Die Dieselprobleme von Volkswagen in den USA sollen einem Medienbericht zufolge mit einem neuen Katalysator gelöst werden. Das Teil, das von Mitarbeitern des Wolfsburger Autokonzerns in den vergangenen Monaten entwickelt worden sei, solle in rund 430.000 Fahrzeuge in den USA eingebaut werden, die mit der ersten Generation des Dieselmotors EA 189 unterwegs seien. Das geht aus einem Bericht der „Bild am Sonntag“ ohne Angabe von Quellen hervor.
Die US-Umweltbehörde EPA, die die Manipulation von Abgaswerten bei VW im September aufgedeckt hatte, müsse diesen Plänen zur Umrüstung zustimmen. VW kommentierte den Bericht nicht. Eine mit der Angelegenheit vertraute Person sagte der Nachrichtenagentur Reuters, dass ein neuer Katalysator Teil der vorgeschlagenen Lösung sei.
So könnte VW die "Dieselgate"-Kosten schultern
Der Abgas-Skandal kratzt nicht nur am Image des Volkswagen-Konzerns - er dürfte vor allem sehr teuer werden. Die wichtigsten Fragen und Antworten zu den Kosten des Skandals und wie VW sie stemmen könnte.
Quelle: dpa
Darüber rätseln Beobachter derzeit. Bislang bekannt ist: Volkswagen hat 6,5 Milliarden Euro für Kosten aus dem Abgas-Skandal zurückgelegt. Das Geld ist aber wohl in erster Linie für eine technische Umrüstung der Autos mit Manipulations-Software bestimmt, wie Finanzchef Hans Dieter Pötsch laut dem Fachblatt „Automobilwoche“ kürzlich vor VW-Managern erklärte. Unklar ist, welche Strafzahlungen auf VW zukommen. Dazu dürften noch mindestens drei andere mögliche Kostenblöcke kommen: Strafzahlungen, Schadenersatzforderungen, Anwaltskosten. Wie hoch diese Ausgaben sein werden, lässt sich derzeit nur grob schätzen. Die Landesbank Baden-Württemberg rechnet derzeit mit einem Schaden von 47 Milliarden Euro für den Konzern. Ein möglicher Imageverlust und damit verbunden ein Rückgang der Autoverkäufe ist dabei noch nicht eingerechnet. Allerdings werden die Kosten wohl nicht auf einmal anfallen, sondern sich über Jahre verteilen.
Vergleichsweise viel. VW hat sich in den vergangenen Jahren ein stattliches Kapitalpolster zugelegt. Zur Jahresmitte hatte der Konzern rund 18 Milliarden Euro Bargeld auf dem Konto. Das ist mehr als ganze Dax-Konzerne wie Adidas oder Lufthansa einzeln an der Börse wert sind. „Über den Daumen gepeilt kann VW davon die Hälfte verwenden, um mögliche Kosten zu begleichen“, sagt Nord-LB-Analyst Frank Schwope. Dazu kommen bei VW noch schnell veräußerbare Wertpapiere über 15 Milliarden Euro und Schätzungen zufolge mindestens 5 Milliarden Euro aus dem Verkauf der Beteiligungen am ehemaligen Partner Suzuki und an einer niederländischen Leasingfirma.
Das ist sehr unwahrscheinlich. VW könnte sich über Anleihen und Kredite Geld leihen, auch wenn einige Ratingagenturen ihre Bewertungen der Kreditwürdigkeit des Konzerns zuletzt angepasst hatten. Wenn es irgendwann hart auf hart käme, könnte Volkswagen immer noch sein Tafelsilber verkaufen. Am einfachsten ließen sich wohl die Luxusmarken Bentley, Bugatti und Lamborghini aus dem Konzern herausnehmen. Nord-LB-Analyst Schwope schätzt den möglichen Verkaufserlös für die drei Marken und den Motorradhersteller Ducati auf 5 bis 10 Milliarden Euro. Durch einen Verkauf der Lastwagenbauer MAN und Scania ließen sich nach seinen Berechnungen sogar 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen. Das wertvollste Juwel in der Sammlung, den Sportwagenbauer Porsche, dürften die VW-Anteilseigner kaum abgeben wollen.
