VW-Nutzfahrzeuge „Der Wechsel auf den Elektroantrieb ist unwiderruflich“

Zwei Jahre hat VW gebraucht, um seine Marken wie Scania, MAN und Rio in einer Truck&Bus-Sparte zu integrieren. Nun schaut VW-Manager Renschler nach vorn: Er will im Verbund E-Lkw entwickeln – und Mega-Konvois testen.

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VW-Manager Renschler mit Elektro-Truck der VW-Tochter MAN: „Der Wechsel auf den Elektroantrieb hat unwiderruflich begonnen“. Quelle: dpa

Hamburg Ein gewisser Stolz ist Andreas Renschler sofort anzumerken. „Vor zwei Jahren wäre ein solcher Tag nicht möglich gewesen“, verkündet der Chef der Lkw- und Bus-Sparte von Volkswagen. Zu der Sparte gehören Scania und MAN, das Nutzfahrzeuggeschäft in Brasilien und die Digitalplattform Rio. Erstmals tritt der Geschäftsbereich am Mittwoch in Hamburg gemeinsam auf: Mit einem „Innovation Day“ will das Marken-Konglomerat zeigen, dass aus dem sehr heterogenen Gebilde eine gemeinsam agierende Einheit geworden ist. Den Beweis dafür sollen technische Neuerungen beim Autonomen Fahren, der Vernetzung von Lastwagen und bei der Entwicklung neuer Antriebe liefern.

Sparten-Manager Renschler gesteht ein, dass es nicht immer ganz einfach war, eine gemeinsame Linie für die verschiedenen Nutzfahrzeug-Marken des Konzerns zu finden. „Zunächst mussten wir ein Klima der Kooperation schaffen“, betonte der Lkw-Vorstand. Die Tochterunternehmen waren es nicht unbedingt gewohnt, im großen Verbund zu agieren.

Doch für Renschler steht fest: Die vor zwei Jahren gegründete „Truck & Bus“-Gruppe von Volkswagen hat große Fortschritte gemacht. Die verschiedenen Marken arbeiteten bei den wichtigsten Zukunftsthemen der Nutzfahrzeugbranche zusammen. „Der Transportbereich verändert sich radikal“, sagte der Volkswagen-Vorstand – und sein Konzernbereich habe darauf inzwischen die passenden Antworten gefunden. „Hier in Hamburg zeigen wir die Stärken der gesamten Gruppe“, unterstrich Renschler. Den Forschungs- und Entwicklungsbereich für die gesamte Sparte hatte der Konzernvorstand bereits bei der schwedischen Lkw-Tochter Scania angesiedelt.

Die Entwicklung neuer alternativer Antriebe zählt für die Volkswagen-Sparte zu den wichtigsten Aufgaben. Der Elektroantrieb werde nicht auf den klassischen Pkw beschränkt bleiben, sondern auch eine wachsende Bedeutung bei Nutzfahrzeugen bekommen. Aus Sicht von Renschler gilt das ganz besonders für den Transport in den Ballungsräumen und auf kürzeren Entfernungen. 1,4 Milliarden Euro will Volkswagen in den kommenden Jahren in die Entwicklung des neuen Transport-Know-Hows investieren.

Die VW-Gruppe arbeitet an einem gemeinschaftlichen Elektroantrieb für alle Marken, der sowohl im gewöhnlichen Lkw als auch im Bus verwendet werden kann. MAN und Scania, die beiden wichtigsten Marken der VW-Sparte, werden voraussichtlich im kommenden Jahr die ersten Omnibusse mit Elektroantrieb ausliefern. Ende 2018 könnte MAN mit der Produktion von elektrisch angetriebenen leichteren Lastwagen beginnen.

