Wolfsburg oder Braunschweig? Die Fußballnöte des VW-Konzerns

Ein Riss würde durch den VW-Konzern gehen, sollte der VfL Wolfsburg in der kommenden Woche in der Relegation auf Eintracht Braunschweig treffen. Abstiegssorgen machen das Fußballsponsoring von Volkswagen kompliziert.

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Die beiden vom Volkswagen-Konzern gesponserten Teams aus Niedersachsen könnten in der Bundesliga-Relegation aufeinandertreffen. Quelle: dpa

Düsseldorf Es sind nur 35 Kilometer zwischen Wolfsburg und Braunschweig. Beide Städte fühlen sich als Teil einer gemeinsamen Region im östlichen Niedersachsen, stark von der Automobilindustrie und früher von der Nähe zur innerdeutschen Grenze geprägt. Die wichtigste gemeinsame Klammer ist der Volkswagen-Konzern. Denn nicht nur in Wolfsburg ist VW das prägende Unternehmen. Braunschweig hat ebenfalls eine große Fabrik, in der der VW-Konzern vor allem Zulieferteile produziert. Außerdem haben die Volkswagen Financial Services in Braunschweig ihren Sitz, die inzwischen unverzichtbar gewordene Finanzierungs- und Leasingtochter des Konzerns. Tausende Volkswagen-Beschäftigte pendeln jeden Morgen von der einen in die andere Stadt.

Doch beim Fußball hören die Gemeinsamkeiten schnell auf. Wenn der VfL Wolfsburg an diesem Wochenende sein letztes Bundesliga-Spiel verliert, dann droht dem VW-Werksklub gleich in der kommenden Woche die Relegation. Und wenn es noch schlimmer kommt, dann steigt der frühere deutsche Meister und Pokalsieger nach 20 Jahren Zugehörigkeit zur Bundesliga in die zweite Liga ab.

Fußball kann manchmal zu komplizierten Konstellationen führen: Gegner in der Relegation wäre mit großer Sicherheit die Eintracht aus Braunschweig, die wahrscheinlich den dritten Platz in der zweiten Liga belegen wird und damit Ende Mai die beiden Aufstiegsspiele bestreiten darf.

Die kurze Distanz zwischen beiden Städten und die enge Verbundenheit in der Region wird es vielen Fußballfans schwermachen, sich für die eine oder andere Mannschaft festzulegen. In der ewigen Bilanz der Derbys stehen bislang 25 Spiele: achtmal gewann der VfL, elfmal die Eintracht, sechsmal gingen die Partien unentschieden aus.

Sollte es in der nächsten Woche zur Relegation zwischen dem VfL und der Eintracht kommen, dann dürfte der Riss nicht nur durch die Region, sondern gerade auch durch den Volkswagen-Konzern gehen. Denn VW unterstützt nicht nur den Wolfsburger VfL, das Unternehmen ist auch bei der Braunschweiger Eintracht nicht wegzudenken. Als Hauptsponsor tritt dort die spanische VW-Tochter Seat an, außerdem gehören die Volkswagen Financial Services zu den Geldgebern. Wegen ihres Hauptsitzes in Braunschweig ist das für die Leasingtochter fast schon eine Selbstverständlichkeit.

Es reicht schon ein Blick auf die beiden Aufsichtsräte, um die enge Verbundenheit des Konzerns zu beiden Vereinen nachzuvollziehen. Im Kontrollgremium der Wolfsburger sind VW-Einkaufsvorstand Garcia Sanz, der Konzernaufsichtsratsvorsitzende Hans Dieter Pötsch, der mächtige Betriebsrat Bernd Osterloh und VW-Kommunikationschef Hans-Gerd Bode vertreten.

Bei der fußballerisch in den vergangenen Jahren weniger erfolgreichen Braunschweiger Eintracht sitzt Frank Fiedler im Aufsichtsrat, der Finanzvorstand der Financial Services. Wieder ist ein Betriebsrat dabei, Uwe Fritsch aus dem VW-Werk in Braunschweig. Ebenfalls fast eine Selbstverständlichkeit: In beiden Aufsichtsräten gehört auch der jeweilige Oberbürgermeister zu den obersten Vereinskontrolleuren.

Der Riss in Sachen Fußball geht bei Volkswagen bis ganz nach oben. Bernd Osterloh ist gebürtiger Braunschweiger, ob er im Innersten dann doch eher zu seinem Heimatverein hält, obwohl er im VfL-Aufsichtsrat sitzt?


Katastrophenjahr in Wolfsburg

Frank Witter, im Konzernvorstand für Finanzen zuständig, dürfte bei einer Relegation ebenfalls Loyalitätsprobleme bekommen. Witter saß viele Jahre im Aufsichtsrat von Eintracht Braunschweig und wohnt selber in der Stadt. Als oberster Aufseher über die Finanzen müsste er allerdings eher daran interessiert sein, dass die vom Konzern beim VfL Wolfsburg angelegten Millionen gut investiert sind. „Ein Lokalderby würde mich in die Bredouille bringen“, gesteht er ein. Am Ende würde er aber wahrscheinlich doch immer zum Kleineren und vermeintlich Schwächeren halten – und das wäre der Zweitligist aus Braunschweig.

Die sportliche Ausgangslage wäre bei einem Aufeinandertreffen beider Teams ziemlich klar: Die Eintracht würde gern wieder in der obersten deutschen Spielklasse mitmischen. Der einzige Meistertitel von 1967 ist lange vergessen, das einjährige Zwischenspiel in der Bundesliga während der Saison 2013/14 ebenfalls.

Hinter dem VfL aus Wolfsburg liegt ein Katastrophenjahr. Eigentlich ist der Verein mit der Vorgabe angetreten, ganz oben mitmischen zu wollen, vielleicht sogar in der Champions League. Doch das Gegenteil ist passiert: Die Wolfsburger spielen gegen den Abstieg und versuchen es in dieser Saison inzwischen mit dem dritten Trainer.

Das schlechte Anschneiden des VfL dürfte besonders im Konzern für eine neue Nachdenklichkeit gesorgt haben. Volkswagen hat zwar nie ganz genau gesagt, wie viele Millionen das Unternehmen für den Werksklub ausgibt. 100 Millionen Euro dürften es in den besten Jahren gewesen sein. Doch die Dieselaffäre zwingt das Unternehmen auch in der Sportförderung zu mehr Sparsamkeit, angeblich stellt Volkswagen jetzt nur noch rund 70 Millionen Euro jährlich zur Verfügung. Im Vergleich zu anderen Bundesliga-Mannschaften liegt der VfL damit immer noch recht weit oben. Dass die Wolfsburger auch mit diesem Etat gegen den Abstieg kämpfen, ist für den Verein eine herbe Enttäuschung.

Ein Abstieg aus der Bundesliga, dann möglicherweise auch noch in der Relegation gegen die Braunschweiger Eintracht, wäre eine echte Katastrophe. Schon wird in den sozialen Medien darüber gewitzelt, dass es eine Konzernorder geben könnte – und dass die Eintracht in der Relegation verlieren muss.

Für den gesamten Volkswagen-Konzern ist die Saison 2016/17 sowieso schon miserabel verlaufen. Nicht nur, dass der VfL Wolfsburg seine Saisonziele komplett verpasst hat. Der FC Ingolstadt steht bereits als Absteiger aus der Fußball-Bundesliga fest. Und bei den Bayern gehört – wenig überraschend – die Volkswagen-Premiumtochter Audi zu den Hauptsponsoren. Einen weiteren Absteiger aus dem VW-Konzern, das sollte es deshalb nun partout nicht geben.

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