Nur begrenzt. Eine Kapitalerhöhung - also die Ausgabe neuer Aktien - ist bei VW nicht so leicht wie in anderen Konzernen. Damit die Familien Porsche und Piëch sowie das Land Niedersachsen als Anteilseigner ihre Macht im Konzern nicht verlieren, darf sich deren jeweiliger Anteil an den Stammaktien nicht stark verringern. Vor allem Niedersachsen dürfte aber derzeit kaum ein Interesse daran haben, weitere Stammaktien zu kaufen und Geld in den VW-Konzern zu stecken. VW könnte deshalb wohl höchstens neue Vorzugsaktien ausgeben, das sind Aktien ohne Stimmrecht auf der Hauptversammlung des Konzerns. Laut Aktiengesetz darf die Zahl dieser Vorzugsaktien die Zahl der Stammaktien allerdings nicht übersteigen. VW könnte deshalb höchstens rund 114 Millionen neue Aktien ausgeben und damit auf Basis derzeitiger Kurse rund 11 Milliarden Euro einsammeln.
In der Regel setzen Sparmaßnahmen bei großen Konzernen zuerst bei den Mitarbeitern an: Weniger Gehalt, Einstellungsstopps, bis hin zu Stellenstreichungen und Entlassungen. Bei Volkswagen wäre das allerdings nicht so einfach. Die Arbeitnehmervertreter haben in Wolfsburg deutlich mehr Macht als in anderen Konzernen. Einfacher wäre die Kürzung geplanter Investitionen. Hier hatte Volkswagen angepeilt, bis 2019 eine Summe von mehr als 100 Milliarden Euro in Standorte, Modelle und Technologien zu stecken. Laut Experte Schwope könnte VW hier den Rotstift ansetzen und so 2 Milliarden Euro jährlich sparen, vor allem bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung. Nur: Dann besteht die Gefahr, von der Konkurrenz abgehängt zu werden. Der Zeitpunkt wäre denkbar ungünstig - die Autoindustrie steht durch Digitalisierung und Elektroantriebe vor einem Umbruch.
VW steht wegen der Dieselaffäre am Pranger. Die US-Justizbehörden werfen dem Konzern mangelnde Kooperation vor und verlangen Transparenz. Knapp 600.000 Autos verschiedener Konzernmarken fahren dort mit der manipulierten Software. Weltweit sind elf Millionen Diesel betroffen. Während in Europa bald der Rückruf von Fahrzeugen beginnt, hat sich VW in den USA noch nicht mit der EPA über einen Plan geeinigt. Am Mittwoch trifft VW-Chef Matthias Müller EPA-Chefin Gina McCarthy.
Um Vertrauen zurückzugewinnen, will VW einem Bericht zufolge in den USA auch eine Art Außenminister einsetzen. Es solle eine hoch angesehene Persönlichkeit beauftragt werden, die einen Neuanfang glaubwürdig verkörpere, berichteten „Süddeutsche Zeitung“, NDR und WDR unter Berufung auf Konzernkreise. Die treibende Kraft hinter dem Plan sei die frühere SPD-Politikerin und Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt, die bei VW zu Jahresbeginn das neue Vorstandsressort für Integrität und Recht übernahm. Die Juristin war in ähnlicher Funktion bei Daimler tätig und half dort, eine Schmiergeldaffäre zu bewältigen. VW lehnte einen Kommentar ab.
Unter dem Dieselskandal leidet indes der Absatz von VW: Der Konzern lieferte 2015 weltweit 9,93 Millionen Fahrzeuge aus – ein Minus von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zudem drohen milliardenschwere Klagen. Vor wenigen Tagen reichte das US-Justizministerium im Namen der EPA Klage gegen den Autobauer wegen des Verstoßes gegen das Luftreinhaltungsgesetz ein. Die geforderten Geldstrafen summieren sich auf bis zu 46 Milliarden Dollar.