Was Unternehmen zum Brexit sagen "Erwarten deutlichen Rückgang des Geschäfts"

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Energiebranche bleibt zuversichtlich

Der Energiekonzern E.On rechnet nach dem Brexit nicht mit großen negativen Folgen für sein wichtiges Geschäft in Großbritannien. „Die Konsequenzen für E.On sind wohl beherrschbar“, sagte Vorstandschef Johannes Teyssen. „Unser Geschäft in Großbritannien ist ein regionales.“ Allerdings liege in der Entwicklung des Pfundes ein Risiko. Eine schwächere britische Währung führt dazu, dass von Gewinnen auf der Insel bei der Umrechnung in Euro weniger übrig bleibt. Teyssen betonte zugleich, dass der Konzern auch Schulden in Pfund habe. Das wirke ausgleichend. E.On hat in Großbritannien rund fünf Millionen Strom- und Gaskunden.

Konkurrent RWE hat ähnlich viele Kunden im Vereinigten Königreich. Der Konzern beliefert mit seiner Tochter Npower dort rund 3,2 Millionen Kunden mit Strom und zwei Millionen mit Gas – Großbritannien ist für RWE der zweitwichtigste Markt.

Der Energiekonzern hofft, in seinem Geschäft von den negativen Folgen eines britischen EU-Austritts verschont zu bleiben. „Niemand weiß genau, welche wirtschaftlichen Folgen der Brexit langfristig haben wird“, sagte Vorstandschef Peter Terium am Freitag in Essen. „Aber ich bin sehr zuversichtlich, was unser Geschäft mit Energie und Energiedienstleistungen in Großbritannien betrifft.“

Sollte es zu Handelshürden kommen, träfen RWE diese vermutlich nur am Rande. Die nationale Regulierung sowie die Akzeptanz vor Ort seien für den Geschäftserfolg viel entscheidender. „Daher sollten die ökonomischen Einflüsse eines Brexit auf unser Geschäft auch vergleichsweise gut beherrschbar sein.“ Er selbst sei „schockiert“ über die Entscheidung. „Wir verlieren einen starken Mitstreiter für Marktwirtschaft, Eigenverantwortung und Wettbewerb“, sagte Terium.

Post-Chef zeigt sich enttäuscht

„Wir sind davon überzeugt, dass wirtschaftliche Integration politische Stabilität und gesellschaftlichen Wohlstand bringt“, sagt Post-Chef Frank Appel. Da eine Übergangsphase von bis zu zwei Jahren zu erwarten ist, bevor ein Austritt wirklich vollzogen wird, sehen wir kurzfristig keine negative‎ Auswirkungen für unser Geschäft. Dennoch werden wir die Lage angesichts der Brexit-Entscheidung noch einmal prüfen.“

IT-Branche will UK als starken Partner

Der Branchenverband Bitkom sieht den digitalen Binnenmarkt gefährdet. „Wir müssen jetzt dafür sorgen, dass die Auswirkungen auf die deutsche und europäische Digitalwirtschaft möglichst gering bleiben“ sagt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Schwer werde es künftig insbesondere für Dienstleister und Start-ups. Rohleder: „Es ist zu erwarten, dass sich Großbritannien von den Standards des digitalen Binnenmarkts entfernen wird. Für Unternehmen aus Deutschland bedeutet das, dass sie sich mit abweichenden Regeln in Großbritannien beschäftigen müssen. Gerade für Mittelständler und Start-ups ist das oft kaum möglich. Und IT-Dienstleister, die fast immer in internationalen Teams arbeiten, werden künftig nicht mehr von der Arbeitnehmerfreizügigkeit profitieren können.“

Auch Telekom-Chef Timotheus Höttges sieht einen schlechten Tag für Europa. „In einer globalisierten und zunehmend digitalisierten Welt sind große, einheitliche Märkte wichtig, um wettbewerbsfähig zu sein“, so Höttges. „Deswegen wäre es gut gewesen, wenn sich die Briten für Europa entschieden hätten. Wir alle müssen uns damit auseinandersetzen, warum für viele Menschen die europäische Idee – von der ich zutiefst überzeugt bin – so deutlich an Faszination verloren hat.“ Man müsse nun darauf achten, dass die Wirtschaftsgrenzen mit dem Vereinigten Königreich dauerhaft offen bleiben.

