Einer der größten britischen Autobauer ist Jaguar-Land-Rover. „Wir werden die langfristigen Auswirkungen und Folgen dieser Entscheidung managen“, sagt Sprecher Chas Hallett. „Für uns oder die Autoindustrie wird sich nichts über Nacht ändern.“ Man werden mit der britischen Regierung daran arbeiten, die Wettbewerbsfähigkeit der britischen Autoindustrie zu gewährleisten, so Hallett weiter.
Ähnlich optimistisch äußerte sich der Sportwagenbauer McLaren. „Wir ermutigen die politischen Entscheidungsträger, den Prozess der Neuverhandlungen mit der EU zu beschleunigen, damit so schnell wie möglich wirtschaftliche Normalität einkehren kann“, sagt Sprecher Wayne Bruce. Von den Unternehmenszielen will McLaren wegen des Brexits nicht abrücken: „Doch unser kürzlich angekündigter Wachstumsplan bis 2022 bleibt unverändert und wir glauben, dass wir unseren Weg in eine gute Zukunft fortsetzen werden.“
Maschinenbau sorgt sich um einen wichtigen Exportmarkt
Die deutsche Schlüsselindustrie sorgt sich um einen ihrer wichtigsten Exportmärkte. Das Vereinigte Königreich belegte 2015 Rang vier der wichtigsten Ausfuhrländer. Deutsche Maschinenbauer lieferten im vergangenen Jahr Ware im Wert von 7,2 Milliarden Euro nach Großbritannien. Deutschland ist dem Branchenverband VDMA zufolge der wichtigste Lieferant der Briten. 2015 kamen 20,6 Prozent der importieren Maschinen aus der Bundesrepublik.
„Die Entscheidung für den Austritt Großbritanniens aus der EU ist ein Alarmsignal für die Unternehmen“, sagte Thilo Brodtmann, Hauptgeschäftsführer des VDMA. Der Industriestandort Europa werde Vertrauen bei Investoren verlieren. „Und es wird nicht lange dauern, bis unsere Maschinenexporte nach Großbritannien spürbar zurückgehen werden“. Bereits im ersten Quartal seien die Ausfuhren in den viertwichtigsten Auslandsmarkt der deutschen Maschinenbauer um vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken.
Für Siemens-Chef Joe Kaeser sind die Folgen des Votums noch nicht abzusehen. „Dazu ist es zu früh. Europa wird sich durch das Votum aber verändern“, so Kaeser. „Die Einigung Europas ist eine große Erfolgsgeschichte."
Das sagen Ökonomen zum Brexit-Entscheid
„Wir müssen einen sanften Übergang in eine neue wirtschaftliche Beziehung sicherstellen. Der IWF unterstützt die Bank von England und die Europäische Zentralbank darin, für die nötige Liquidität des Bankensystems zu sorgen und Schwankungen nach der Abstimmung zu begrenzen.“
„Der Brexit ist für die deutsche Wirtschaft ein Schlag ins Kontor.“
„Die Briten werden die Ersten sein, die unter den wirtschaftlichen Folgen leiden werden.“
„Wir erwarten in den kommenden Monaten einen deutlichen Rückgang des Geschäfts mit den Briten. Neue deutsche Direktinvestitionen auf der Insel sind kaum zu erwarten.“
„Nach einem EU-Austritt sollte niemand Interesse daran haben, mit Zollschranken zwischen Großbritannien und dem Festland den internationalen Warenverkehr zu verteuern.“
„Es wird nicht lange dauern, bis unsere Maschinenexporte nach Großbritannien spürbar zurückgehen werden.“
„Weniger Wirtschaftswachstum in den EU-Staaten und ein schwächeres Exportgeschäft werden die Konsequenzen sein.“
„Die EU-Staats- und Regierungschefs müssen schnell die dringend erforderlichen Reformen für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Fairness im EU-Binnenmarkt in Angriff nehmen.“
"Es kommt jetzt darauf an, ob wir eine saubere oder eine schmutzige Scheidung bekommen. Es geht vor allem darum, ob Großbritannien nach einem Verlassen der EU den Zugang zum EU-Binnenmarkt behält. Wichtig ist, dass die EU jetzt nicht die beleidigte Leberwurst spielt. Sie sollte ein starkes Interesse daran haben, mit den Briten in den kommenden zwei Jahren eine saubere Trennung zu vereinbaren. Das Land ist zweitwichtigster Handelspartner der EU, nach den USA und vor China. Die EU hat ein großes wirtschaftliches Interesse daran, Zölle im Warenhandel zu vermeiden und das Land im Binnenmarkt zu behalten.
Der Brexit stellt auch ein politischen Risiko für die EU dar. Denn das wird den Anti-EU-Parteien in vielen EU-Ländern Rückenwind geben. Die Regierungen werden noch weniger als bisher mehr Europa wagen, so dass die Probleme der Währungsunion weitgehend ungelöst bleiben. Was die EZB mehr denn je zwingt, die Probleme durch eine lockere Geldpolitik zu übertünchen.
