Werner knallhart

Nikotinjunkies bleiben nur noch zwei Orte

Der Camel-Hersteller Reynolds verbietet seinen Mitarbeitern, bei der Arbeit zu rauchen - und das ist auch gut so. Demnächst bleiben Nikotinjunkies nur noch genau zwei Orte, um ihre Sucht auszuleben.

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Eine Zigarette in einem Aschenbecher Quelle: dpa

Ein kleines Ratespiel. Wie sind folgende zwei Geschichten wohl ausgegangen?

Nummer 1: Ich sitze in der Mittagspause allein in einem Restaurant auf dem Marktplatz und warte auf meine Ravioli. Da kommen eine Frau und ein Mann vorbei und fragen höflich, ob sie sich dazugesellen dürfen.

Ich hätte gerne nein gesagt, denn ich wollte eigentlich meine Ruhe haben. Aber mein Herz ist weich. Weil ich für später selber noch Begleitung erwarte, antworte ich: "Zu zweit passen Sie hier noch dran, ja."

Keine Minute später setzt sich noch ein zweites Pärchen dazu, das rein zufällig vorbei gekommen war und nur kurz bleiben will. "Auf eine Zigarette".

Als sich alle vier gerade ihre Freundschaft beweisen, indem sie sich gegenseitig ihre Kippen anzünden, kommt meine Pasta. Ich warte auf die Reaktion meiner genusssüchtigen Tischgenossen. Nichts, außer Gequake über dies und das.

Ich spüre mein Herz im Hals schlagen, atmet tief durch und sage: "Schauen Sie, ich habe Ihnen gestattet, sich an meinen Tisch dazuzusetzen. Nun esse ich hier und werde ungefragt von vier Leuten eingequalmt. So haben wir nicht gewettet." Wie war wohl die Reaktion?

Recht einfach: Rechtsprechung zum Thema Rauchen

Geschichte Nummer 2: Ich sitze an einer oberirdischen U-Bahn-Station. Neben mir steht ein Mann Ende Vierzig und raucht. Dem gullideckelgroßen Schild mit der durchgestrichenen Zigarette dreht er den Rücken zu. Offenbar will er seinem Kumpel die Rauchfahne ersparen.

Zumindest hält er seine Zigarette am langen Arm stattdessen mir in die Visage. Ich zwinge mir ein Lächeln auf diese und sage: "Ich sehe es nicht als meine Aufgabe an, Sie auf Verbote hinzuweisen. Vielleicht kann ich Sie ja davon überzeugen, aus reiner Nächstenliebe irgendwo anders zu rauchen und nicht direkt in meine Atemwege hinein?" Wie war wohl die Reaktion?

Ich verrate es Ihnen gleich. Vorher möchte ich Sie auf eine Beobachtung aufmerksam machen. Ich glaube, das Renommee der Raucher hat in den vergangenen Jahren derartig gelitten, dass auf Nikotinsucht bald gar keine Rücksicht mehr genommen wird. Wir kommen zur Vernunft. Gemeinsam.

Was die Deutschen über Raucher denken

In den Siebzigern hat man Zigaretten zu Wein und Bier auf den Tisch gestellt. So richtig dekorativ in einem Glas. Wie die Schokolade auf der Merci-Packung.

In den Neunzigerjahren hat man noch um Verständnis bitten müssen, wenn man Gäste zum Rauchen auf den Balkon geschickt hat. Heute gelten Raucher vielen Nichtrauchern als bedauernswert willensschwache Loser. Nur untereinander sprechen sich Raucher noch Respekt aus: "Mensch, Kultur, Kneipe" und so.

