VW-Finanzierungssparte Die große Dieselkrise ist ausgeblieben

Die Finanzierungs- und Leasingsparte des Volkswagen-Konzerns schafft einen Rekordgewinn – trotz der Dieselkrise. Die Restwerte der Autos mit manipulierter Software sind stabil, das Neugeschäft wächst ordentlich.

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Die Finanzierungstochter erwartet für das Jahr 2016 einen Rekord bei den Verträgen. Quelle: dpa

Hannover Der befürchtete Einbruch ist ausgeblieben, die Geschäfte laufen trotz der Dieselkrise viel besser als ursprünglich gedacht. Volkswagen Financial Services, die Finanzierungs- und Leasingsparte des Wolfsburger Autokonzerns, wird in diesem Jahr erstmals einen operativen Gewinn von mehr als zwei Milliarden Euro erreichen. „Wir werden die Grenze knacken“, sagte Finanzvorstand Frank Fiedler am Freitag in Hannover vor Journalisten. Im vergangenen Jahr lag das operative Ergebnis bei 1,92 Milliarden Euro.

Die Finanzierungstochter des VW-Konzerns, weltweit in 50 Ländern vertreten, gibt im Großen und Ganzen Entwarnung in der Dieselkrise. Vor einem Jahr hatte das Unternehmen noch kurzfristig 570 Millionen Euro auf die Leasing-Restwerte der Diesel- und einiger Benzinmodelle abgeschrieben – aus Furcht davor, dass die Gebrauchtwagenpreise wegen des Abgasskandals massiv in den Keller rutschen könnten.

Doch der befürchtete Effekt ist ausgeblieben. „Die Wertbeständigkeit der Fahrzeuge hat sich sogar verbessert“, betonte der Vorstandsvorsitzende Lars Henner Santelmann. Die Restwerte der Dieselmodelle hätten sich in Deutschland in diesem Jahr um einige Zehntelprozent-Punkte verbessert. Doch Volkswagen Financial Services mit Sitz in Braunschweig denkt nicht daran, die zusätzlichen Abschreibungen aus dem vergangenen Jahr sofort wieder rückgängig zu machen. Beim Finanzierungsarm des VW-Konzerns gelte das Prinzip Vorsicht, deshalb blieben diese Reserven erst einmal in der Bilanz. VW Financial warte die weitere Entwicklung ab und entscheide darüber erst später, betonte Santelmann.

Eine Auswirkung der Dieselaffäre ist bei Volkswagen Financial allerdings weiter zu spüren: Die VW-Tochter ist wie der gesamte Konzern immer noch nicht auf den Anleihemarkt zurückgekehrt. Investoren hatten sich nach Bekanntwerden der Dieselaffäre von Volkswagen und seinen Tochtergesellschaften abgewandt, weil ihnen die Risiken zu groß geworden waren. VW Financial hofft darauf, vielleicht schon zu Anfang des nächsten Jahres wieder Anleihen begeben zu können. Der Finanzierungsarm kann darüber allerdings nicht allein entscheiden, sondern muss der Zentrale in Wolfsburg den Vorrang gewähren. „Wir warten auf den Anruf des Konzerns“, sagte Finanzvorstand Fiedler. Wenn VW als Ganzes wieder Anleihen herausgebe, dann könne das auch die Finanzierungssparte.

Anlageexperten erwarten eine Rückkehr des Volkswagen-Konzerns und der Finanzsparte an die Anleihemärkte zu dem Zeitpunkt, zu dem die Milliarden-Belastungen aus der Dieselaffäre weitestgehend bekannt sind. Das dürfte dann der Fall sein, wenn der VW-Konzern die Verhandlungen mit den US-Justizbehörden über die Zahlung von Strafgeldern abgeschlossen hat. Mit einem Verhandlungsergebnis wird noch vor Weihnachten gerechnet. Die Finanzierungslücke, die die fehlenden Anleihen ausgelöst hatten, hat VW Financial mit sogenannten „Asset Backed Securities“ (ABS-Papiere) und mit dem auf 35 Milliarden Euro gestiegenen Einlagevolumen seiner Kunden ausgeglichen.

Mehr Freiheiten bei der Finanzierung gibt der VW-Finanztochter auch eine neue Struktur. Die Volkswagen Bank, bislang noch ein Teil der Finanzierungssparte, wird Anfang 2018 als eigenständiges Unternehmen ausgegliedert. Damit unterliegt nur noch die Volkswagen Bank den strengen Eigenkapitalvorschriften der Europäischen Zentralbank (EZB), der Leasing-Bereich hingegen nicht mehr. Für eine Bank ist im kommenden Jahr eine Eigenkapitalquote von 14,6 Prozent vorgeschrieben, für den Rest des Geschäfts von VW Financial reichen rund acht Prozent aus. Die Volkswagen-Tochter dürfte damit einen niedrigen einstelligen Milliardenbetrag freimachen.


Durchgreifende Digitalisierung steht an

2017 greift die Ausgliederung der Bank allerdings noch nicht, die höhere Eigenkapitalquote wird deshalb ein letztes Mal für das gesamte Unternehmen fällig. In dieser Situation hilft der Konzern noch in diesem Jahr mit einer Kapitalspritze von einer Milliarde Euro, zu Beginn des neuen Jahres dürfte ein Betrag in ähnlicher Größenordnung fällig werden. Zudem bleibt der überwiegende Teil des Jahresgewinns von VW Financial im eigenen Unternehmen. Im Jahr 2018, wenn die Abspaltung der Bank greift, soll das freiwerdende Eigenkapital allerdings nicht ausgeschüttet werden. Mit diesem Geld will der Vorstand Neugeschäft auf der Eigenkapitalseite unterlegen, also Wachstum absichern.

Volkswagen Financial stellt sich auf eine durchgreifende Digitalisierung des Geschäfts ein. Leasing- und Finanzierungsverträge würden in den kommenden Jahren meistens nur noch online abgewickelt. Entsprechend muss die VW-Tochter mehr Geld für die eigene IT ausgeben. In den nächsten drei Jahren sind dafür Investitionen in Höhe von etwa 500 Millionen Euro geplant.

Für das Jahr 2016 zieht VW Financial eine insgesamt positive Bilanz. „Wir sind sehr zufrieden mit diesem Jahr“, sagte Vertriebsvorstand Christian Dahlheim. Die Zahl der Verträge wird 2016 auf 18,1 Millionen steigen. Im Vorjahr waren es noch 16,6 Millionen Verträge. Den Großteil ihres Geschäfts macht die VW-Tochter mit Finanzierungs- und Leasingverträgen für Autos aus dem Volkswagen-Konzern. Zudem hat VW Financial Versicherungen im Angebot. Eine wachsende Bedeutung bekommen Dienstleistungsverträge; Kunden der Volkswagen-Tochter können etwa die Wartungskosten ihrer Autos gegen eine monatliche Pauschalzahlung an das Unternehmen abtreten.

Vorstandschef Santelmann bezeichnete es als ureigensten Vorteil von VW Financial, dass das Unternehmen solch ein breites Angebot im Programm habe. „Kein anderer hat ein solch großes Bündel in der Hand“, sagte er. Volkswagen Financial Services sei ein Dienstleister für die Nutzung „rund ums Auto“. Die VW-Tochter hat etwa zehn Millionen Fahrzeuge im Bestand. Weltweit wird etwa jedes dritte Fahrzeug aus dem Volkswagen-Konzern über die Finanzierungstochter an die Kunden weitergereicht.

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