Mutmacher gab es im Januar, als Reparaturpläne für etwa 67.000 der Dieselwagen genehmigt wurden. Dass die Mühen nicht aussichtslos sind, zeigt sich auch daran, dass für etwa 60.000 von gut 80.000 größeren vom Skandal betroffenen Fahrzeugen gar nicht erst Rückkäufe angeboten werden mussten, weil die Behörden von einer erfolgreichen Umrüstung ausgehen.

Fest steht: Für VW ist jedes der vielen ausrangierten Autos, die derzeit am Silverdome und anderen Sammelstellen im ganzen Land lagern, bares Geld wert. Auch wenn nur ein Bruchteil der Ausgaben für Rückkäufe und Reparaturen durch Wiederverkäufe wieder reinkämen, könnten Milliarden gespart werden.

Bei VW ist man trotz aller bisherigen Zurückweisungen zuversichtlich, sich mit den US-Regulierern auf eine Umrüstung einigen zu können. Und möglicherweise stehen die Chancen gar nicht so schlecht. „Wir teilen ihre Ambitionen und Hoffnungen. Wir glauben, dass sie es schaffen können“, sagte Vizechef Alberto Ayala vom kalifornischen Umweltamt Carb der Deutschen Presse-Agentur. Sein Wort hat Gewicht, denn unter seiner Führung waren die Kalifornier bei der Aufdeckung des Dieselskandals und den Verhandlungen mit VW die treibende Kraft.

Ihm zufolge gäbe es bei akzeptablen Umrüstungsplänen keine Hürden, die stillgelegten Autos wieder in den USA zu verkaufen. „Sobald es eine Genehmigung gibt, können sie loslegen.“ Wann die Entscheidung fällt, sei noch nicht abzusehen, man befinde sich weiter im Prüfungsprozess und im Austausch mit dem Konzern.

Derweil läuft das im November gestartete Entschädigungsprogramm auf Hochtouren. Den aktuellsten Daten nach hatte VW bis zum 18. Februar bereits Rückkäufe, Umrüstungen und Leasing-Stopps für rund 323.000 Fahrzeuge auf den Weg gebracht. Im Rahmen der Maßnahmen waren schon knapp 2,9 Milliarden Dollar (2,7 Milliarden Euro) ausgezahlt worden.

Die Dieselwagen mit der Schummel-Software aus dem Verkehr zu ziehen und auf Halde zu lagern, bedeutet auch logistisch einen Kraftakt. Einer VW-Sprecherin zufolge wurden über 1300 zusätzliche Arbeitskräfte für die Abwicklung des Programms angeheuert. Einmal die Woche würden große Trucks zu den Autohäusern der Vertragshändler geschickt, wo die Rückkäufe abgewickelt werden, um Autos abzuholen und zu Sammelplätzen wie dem in Pontiac zu bringen. Man beschäftige auch Personal, um die stillgelegten Wagen dort in Schuss zu halten.

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