Wintershall und Dea Der milliardenschwere Öl-Deal von BASF

Der Chemiekonzern BASF fusioniert sein Energiegeschäft mit Dea. Durch den Deal entsteht ein neuer deutscher Ölprimus, der bald an die Börse soll. BASF steht nach mehr als 100 Jahren vor dem Ausstieg aus der Ölförderung.

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Düsseldorf, Frankfurt BASF formt einen neuen deutschen Ölriesen. Konkret hat der Chemiekonzern eine Absichtserklärung zum Zusammenschluss seiner Kasseler Energietochter Wintershall mit der Dea-Gruppe unterzeichnet. Das gab der Dax-Konzern am Donnerstagabend bekannt und bestätigte damit einen entsprechenden Handelsblatt-Bericht.

Das Ziel der Fusion sei die „Schaffung eines der größten unabhängigen europäischen Explorations- und Produktionsunternehmen“. Tatsächlich wird der neue Konzern mehr als 4,3 Milliarden Euro pro Jahr umsetzen und täglich bis zu 600.000 Barrel (159 Liter) Öl- und Gas fördern. Analysten schätzen den Marktwert des Gemeinschaftsunternehmens, das unter dem Namen Wintershall Dea firmiert, auf etwa 14 Milliarden Euro.

BASF strebt an, zunächst 67 Prozent der Anteile an Wintershall Dea zu halten. Der Dea-Eigentümer, die Investmentgesellschaft Letter One des russischen Milliardärs Mikhail Fridman, soll die restlichen 33 Prozent der Anteile an dem Unternehmen halten. Mit dem Abschluss des Zusammenschlusses wird in der zweiten Jahreshälfte 2018 gerechnet. Allerdings weisen sowohl BASF als auch Letter One darauf hin, dass die Fusion auch noch scheitern könnte.

Die operative Führung des Konzerns soll nach Informationen des Handelsblatts bei Wintershall-Chef Mario Mehren liegen. Seine Vizechefin dürfte Maria Moraeus Hanssen werden, die Vorstandsvorsitzende von Dea. „Wir setzen mit der möglichen Verbindung mit Dea auf weiteres profitables Wachstum und Synergien. Mit mehr eigenoperierten Projekten, stabilen, langfristigen Partnerschaften und einem weiter optimierten Portfolio würde Wintershall Dea noch stärker im internationalen Markt punkten“, erklärte Wintershall-Chef Mario Mehren.

Die beiden Unternehmen kennen sich gut. Wintershall und Dea fördern seit Jahrzehnten gemeinsam auf der Plattform Mittelplate im Wattenmeer Öl. Schon als der Energieversorger RWE seine damalige Tochter Dea im Jahr 2015 verkaufte, zeigte Wintershall Interesse. Damals bekam aber noch Letter One für rund 5,1 Milliarden Euro den Zuschlag. Nun werden die beiden Konzerne zusammengeführt – ihr Portfolio ergänzt sich dabei gut.

Wintershall konzentriert sich auf die Exploration und Produktion in öl- und gasreichen Regionen in Europa, Nordafrika, Russland und Südamerika sowie im Nahen Osten. Dea ist in Deutschland, Nordafrika und im Norden Europas aktiv. Insbesondere in Norwegen können die Partner Synergien heben. Wintershall Dea gehört zusammengerechnet zu den die vier größten Öl- und Gasförderern in Norwegen.

„Mit technischem Know-how, deutschen Qualitätsstandards und intelligenten Projektlösungen würden wir gemeinsam Öl und Gas für die Zukunft fördern“, erklärte Wintershall-Chef Mehren. Gemeinsam beschäftigen Wintershall und Dea rund 3200 Mitarbeiter weltweit. Die Firmensitze sollen weiterhin Kassel und Hamburg sein.

