Weltgrößter Gelatinehersteller Wie ein Familienstreit Gelita erschüttert

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Ein neues Wachstumsfeld für Gelita

Auch Gelita-Vorstandschef Franz Josef Konert weist gegenüber der WirtschaftsWoche Peter Koepffs Vorwürfe als „aus der Luft gegriffen“ zurück. Nach Amtsantritt im Januar 2010 habe er sich mit dem Top-Management im folgenden Mai auf das Konzept „Gelita 2015“ verständigt. Damals identifizierte das Unternehmen, das Gelatine und weitere Eiweißprodukte für Nahrungsmittel und Tierfutter lieferte, ein weiteres Wachstumsfeld: Gelatine für pharmazeutische Anwendungen. Als Lieferant für mehrere Verkapsler, so Konerts Erklärung, sollte Gelita nicht länger selbst an einem beteiligt sein und so mit Abnehmern seiner Rohstoffe konkurrieren.

Dritter Streitpunkt: Mit rund 60 Millionen Euro für Scherer habe Gelita viel zu wenig erlöst, klagt die Familie um Peter Koepff. Es sollte wohl, so deren These, fast um jeden Preis verkauft werden, um den gegnerischen Familienstamm mit Cash für den Mehrheitserwerb zu versorgen. „Man kann so ein Unternehmen doch nicht wie einen Selbstbedienungsladen führen und uns ständig verschaukeln“, zürnt Peter Koepff. Bei einem höheren Preis hätten alle Aktionäre mehr bekommen.

Tatsächlich hatte der damalige Gelita-Chef Klaus Hanke im Mai 2007 auf der Hauptversammlung (HV) den Wert der Scherer-Anteile auf „mehr als 100 Millionen Euro“ taxiert. Diese Differenz erklärt Vorstandschef Konert heute so: „Seit 2006/07 waren die Ergebnisbeiträge von Scherer rückläufig. In den letzten zwei Jahren vor dem Verkauf hatten sie daher kaum noch Bedeutung für das operative Ergebnis von Gelita. Und aufgrund der in 2010 neu erarbeiteten Strategie spielte Scherer für Gelita auch keine strategische Rolle mehr.“

Familie Koepff zieht vor Gericht

Unstrittig ist immerhin, dass sich mit dem Scherer-Verkauf ein Geldregen über die Aktionäre ergoss. Die Dividende für 2011 wurde im Vorgriff auf den vom Vorstand als sicher eingeschätzten Deal im Februar 2012 auf 65 Euro heraufgesetzt – macht gegenüber den acht Euro des Vorjahres ein hübsches Plus von 713 Prozent.

Streit in Familienunternehmen
Clemens Tönnies (links), Robert Tönnies Quelle: Nils Hendrik Müller für WirtschaftsWoche
Fischer DübelZwischen Jörg Fischer (36) und seinem Vater Klaus Fischer (61) krachte es so sehr, dass der Sohnemann im April 2012 hinschmiss und das Unternehmen verließ. Man habe festgestellt, dass die Vorstellung im Hinblick auf Ausrichtung und Führung des Unternehmens "gravierend unterschiedlich" seien, teilte Klaus Fischer mit. Jörg Fischer hatte die Leitung der Geschäfte erst Anfang 2011 übernommen. Jetzt führt Vater Klaus wieder das Unternehmen. Es ist nicht der erste Schlagabtausch im Hause Fischer. 2007 prozessierte Firmenpatriarch Artur Fischer erfolgreich gegen Tochter Margot Fischer-Weber. Ihr wurde gerichtlich untersagt, Vater und Bruder auf ihrer Website als „Haie, Wölfe, Schweine“ oder „Idioten" zu bezeichnen. Dem Urteil ging ein jahrelanger Rechtsstreit um das Erbe der Dübel-Dynastie voraus. Quelle: Presse
Eine Frau zeigt Minischnapsflaschen des Spirituosen-Herstellers Berentzen Quelle: dpa/dpaweb
Jette Joop und Vater Wolfgang Joop Quelle: dpa
Porsche und PiechZwei Cousins wie sie unterschiedlicher kaum sein könnten. Gemeinsam ist ihnen der Großvater Ferdinand Porsche, Erfinder des VW-Käfers. Ferdinand Piech (links) lenkt als Aufsichtsratsvorsitzender von Volkswagen die Geschicke des Piech-Zweigs der Familie. Er gilt als stiller, aber harter Manager - ein nüchterner Zahlenmensch. Daneben Wolfgang Porsche, Aufsichtsratsvorsitzender von Porsche. Er gilt als Familienmensch, schöngeistig, weich. Der Kampf der Familien gipfelt 2009 als Porsche versucht, VW zu übernehmen. Quelle: dpa
ElectronicPartner EPZwei Jahre lang stritten die Gesellschafter des Elektronikfachhändlers aus Düsseldorf. Grund: Unternehmensnestor Harmut Haubrich hatte die Firmenleitung an seinen Neffen Oliver Haubrich (rechts im Bild - neben ihm Unternehmens-Sprecher Jörg Ehmer) abgetreten. Der hatte sie jedoch nach kurzer Zeit einem familienfremden Manager übertragen. Hartmut Haubrich hielt mit der Kritik an seinem Neffen nicht hinterm Berg. "Erbfolge ist keine Tüchtigkeitsfolge", sagte er auf einer Tagung. Ende 2012 einigte sich die Familie. Oliver Haubrich und seine Schwester Marion Wenske schieden aus der Dachgesellschaft der EP-Unternehmensgruppe aus. Quelle: dpa
Hans und Paul Riegel Quelle: PR

Aber nun geht es vor den Gerichten rund. Im Mai startete Peter Koepffs Tochter Imke eine Offensive beim Amtsgericht Mannheim. Sie erstritt sich das Recht, eine außerordentliche HV einberufen zu dürfen. Ziel: Schadensersatzansprüche der Gelita gegen Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder sowie Aktionäre der beiden anderen Familienstämme im Zusammenhang mit dem Scherer-Deal festzustellen.

Zuvor hatte sich auf der ordentlichen HV Anfang April Aufsichtsratschef Jörg Siebert einen schweren handwerklichen Schnitzer erlaubt. Er lehnte Anträge von Imke Koepff ab, mit denen Ersatzansprüche im Zusammenhang mit dem Scherer-Deal festgestellt und ein Besonderer Vertreter bestellt werden sollte. Dieses vierte Organ einer Aktiengesellschaft – neben Vorstand, Aufsichtsrat und Hauptversammlung – sollte diese Ansprüche durchsetzen. Doch Siebert, früher selbst Gelita-Chef, ließ die Abstimmung über diese Punkte nicht zu. Er erklärte die Anträge für „rechtswidrig“.

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