Der Brexit schafft Unsicherheit und ist insofern schlecht für die deutsche Wirtschaft. Aber wir erwarten nicht, dass der Euro-Raum in die Rezession zurückfällt. Das gilt auch für Großbritannien und erst recht für den Fall, dass sich allmählich eine saubere Scheidung abzeichnet."
"Jetzt kommt eine große Phase der absoluten Unsicherheit. Denn etwas Vergleichbares hatten wir noch nicht. Unsicherheit ist schlecht für die Wirtschaft." Der Aufschwung in Großbritannien dürfte nun weitgehend zu Ende sein, in der Euro-Zone werde er sich abschwächen. Hersteller von Investitionsgütern wie Maschinen und Autos dürften die Folgen stärker spüren. "Deutschland ist also stärker betroffen als beispielsweise Spanien", sagte Schmieding.
"Die Entscheidung der britischen Wähler für den Brexit ist eine Niederlage der Vernunft", sagte er. "Die Politik muss jetzt alles tun, um den wirtschaftlichen Schaden zu begrenzen. Dazu gehört es, sicherzustellen, dass Großbritannien so weit wie möglich in den Binnenmarkt integriert bleibt." Es sei wichtig, die Verhandlungen darüber möglichst schnell zum Abschluss zu bringen, damit die Phase der Unsicherheit über die künftigen Wirtschaftsbeziehungen möglichst kurz bleibe.
"Die Finanzmärkte werden einige Tage brauchen, um den Schock zu verarbeiten. Die Politik muss jetzt versuchen, das Beste aus einer Entscheidung zu machen, die die EU schwächt. Das wird lange brauchen. Und so lange wird Unsicherheit das Geschehen prägen, zumal die Fliehkräfte in anderen EU-Ländern stärker zutage treten werden. Das Ergebnis kann auch die Nicht-Mainstream-Parteien in Spanien stärken, wo am Sonntag gewählt wird. Bis gestern hatte Europa ein Problem, jetzt ist erst mal Panik."
"Das Ergebnis des Referendums ist kein gutes Signal für Europa. Aber es ist vor allem kein gutes Signal für Großbritannien. Die politischen Strukturen der EU sind stark. Und anders als bei einem 'Grexit', also dem Ausscheiden eines Landes aus der Währungsunion, für das es keine rechtliche Grundlage gibt, ist die Prozedur für das Ausscheiden eines Landes aus der EU rechtlich klar geregelt. Die Folgen für den europäischen Integrationsprozess werden weniger gravierend sein, als jetzt oft vorschnell beschrieben. Auch wenn es schwierig wird: Die EU kann einen Austritt Großbritanniens verkraften.
Innerhalb Europas sollte der Fokus der nächsten Monate auf der Vertiefung des Euro-Raums liegen. Die Euro-Krise ist immer noch nicht ausgestanden. Die EZB hat die Grenze ihres Mandats erreicht. Nun müssen sich die Euro-Länder so schnell wie möglich auf einen Stabilisierungsplan einigen, der sowohl mehr Risikoteilung (vor allem schwierig für Deutschland) als auch mehr Souveränitätsteilung (vor allem schwierig für Frankreich) umfasst. Allerdings ist für einen solchen Plan kaum Zeit."
"Jetzt wird es turbulent an den Finanzmärkten. Das Pfund ist bereits auf einem 30-Jahres-Tief gegenüber dem Dollar. In absehbarerer Zeit sollten wir aber wieder eine Erholung sehen. Die Finanzmärkte fragen sich jetzt: Wie sieht das neue Verhältnis zwischen EU und Großbritannien aus? Die Briten könnten künftig Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) werden, wie Norwegen. Ich gehe nicht davon aus, dass das Verhältnis EU-Großbritannien damit beendet ist. Die EU wird das Land nicht am langen Arm verhungern lassen.
Mit dem heutigen Tag ändert sich erst einmal gar nichts. Es wird jetzt Verhandlungen mit der EU geben. So lange bleibt GB Vollmitglied der EU, also die nächsten zwei Jahre. Ich gehe nicht davon aus, dass sich die wirtschaftliche Lage dramatisch verändern wird. Die Briten dürften es aber merken: Die dortigen Unternehmen dürften jetzt Investitionen überdenken. Aber ich denke nicht, dass das Land nun in eine Rezession fällt."