Mittelfristig streben BASF und Letter One einen Börsengang von Wintershall Dea an. Investoren und Analysten interpretierten die Pläne bei BASF als Einstieg in den Ausstieg aus dem Ölgeschäft. „Die Zusammenlegung von Dea und Wintershall könnte für BASF eine Gelegenheit darstellen, aus dem Upstream-Öl- und Gasgeschäft, das wenige Überschneidungen mit den sonstigen Aktivitäten des Chemiekonzerns hat, auszusteigen“, sagte John Feddersen, Chef des britischen Analysehauses Aurora Energy Research.

Externe Experten spekulieren bereits seit Jahren darüber, dass sich der Ludwigshafener Chemieriese aus dem Öl- und Gasgeschäft zurückziehen könnte und sollte. Schließlich ist das Geschäft mit der Exploration fossiler Rohstoffe längst nicht mehr so verheißungsvoll wie noch vor einigen Jahren.

Die Ölpreise haben sich seit Sommer 2014 halbiert, zudem machen der gesamten Branche teils immer rigidere Umweltauflagen zu schaffen. Ein weiteres Risiko: Etwa 20 Prozent der Ölreserven von Wintershall liegen in Libyen. Das nordafrikanische Land versinkt seit Jahren im Bürgerkrieg. Die Förderung von Wintershall steht dort immer wieder völlig still.

Dennoch käme ein völliger Rückzug von BASF aus der Öl- und Gasförderung einer Zäsur gleich. Der Chemiekonzern blickt auf eine mehr als 100-jährige Tradition in der Produktion von fossilen Rohstoffen. Sie begann bereits 1907 mit der Übernahme der Kohlezeche Auguste Victoria und wurde Ende der 1960er-Jahre mit dem Erwerb von Wintershall fortgesetzt.

Ursprünglich ging es dabei vor allem um die Absicherung der Rohstoffversorgung. Aber in den letzten beiden Jahrzehnten erwies sich die Öl- und Gassparte lange Zeit auch als wichtiger Stabilisator für die Ertragskraft des Konzerns. Wintershall lieferte regelmäßig mehr als ein Fünftel des operativen Konzerngewinns, bevor ab 2015 die Erträge deutlich zurückgingen.

In den ersten neun Monaten 2017 erzielte die Öl- und Gassparte bei 2,4 Milliarden Euro Umsatz noch gut 600 Millionen Euro Betriebsgewinn und damit nur noch rund acht Prozent des operativen Konzerngewinns.

Ein Rückzug erscheint insofern leichter als noch vor Jahren. Allerdings dürfte auch die Bewertung der Sparte niedriger ausfallen als zu Zeiten des Ölpreis-Booms. Markus Mayer, Chemieexperte der Baaderbank, schätzt den aktuellen Wert der Sparte auf etwa 10,5 Milliarden Euro und den Wert eines Gemeinschaftsunternehmens Wintershall Dea auf mehr als 14 Milliarden Euro. Ein Zusammenschluss und Börsengang könne insgesamt die Bewertung der BASF-Öl- und Gas-Assets anheben.

Die Transaktion würde zudem in den Konsolidierungstrend der Ölindustrie passen, der bereits zu einer ganzen Reihe von Übernahmen führte. Cornelia Meyer, unabhängige Ölmarktexpertin in London, wertet den möglichen Deal daher auch als elegante Lösung, um das Geschäft attraktiv für andere Interessenten zu machen. „Jetzt ist eine gute Zeit für Fusionen und Asset-Deals, weil die Ölpreise wahrscheinlich steigen werden. Allein wäre Wintershall wohl zu klein.“

Meyer schätzt, dass zum Beispiel Konzerne wie die österreichische OMV mittelfristig an dem neuen Unternehmen interessiert sein könnten, nicht zuletzt weil Wintershall und Dea ein großes Erdgasportfolio besitzen. Bei Dea entfallen 44 Prozent der Gesamtproduktion auf Gas, bei Wintershall sogar rund 70 Prozent.

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