Konkurrent Vodafone will die politischen und wirtschaftlichen Konsequenzen erst eruieren, bevor man Schlüsse aus dem Votum zieht. „Wie wir schon vor dem Referendum erklärt haben, werden wir unsere Kunden in Großbritannien auch weiterhin unterstützen – jetzt und in Zukunft und unabhängig vom Ergebnis“, teilt der Telekommunikationskonzern mit. „Es ist noch zu früh, eine Aussage zu den Auswirkungen des Ergebnisses auf den Geschäftssitz der Vodafone Gruppe zu machen.“

Der Softwarekonzern SAP respektiert die Entscheidung der britischen Wähler. „Wir wünschen uns, dass nun alle Kräfte in Großbritannien und Europa zügig die nächsten Austrittschritte einleiten, um Rechtsunsicherheit für Unternehmen zu vermeiden“, teilt das Walldorfer Unternehmen mit. „Ziel muss sein, das Vereinigte Königreich möglichst schnell von einem wertvollen Mitglied zu einem wertvollen Partner der EU zu machen.“

Für Karl-Heinz Streibich, CEO der Software AG, gilt es nun die richtigen Lehren für die weitere Politik zu ziehen. „Ein ‚Business-As-Usual‘ kann und darf es nicht geben“, so Streibich. „In zu vielen Ländern erstarken anti-europäische Bewegungen. Darauf hätten die Institutionen in Brüssel viel früher konstruktiv reagieren müssen. Die Zukunft der Europäischen Union wird nicht durch den Brexit entschieden, sondern durch die Lehren, die daraus gezogen werden. Ich hoffe, das wird in Brüssel erkannt.“

Deutsche Sportartikel-Hersteller bleiben gelassen

„Wir werden nun alles daran setzen, unser Geschäft in Großbritannien erfolgreich weiterzuführen“, sagt Adidas-Chef Herbert Hainer. „Großbritannien ist einer unserer wichtigsten Märkte in Europa, Adidas hat dort eine starke Stellung. Wir gehen davon aus, dass die Nachfrage nach Sportartikeln und der Trend zu einem sportlichen Lifestyle unverändert anhalten werden.“

Auch Puma sieht keine kurzfristigen Auswirkungen. „Den Wechselkurs des Pfundes haben wir abgesichert und daher ist Puma durch den Fall der britischen Währung keinen Risiken ausgesetzt“, sagt Vorstandschef Björn Gulden. „Derzeit ist es noch zu früh zu sagen, ob diese Entscheidung mittelfristig Auswirkungen auf unser Geschäft haben wird, da wir zunächst das Verbraucherverhalten beobachten und auch abwarten müssen, wie sich die Situation weiterentwickelt. Auf jeden Fall wird diese Entscheidung Unsicherheit hervorrufen und Unsicherheit ist natürlich niemals gut.“

Rolf Buch, Vorstandschef des Wohnungsvermietungs-Marktführers Vonovia, sieht für sein Unternehmen kurzfristig zwar „keine negativen Auswirkungen“ durch den EU-Exodus der Briten. Aber die Details zeigen, wie viele Sorgen etwa in Sachen Finanzierung damit verbunden sind. So ist Buch heute offensichtlich froh, dass Vonovia „keine Schuldverschreibungen in britischen Pfund“ hat. Zwar seien rund 30 Prozent der Vonovia-Anteilseigner „aus UK“, weiß er. Doch deren Investment diene vornehmlich der Diversifikation und der Risikominimierung. Vonovia sei „bis mindestens November 2016, voraussichtlich sogar Februar 2017 frisch durchfinanziert“ und den „Schwankungen an den britischen Kapitalmärkten somit nicht ausgesetzt“. Vorerst zumindest.

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