Wolfgang Reitzle Dax-Konzern-Chef liebäugelt mit Euro-Austritt Deutschlands

Für die Euro-Zone steht viel auf dem Spiel. Nach den S&P-Herabstufungen geraten Euro-Retterländer wie Deutschland zunehmend unter Druck. In dieser Situation bringt ein Dax-Konzernchef einen radikalen Vorschlag ins Spiel.

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Wolfgang Reitzle, Vorstandsvorsitzender der Linde AG. Quelle: dapd

Berlin/Düsseldorf Als erster Chef eines Dax-Konzerns hat sich Linde-Chef Wolfgang Reitzle offen einen möglichen Austritt Deutschlands aus dem Euro-Raum gezeigt. Er glaube zwar, dass die Rettung des Euro gelingen könne, aber er sei "nicht der Meinung, dass der Euro um jeden Preis gerettet werden muss", sagt Reitzle dem Magazin „Spiegel“. Der Linde-Chef fürchtet, dass der Reformwille in den Krisenländern nachlasse, wenn die EZB eingreife. Und "wenn es nicht gelingt, die Krisenländer zu disziplinieren, muss Deutschland austreten".

Dies würde zu einer Aufwertung "der D-Mark, des Euro-Nord, oder welche Währung wir dann auch hätten, führen." Zwar würde in den ersten Jahren die Arbeitslosigkeit steigen, weil der Export einbreche, aber dann würde der Druck zunehmen, noch wettbewerbsfähiger zu werden. Die deutsche Wirtschaft könnte diesen Schock nach einigen Jahren überwunden haben. "Schon fünf Jahre später könnte Deutschland im Vergleich zu den asiatischen Wettbewerbern noch stärker dastehen", glaubt Reitzle.

Dieses Szenario sei für ihn "nicht wünschenswert", sagt der Chef des Technologiekonzerns, "aber es darf auch nicht zum Tabu erklärt werden".

Reitzle äußerte sich vor dem Hintergrund eines Rating-Rundumschlags von Standard & Poor's. Der Ratingriese hatte am Freitag Frankreich und Österreich die Bestnote bei der Kreditwürdigkeit entzogen und zudem die Bonität von sieben weiteren Eurostaaten herabgestuft. Eurogruppenchef Jean-Claude Juncker, die Europäische Kommission und nationale EU-Politiker kündigten daraufhin an, die EFSF-Topbewertung unbedingt verteidigen zu wollen.

Reitzles radikaler Vorschlag eines Euro-Austritts Deutschlands ist nicht neu. Im Sommer vergangenen Jahres hatte der Berliner Finanzwissenschaftler Markus C. Kerber einen solchen Ausstieg bereits ins Spiel gebracht. In einem Gastbeitrag für Handelsblatt Online begründete dies Kerber mit der „Erpressungspolitik“ Griechenlands. Daher bleibe als Antwort „lediglich der Austritt der Länder mit strukturellem Handelsbilanzüberschuss, also neben Deutschland, den Niederlanden, Österreich, Finnland auch Luxemburg“, so Kerber.


Merkel glaubt an Erholung Griechenlands

Was Griechenland betrifft hat auch Reitzle klare Vorstellungen. Er sieht für den Mittelmeerstaat keine Chancen mehr, in der Währungsunion zu bleiben. Griechenland müsse "mittelfristig austreten". Die Kapitalmärkte hätten das Thema "längst abgehakt". Die Schulden Athens werden nach Überzeugung des Linde-Chefs "nicht zu 50 oder 70, sondern zu 100 Prozent abgeschrieben werden müssen".

Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht dagegen noch Chancen dafür, dass Griechenland nach einer erfolgreichen Umschuldung wirtschaftlich wieder auf die Beine kommt. Zwar führten die Ausgabenkürzungen derzeit dazu, dass die griechische Wirtschaft nicht mehr wachse. Es gebe aus der Vergangenheit jedoch viele Beispiele, die gezeigt hätten, dass mit gleichzeitigen strukturellen Reformen auch wieder Wachstum erzeugt werden könne, sagte die CDU-Chefin im Deutschlandfunk.

„Nach einer bestimmten Rezessionsphase“ habe es in den Fällen dann auch wieder „sehr starke Wachstumsphasen“ gegeben, sagte Merkel. Solche Strukturreformen wirkten allerdings nie sofort und müssten „natürlich auch mit Vehemenz umgesetzt werden“. Die Kanzlerin fügte hinzu, es seien bereits Fortschritte in Griechenland gemacht worden. Ein Problem bestehe allerdings darin, dass beispielsweise aus Steuererhöhungen nicht notwendig auch mehr Einnahmen resultierten, weil die Erhebung von Steuern in Griechenland „ein ziemlich praktisches Problem“ sei.

Merkel räumte ein, dass die Schuldenprobleme Griechenlands auch langfristig gravierend seien. Griechenland habe kein kurzfristiges Liquiditätsproblem, sondern so viele Schulden, dass es mit der eigenen Wirtschaftskraft nicht aus der Verschuldung herauskommen könne. Deshalb werde derzeit über einen Schuldenerlass von 50 Prozent verhandelt. Das Ziel sei, die Schuldenlast im Jahr 2020 auf 120 Prozent des griechischen Bruttoinlandsproduktes zu drücken. Das wäre dann etwa so hoch wie derzeit in Italien.

„Schon an dieser Zeitdauer sieht man, wie gravierend dieses Problem ist.“ Selbst wenn dem Land 50 Prozent der privaten Schulden erlassen würden, werde es noch eine ganze Zeit dauern, bis das Land an den Markt zurückkehren könne. Merkel betonte: „Richtig ist, dass das griechische Problem noch nicht abschließend gelöst ist.

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