Die gemeinsam entwickelte Elektroarchitektur wird nicht nur auf Europa beschränkt bleiben. Volkswagen hatte sich im vergangenen Jahr mit knapp 17 Prozent am US-Konkurrenten Navistar beteiligt. Volkswagen ist mit seinem Nutzfahrzeug-Programm bislang kaum in den Vereinigten Staaten vertreten. Die Beteiligung an Navistar soll dafür sorgen, dass VW-Produkte auch in den USA mehr Verbreitung finden. Auch bei leichteren Nutzfahrzeugen: Renschler kündigte an, dass Navistar den neuen Elektroantrieb aus Europa ebenfalls verwenden werde. Auch die eigene VW-Lkw-Tochter aus Brasilien bereitet die Einführung des Elektroantriebes vor: Im nächsten Jahr sollen die ersten Testflotten eingesetzt werden.

„Der Wechsel auf den Elektroantrieb hat unwiderruflich begonnen“, sagte Andreas Renschler. Der VW-Vorstand machte allerdings eine Einschränkung: Auf langen Transportstrecken über Ländergrenzen hinweg und durch Kontinente werde sich der Elektroantrieb auf absehbare Zeit nicht durchsetzen. Im Langstreckenbereich bleibe der klassische Dieselantrieb dominant. Es müsse allerdings nicht ausschließlich beim Selbstzünder bleiben: VW Truck & Bus arbeite an Hybrid-Lastwagen, der Diesel könne beispielsweise mit einem Flüssiggas-Antrieb kombiniert werden.


Vernetzte Lkw-Flotten

Die Vernetzung der Lastwagen-Flotten gilt als das zweite große Zukunftsthema bei VW. Damit verbunden ist das Autonome Fahren. Beide Bereiche sollen dafür sorgen, dass Speditionen und andere Kunden ihre Geschäfte einfacher und günstiger abwickeln können – also Geld sparen. „Vor zehn Jahren hat unsere Branche fast ausschließlich nur Hardware in Form von Fahrzeugen verkauft“, sagte Renschler. Heute gehe es viel stärker um Dienstleistungen und neue Service-Angebote.

300.000 verkaufte Lastwagen aus der Volkswagen-Flotte sind bereits vernetzt. VW Truck & Bus will diese Zahl auch mit Hilfe von Navistar in den kommenden Jahren auf etwa 650.000 erhöhen. Aus Sicht von Andreas Renschler leidet die gesamte Branche immer noch zu sehr unter zu vielen Leerfahrten und ungenutzten Transportkapazitäten. Wenn die Lkw-Flotten zentral gesteuert werden können, lasse sich die Auslastung deutlich erhöhen. „Die Kapazitäten können um bis zu 80 Prozent vergrößert werden“, sagte er.

Sparen können Speditionen auch, wenn nicht mehr in jedem Lastwagen ein Fahrer sitzt. Mit „Platooning“ (Windschatten-Fahren) arbeiten Hersteller wie Volkswagen an entsprechenden Produkten. Mehrere Lkw werden damit drahtlos zu Ketten verknüpft. Nur im ersten Fahrzeug sitzt noch ein Mensch, die anderen Lastwagen werden automatisch gelenkt.

MAN wird in Zusammenarbeit mit der Deutsche-Bahn-Tochter Schenker im Frühjahr 2018 die ersten Platoons auf einem digitalen Testfeld der Autobahn A9 zwischen München und Nürnberg erproben. Scania beteiligt sich an einem Platooning-Projekt in Singapur, wo die Lkw-Konvois zwischen zwei Hafenterminals verkehren. „Platooning ist der Einstieg in das automatisierte Fahren auf öffentlichen Straßen“, so Andreas Renschler.

Scania liefert in den nächsten Wochen einen selbstfahrenden Lastwagen an eine Mine in Afrika aus. Dort soll erprobt werden, wie sich die autonom fahrenden Lkw unter schwierigen Straßen- und Umweltbedingungen bewähren. Völlig ohne Mensch am Steuer wird es allerdings so schnell nicht gehen. „Der Fahrer bleibt unverzichtbar“, sagte Scania-Chef Henrik Henriksson in Hamburg. Bis sich autonome Systeme wirklich überall durchsetzen, würden noch sehr viele Jahre vergehen.

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