VW und Bosch entschädigen US-Kläger Die letzte Milliardenlast in Nordamerika

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„Organverschulden“ bei Volkswagen?

Unwiderruflich festgelegt ist hingegen das Strafgeld, das der Konzern an das US-Justizministerium überweisen muss. 4,1 Milliarden Euro werden dafür fällig. Volkswagen hat seine eigene Schuld an den Manipulationen eingestanden, deshalb wird am Strafmaß nicht mehr gerüttelt. Weitere 1,1 Milliarden Euro Entschädigung gehen an die US-Händler von Volkswagen, weil sie nach dem Bekanntwerden des Skandals keine Dieselmodelle mehr verkaufen konnten.

Eine Sonderrolle spielt Kanada. Da die Gesetzgebung dort der der USA vergleichbar ist, können auch kanadische Volkswagen-Kunden mit einer Entschädigung aus Wolfsburg rechnen. Umgerechnet etwa 1,5 Milliarden Euro sind dafür reserviert. Etwa 100.000 manipulierte Dieselmodelle aus dem Volkswagen-Konzern sind auf den kanadischen Straßen unterwegs gewesen.

Unklarheit herrscht bei der Frage, ob der Konzern auch in Europa nach dem Vorbild der USA an betroffene Autofahrer Schadensersatz leisten muss. Volkswagen verweist auf die unterschiedliche Gesetzgebung auf beiden Seiten des Atlantiks, in Europa reiche die Umrüstung aus.

Natürlich gibt es noch einen weiteren Grund: In Europa sind deutlich mehr manipulierte Diesel-Fahrzeuge aus dem Konzern unterwegs. Volkswagen geriete an die Grenzen seiner finanziellen Möglichkeiten, wenn auch in Europa größere Entschädigungen fällig würden.

Vertreter von VW-Aktionären machen Schadensersatz wegen des rapiden Kursverfalls nach Bekanntwerden des Skandals geltend. Aktuell stehen Volkswagen Milliarden-Forderungen gegenüber. Außerdem versuchen auch Autofahrer in Europa, Entschädigungsleistungen vor Gericht durchzufechten, weil sie ein manipuliertes Auto aus dem Konzern gekauft hatten. Volkswagen profitiert davon, dass es die gefürchteten Sammelklagen wie in den USA etwa in Deutschland nicht gibt. Jeder Kunde muss allein vor Gericht ziehen, was viele davon abhält.

18,2 Milliarden Euro hat der VW-Konzern bislang an Rückstellungen wegen der Dieselaffäre gebildet. „Dieser Betrag dürfte nochmals erhöht werden“, glaubt NordLB-Analyst Frank Schwope. So sind die Strafgeldzahlungen an das US-Justizministerium nur zum Teil berücksichtigt. VW ist nicht ausreichend darauf vorbereitet, wenn plötzlich doch Milliardenforderungen aus Europa auf den Konzern zukommen sollten. „Zudem ist auch noch mit einstelligen Milliarden-Aufwendungen für die Reparatur der Fahrzeuge zu rechnen“, glaubt Analyst Schwope.

Völlig unabhängig davon dürfte es noch einzelne Strafverfahren gegen einzelne VW-Mitarbeiter geben, der Konzern ist davon allerdings nicht mehr betroffen. Offen bleibt im Moment lediglich, ob Volkswagen gegen ehemalige Führungskräfte wie etwa Ex-Konzernchef Martin Winterkorn gerichtlich vorgehen wird und Schadensersatz verlangt. Der Konzern könnte sich dabei auf ein sogenanntes „Organverschulden“ berufen: Als Vorstandsvorsitzender hätte Winterkorn über alle wichtigen Vorgänge im Unternehmen Bescheid wissen müssen – also auch über die Probleme mit den Dieselmotoren.



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