Chemie-Industrie sieht schlechtes Signal für Europa
Die Chemie-Unternehmen befürchten einen Rückgang grenzüberschreitender Investitionen und weniger Handel. „Die deutsche chemische Industrie hat sich stets zur politischen und wirtschaftlichen Einheit der Europäischen Union bekannt“, sagt Ex-Bayer-Chef und heutiger VCI-Präsident Marijn Dekkers. „Daher bedauere ich es sehr, dass die Briten für einen Ausstieg aus der EU gestimmt haben. Gerade jetzt, wo sich die Konjunktur in Europa zaghaft erholt, ist der Austritt ein schlechtes Signal für die weitere wirtschaftliche Entwicklung.“ Im vergangenen Jahr exportierte die Branche nach Angaben ihres Verbandes VCI Produkte im Wert von 12,9 Milliarden Euro nach Großbritannien, vor allem Spezialchemikalien und Pharmazeutika. Das entspricht 7,3 Prozent ihrer Exporte. Von der Insel bezogen die deutschen Firmen Waren für 5,6 Milliarden Euro, vor allem pharmazeutische Vorprodukte und Petrochemikalien.
Covestro erwartet durch den Ausgang des britischen EU-Referendums momentan keine großen negativen Folgen für das eigene Geschäft. „Aus heutiger Sicht hat der Brexit nur sehr begrenzte Auswirkungen auf unser Unternehmen“, so der Vorstandsvorsitzende Patrick Thomas. Großbritannien zähle nicht zu den zehn größten Märkten von Covestro, und das Unternehmen sei dort nicht mit eigenen Produktionsstätten vertreten. Allerdings ließen sich die politischen Konsequenzen derzeit nicht abschätzen. „Man muss abwarten, was die kommenden Monate bringen“, so der Manager.
Persönlich betrachtet Thomas als Engländer die Entscheidung seiner Landsleute mit Unverständnis: „In meiner persönlichen Sicht ist das Votum eine große Enttäuschung.“
Finanzbranche hofft auf schnelle Erholung
Nach dem Brexit-Votum brechen Aktien von deutschen und britischen Finanzinstituten ein. Die Papiere der Deutschen Bank und der Commerzbank verloren kurz nach dem Handelsstart am Freitagmorgen jeweils rund 16 Prozent. Die Anteilscheine der Commerzbank fielen vorübergehend auf den tiefsten Stand seit drei Jahren. Die Aktien der Royal Bank of Scotland lagen an der Londoner Börse rund 28 Prozent im Minus, Papiere von Lloyds büßten 22 Prozent ein. Auch der Versicherer Aviva verlor rund 25 Prozent.
Dennoch sind die deutschen Banken zuversichtlich, dass sich die Aktienmärkte rasch erholen. „Die Lage an den Finanzmärkten dürfte sich nach dem ersten Schock rasch beruhigen“, sagte der Präsident des Bankenverbandes, Hans-Walter Peters, der dpa. Die Notenbanken hätten zudem alle erforderlichen Vorkehrungen getroffen, um nach dem „schwarzen Freitag“ eingreifen zu können.
Peters geht davon aus, dass die Finanzplätze Kontinentaleuropas wie Frankfurt mittelfristig nach dem Brexit an Bedeutung gewinnen: „Auch wenn Frankfurt zu Lasten der City Marktanteile gewinnen würde, so wäre mir ein politisch geeintes Europa mit dem Vereinigten Königreich weitaus lieber.“ Sparkassen-Präsident Georg Fahrenschon meinte: „Wir brauchen jetzt eine ehrliche Revitalisierung der gemeinsamen europäischen Idee.“
Banken brauchen für Dienstleistungen innerhalb der EU rechtlich selbstständige Tochterbanken mit Sitz in einem EU-Staat. Derzeit können sie grenzüberschreitend frei agieren. Durch den Brexit werden Handelsbarrieren befürchtet. „Das ist kein guter Tag für Europa“, sagt der Brite und Deutsche-Bank-Chef John Cryan. „Die Konsequenzen lassen sich noch nicht vollständig absehen. Sie werden aber für alle Seiten negativ sein.“
Cryan sieht die Deutsche Bank jedoch gut darauf vorbereitet, die Folgen des Austritts zu mildern.
„Lassen Sie mich als Brite und Europäer aber noch eines hinzufügen: Ich bin ein überzeugter Anhänger der europäischen Idee“, so Cryan weiter. „Diese hat uns mehr als 50 Jahre Frieden und Wohlstand gebracht. Deshalb schmerzt es mich, dass Europa für viele meiner Landsleute offenbar an Attraktivität verloren hat. Das ist ein klares Signal an die Europäische Union, wieder näher an die Menschen zu rücken und die Demokratie zu stärken.“
Glodman-Sachs-Chef Lloyd C. Blankfein respektiert die Entscheidung. „Wir haben uns bereits seit vielen Monaten auf beide möglichen Ausgänge des Referendums vorbereitet“, so Blankfein in einer Mitteilung. „Unser Hauptaugenmerk bleibt dabei unverändert, den Anforderungen und Bedürfnissen unserer Klienten gerecht zu werden.“