Was Unternehmen zum Brexit sagen "Erwarten deutlichen Rückgang des Geschäfts"

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Luftfahrt, Energieunternehmen und IT

Viel steht für die Deutsche Börse auf dem Spiel. Sie will sich mit dem Londoner Konkurrenten LSE zusammenschließen. Das Anteilsverhältnis ist schon festgezurrt. Der Deal könnte für den Frankfurter Marktbetreiber nun teuer werden, falls die Londoner Börse wegen des Brexits massiv an Wert verlieren sollte. Wegen des Brexit sei eine Verbindung zwischen Frankfurt und London sogar noch wichtiger, erklärte Deutsche-Börse-Aufsichtsratschef Joachim Faber.

„Wir sind davon überzeugt, dass der beabsichtigte Zusammenschluss von Deutscher Börse und London Stock Exchange durch das Abstimmungsergebnis eine noch höhere Bedeutung für unsere Kunden bekommen hat und sowohl für unsere Aktionäre als auch weitere Stakeholder Vorteile bringen wird.“ Die Aktionäre der LSE sollen am 4. Juli auf einer außerordentlichen Hauptversammlung grünes Licht für die Börsen-Hochzeit geben. Die Deutsche-Börse-Aktionäre haben Zeit bis zum 12. Juli, um das Fusionsangebot anzunehmen.

Deutsche Börse und LSE haben ein Referendums-Komitee installiert, das nun über die Konsequenzen des Brexit für die Fusion beraten wird. Auch die Entscheidung für London als „alleinigem Sitz“ der fusionierten Börse solle dabei noch mal überprüft werden, hatte Faber im Vorfeld des Referendums angekündigt.

Der Betriebsrat der Gruppe Deutsche Börse fordert, dass nach einer Fusion mit der London Stock Exchange (LSE) der Rechtssitz in Frankfurt am Main sein solle. Das geht aus einer Betriebsratsinfo hervor, die der WirtschaftsWoche vorliegt. Nur so könne nach dem Zusammenschluss ein europäischer Börsen-Champion geschaffen werden. Jeder andere Standort und Rechtssitz außer Frankfurt sei ausgeschlossen.

Kritisch gesehen wird der Sitz in London unter anderem von der hessischen Börsenaufsicht, die den Zusammenschluss blockieren kann. Aus Sicht von Analysten steigt durch den Brexit die Gefahr, dass die Aufsichtsbehörden die Fusion verbieten. Deutsche-Börse-Aktien verloren rund sieben Prozent, LSE-Papiere brachen um 13 Prozent ein.

Luftfahrtbranche leidet auf der Insel und dem Kontinent

Die Investmentbank HSBC rät in einer aktuellen Studie zum Verkauf von Aktien aller europäischen Fluglinien. „Wir erwarten, dass der Flugverkehr nach Großbritannien spürbar zurückgeht und zwar sowohl bei Urlaubern aus Großbritannien als auch beim Geschäftsreiseverkehr von und nach Großbritannien“, schreiben die Analysten. „Während der zu erwartenden Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zwischen Großbritannien und der EU rechnen wir mit einer hohen Unsicherheit ob und unter welchen Bedingungen Großbritannien sich an den EU Single Aviation Area genannten gemeinsamen Flugmarkt anschließt. Dafür werden alle auf den britischen Inseln tätigen Fluglinien wie Easyjet, Ryanair, Norwegian und Wizzair wahrscheinlich neue Beteiligungen in der EU gründen, was zu höheren Kosten führt.“

Aber auch die Linien auf dem Kontinent seien betroffen: „Denn bei einem Rückgang des Flugverkehr von und nach Großbritannien werden sie ihre Flugzeuge vermehrt innerhalb der EU einsetzen, was die vorhandenen Überkapazitäten weiter verstärken wird.“

„Als Europäer bin ich enttäuscht und bedauere den Austritt von Großbritannien aus der Europäischen Union. Für uns als größter europäischer Luftfahrtkonzern sind die Auswirkungen beherrschbar“, sagt Lufthansa-Chef Carsten Spohr. Gemessen am Gesamtumsatz der Lufthansa Group liegt der Anteil des Markts Großbritannien bei fünf Prozent. Die konkreten Folgen des „Brexit“ seinen nun von den Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien abhängig.

Was die Briten an der EU stört
Nationale IdentitätAls ehemalige Weltmacht ist Großbritanniens Politik noch immer auf Führung ausgelegt. London ist gewohnt, die Linie vorzugeben, statt sich mühsam auf die Suche nach Kompromissen zu begeben. „London denkt viel mehr global als europäisch“, sagt Katinka Barysch, Chefökonomin beim Centre for European Reform in London. Die Angst, von EU-Partnern aus dem Süden Europas noch tiefer in die ohnehin schon tiefe Krise gezogen zu werden, schürt zusätzliche Aversionen. Quelle: dpa
Finanztransaktionssteuer und Co.Die Londoner City ist trotz massiven Schrumpfkurses noch immer die Lebensader der britischen Wirtschaft. Großbritannien fühlt sich von Regulierungen, die in Brüssel ersonnen wurden, aber die City treffen, regelrecht bedroht. „Regulierungen etwa für Hedgefonds oder die Finanztransaktionssteuer treffen London viel mehr als jeden anderen in Europa“, sagt Barysch. Allerdings hatte die Londoner City in der Finanzkrise auch mehr Schaden angerichtet als andere Finanzplätze. Quelle: dpa
Regulierungen des ArbeitsmarktsGroßbritannien ist eines der am meisten deregulierten Länder Europas. Strenge Auflagen aus Brüssel, etwa bei Arbeitszeitvorgaben, stoßen auf wenig Verständnis auf der Insel. „Lasst uns so hart arbeiten wie wir wollen“, heißt es aus konservativen Kreisen. Quelle: dapd
EU-BürokratieDie Euroskeptiker unter den Briten halten die Bürokratie in Brüssel für ein wesentliches Wachstumshemmnis. Anti-Europäer in London glauben, dass Großbritannien bilaterale Handelsabkommen mit aufstrebenden Handelspartnern in aller Welt viel schneller aushandeln könne als der Block der 27. Die Euroskeptiker fordern auch, dass der Sitz des Europaparlaments in Straßburg (hier im Bild) abgeschafft wird und die Abgeordneten nur noch in Brüssel tagen. Quelle: dpa
MedienDie britische Presse ist fast durchgehend europafeindlich und prägt das Bild der EU auf der Insel. Das hat auch politische Wirkung. „Ich muss meinen Kollegen in Brüssel dauernd sagen, sie sollen nicht den 'Daily Express' lesen“, zitiert die „Financial Times“ einen britischen Minister. Quelle: dpa

Doch nicht nur die Fluglinien werden die Auswirkungen zu spüren bekommen, sondern auch die Flugzeugbauer. „Großbritannien wird zwar leiden, doch bin ich überzeugt, das Land wird sich noch mehr auf die Wettbewerbsfähigkeit seiner Wirtschaft gegenüber der EU und der gesamten Welt fokussieren“, sagt Airbus-Chef Tom Enders. „Natürlich werden wir unsere Investitionsvorhaben in Großbritannien überdenken, so wie jeder andere auch.“

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