Mehr Frauen sterben an Folgen des Rauchens
Frau raucht eine Zigarette Quelle: dpa
Das Volksleiden: Rückenschmerzen gehören in Deutschland zu den häufigsten Gesundheitsbeschwerden. Forscher der Northwestern University (USA) fanden nun heraus, dass Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern ein um das Dreifache erhöhtes Risiko haben, an chronischen Rückenschmerzen zu erkranken. Studienautor Bogdan Petre erklärt: "Wir haben festgestellt, dass Rauchen die Art und Weise beeinflusst, in der das Gehirn auf Schmerzen im Rücken reagiert." Auf Hirnscans der rauchenden Patienten stellten die Forscher eine Veränderung der Areale fest, die für Sucht- und Lernverhalten zuständig sind. Die Kommunikation dieser Hirnregionen sei für die Entwicklung eines chronischen Schmerzes kritisch, stellten die Wissenschaftler fest. Chronischer Schmerz und Suchtverhalten hingen eng zusammen. Antientzündliche Medikamente konnten zwar die Schmerzen erleichtern, waren aber nicht in der Lage, die Aktivität der verantwortlichen Hirnregionen zu ändern. Nur wer während der Studie freiwillig mit dem Rauchen aufhörte, konnte sein Risiko absenken. Quelle: dpa
Passivrauchen: Raucher gefährden auch ihre Mitmenschen, denn der blaue Dunst schadet jedem, der ihn einatmet. Jährlich sterben weltweit mehr als 600.000 Menschen an den Folgen des Passivrauchens. Besonders betroffen sind Kinder. Selbst, nachdem sich der Rauch verzogen hat, sind die Schadstoffe noch stundenlang in der Luft, fanden Forscher des Berkeley Lab heraus. Sie lagern sich in Teppichen, Polstern oder Tapeten ab. Auch 18 Stunden, nachdem die letzte Zigarette geraucht wurde, fanden die Forscher noch immer eine ganze Reihe gesundheitsgefährdender Stoffe. Es reicht also nicht, nur in der Gegenwart anderer Menschen nicht zu rauchen. Auch die Luft in Räumen ist noch lange belastet. Quelle: dpa
Rauchen ist das Gesundheitsrisiko Nummer eins: Jeder sechste der jährlich rund 850.000 Toten in Deutschland ist laut Statistik an den Folgen des Rauchens gestorben. Raucher verkürzen ihre durchschnittliche Lebenserwartung um fünf, ambitionierte Tabakkonsumenten sogar um neun Jahre. EU-weit sterben pro Jahr fast 700.000 Raucher an den Folgen ihres Konsums. Quelle: dpa
Rauchen begünstigt viele Krebsarten: Jeder, der raucht, hat ein zweimal höheres Risiko an Krebs zu erkranken als Nichtraucher. Etwa 90 bis 95 Prozent der erwachsenen Lungenkrebspatienten sind oder waren Raucher.  Das Risiko, an Mundhöhlen-Krebs zu erkranken, steigt durch regelmäßigen Tabakkonsum um den Faktor 27, bei Kehlkopfkrebs um den Faktor 12. Durchschnittlich rauchte jeder Deutsche im Jahr 2013 996 Zigaretten. Im Jahr 2000 lag der Pro-Kopf-Konsum noch bei 1699 Zigaretten pro Jahr. Quelle: dpa
Herz-Kreislauf-Erkrankungen: Schlaganfälle und Herzinfarkte verursachen die meisten Toten in Deutschland. Raucher trifft es besonders oft, Herzinfarkte vor dem 40. Lebensjahr betreffen fast ausschließlich Raucher. Ihr Risiko ist drei- bis viermal so hoch wie das von Nichtrauchern. Denn der Tabakkonsum verengt die Blutgefäße, lässt den Blutdruck steigen und schränkt die Leistungsfähigkeit des Herzens ein. Quelle: dpa
Frauen erhöhen durch Nikotin-Konsum ihr Risiko für Brustkrebs, Gebärmutterhalskrebs, Osteoporose oder Unfruchtbarkeit. Vor der Menopause versechsfacht sich das Risiko für Raucherinnen, an einem Herzinfarkt zu sterben. Weniger als jede fünfte deutsche Frau ab 15 Jahren konsumiert regelmäßig Zigaretten und Co. Quelle: dpa

Es steht schlecht um die Zigarette. Das Image ist ruiniert. Statistiken belegen: In Deutschland rauchen vor allem Menschen der reiferen Generation und die mit geringer Bildung. Und Rauchern sieht man ihre Drogensucht an. Was soll man da als Marketing-Mensch noch draus machen?

"Raucher sind alt, hässlich und dämlich". Nein, der Claim zieht einfach nicht. Junge Leute finden Rauchen mitunter einfach peinlich.

Gute Argumente gab es ja nie: Es ist ungesund, anfangs für alle eklig, teuer und macht süchtig, Mundgeruch und impotent. Der einzige Grund, doch anzufangen, war der Wunsch, eine coole Sau zu sein. Vorbei!

Heute wissen die Halbstarken: Brusthaar lässt sich von Nikotin und Teer nicht herbeilocken. Und auch viele junge Frauen haben begriffen: Billiger und gesünder schlank bleibt man mit weniger Kalorien.

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