Quälend langsam kriecht die Blechkarawane voran in Richtung Innenstadt. Stoßstange an Stoßstange hängen die Autos im Berufsverkehr fest, die entnervten Fahrer kommen zu spät zur Arbeit. Jeden Morgen dasselbe Bild. Nicht nur in Mega-Cities wie Peking, London oder Paris droht der Verkehrs-Infarkt, auch rund um Köln, Frankfurt oder München staut es sich Tag für Tag kilometerlang.
Wo Autos im Stau oder überfüllte Regionalbahnen zunehmend unattraktiv werden, sieht Guillaume Faury einen neuen Markt. „Hubschrauber werden immer wichtiger, um Städte miteinander zu verbinden und Menschen von einem Ort zum anderen zu bringen“, sagt der Präsident von Airbus Helicopters auf der Luftfahrtmesse Le Bourget. „Wir wollen diese Nachfrage unterstützen.“
Die Problemzonen der Airbus Group
Im Kerngeschäft Ziviljets lebt Airbus fast nur von den A320-Mittelstreckenfliegern. Auf der Langstrecke bringt nur das älteste Modell A330 Geld. Der neue A350 wird netto erst nach 2020 Gewinn abwerfen, der Superjumbo A380 wohl nie.
Kampfjets und Raketen bringen viel Profit. Doch ab 2018 fehlen neue Aufträge. Für die Drohne Talarion fand Airbus keine Kunden, und das Geschäft mit Grenzsicherung wirft weniger ab als erwartet.
Die Airbus Group wurde 2000 als EADS gegründet. Dabei wurden völlig unterschiedliche Unternehmen zusammengeworfen, die schon in ihren vier europäischen Heimatländern kaum kooperierten. Trotz mehrerer Umstrukturierungen werkeln Firmenteile weiter vor sich hin, gibt es Doppelarbeiten und kaum Synergien.
Seit der Airbus-Gründung kämpfen Frankreich und Deutschland darum, mehr High-Tech-Jobs als der andere zu bekommen. Dazu vergeben sie Aufträge und Anlauffinanzierungen. Paris versuchte auch schon, die Mehrheit am Konzern zu erlangen.
Eine Fusion mit dem britischen Rüstungskonzern BAE schien ideal: Sie rettete Airbus das Waffengeschäft und half bei der Globalisierung. Doch Enders hatte unterschätzt, wie viel politisches Porzellan er mit seiner schroffen Art in Berlin zerschlagen hatte. Berlin legte sein Veto ein.
2008 wollte Enders Airbus-Werke an Zulieferer verkaufen. Der Deal platzte, weil er den Käufern auch einen Teil des Wechselkursrisikos aufbrummen wollte.
Aus diesem Grund plant Faury einen Großraum-Helikopter für bis zu 20 Passagiere: das Modell X6. In den kommenden zwei Jahren will die Airbus-Hubschraubersparte zusammen mit potenziellen Kunden festlegen, wie der Zehn-Tonnen-Heli aussehen und vermarktet werden könnte.
Zivilgeschäft wird wichtiger
Die Versprechungen zumindest sind groß: „Die X6 wird für das Segment der schweren Hubschrauber künftig die gleiche Bedeutung haben wie die H160 heute bei mittelschweren Maschinen“, sagt Faury. „Sie wird in der Branche neue Maßstäbe setzen, nicht nur beim Design, sondern auch bei der Produktionsstrategie. Wir werden uns auf die Fertigungskapazitäten unserer Kernländer stützen, zu denen künftig als wichtige Säule auch Polen gehört.“
Das spannende: Erstmals liegt der Fokus auf Zivilgeschäft. Bislang kommen neue Modelle erst in der Militärversion auf den Markt, der Zivilableger folgt später. Mit der X6 wird sich das laut Faury ändern: In den 2020er Jahren soll der Großraum-Heli für Personentransporte verkauft werden. Und erst dann ist die Armee dran.
Ein schneller Helikopter, auf dem neuesten Stand der Technik und mit genug Platz für viele Passagiere: Das nährt die Hoffnungen all jener, die vom Stau die Nase genauso voll haben, wie von Linienflügen innerhalb Europas. Helikopter, so der Traum, könnten beispielsweise eine Alternative für innerdeutsche Linienflüge werden. Denn Helikopter haben den Passagiermaschinen einiges voraus: Sie ermöglichen die direkte Anbindung zwischen zwei Orten. Zumindest theoretisch wäre es kein Problem aus der Bonner Innenstadt nach Berlin zu fliegen – ohne lästigen Umweg über den Flughafen.
Damit schlagen die Helis im Punkte Flexibilität sogar die Privat- und Businessjets. Zudem sind sie bereits heute deutlich preiswerter als diese. Liegt eine Stunde im Privatjet derzeit im europäischen Durchschnitt bei etwa 4.000 Euro, gibt es den Helikopterflug gleicher Dauer je nach Modell schon für unter 1.000. Werden Helikopter irgendwann einmal linienflugmäßig ausgelastet und betrieben, dürften die Preise weiter fallen.
Doch das ist Zukunftsmusik. „In den nächsten fünfzehn, zwanzig Jahren wird es keine planmäßigen Hubschrauberverbindungen geben“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. „Die Hubschrauber sind zu langsam, zu durstig und immer noch sehr teuer zu betreiben.“
Die Probleme der Helikopter
Deshalb sind selbst regelmäßige Shuttleflüge über kurze Distanz wie zwischen dem New Yorker Flughafen JFK und Manhattan die Ausnahme. Denn das Vergnügen ist teuer: Zwischen Manhattan und den drei Flughäfen der Stadt pendelt stündlich ein Helikopter-Shuttle. So schaffen es die Banker und Manager in gerade einmal zwölf Minuten von der Wall Street zum JFK-Flughafen – statt der bestenfalls 45 Minuten mit dem Taxi. Dafür kostet der Hüpfer mit dem Hubschrauber satte 1.750 Dollar (mindestens zwei Personen, 875 Dollar pro Kopf), statt der 55 Dollar für das Yellow Cab. Jede Flugminute kostet so rund 146 Dollar. Der Heli-Pendler braucht also eine besonders dicke Brieftasche.
Umsatzzahlen der Airbus-Geschäftsfelder
2014: 68 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 64 Prozent
2011: 59 Prozent
2014: 10 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 15 Prozent
2011: 20 Prozent
2014: 11 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 11 Prozent
2011: 10 Prozent
2014: 118 Prozent des Gesamtumsatzes
2012: 10 Prozent
2011: 11 Prozent
Quelle: Unternehmensangaben
Zugleich ist es mit der gepriesenen Flexibilität nicht allzu weit her: Landen dürfen die Helikopter noch an bestimmten Orten, viele davon in Firmenbesitz. Und auch die Luftsicherung dürfte bei regelmäßigen Flügen über Innenstädten noch ein Wörtchen mitzureden haben.
Die Reise im Helikopter ist längst nicht immer luxuriös und angenehm. Die Maschinen wackeln und schütteln. Die Turbinen dröhnen in enormer Lautstärke. Zwar halten Luftfahrt-Experten es für möglich, dass Hubschrauber wegen leiseren Motoren und moderneren Instrumenten auf der Kurzstrecke dem Flugzeug vermehrt Konkurrenz machen können, von standardmäßigen Linienflügen mit dem Heli sind wir aber noch weit entfernt.
Womit Geschäftsreisende am häufigsten fliegen
Nutzen Geschäftsreisende keinen Linienflug, fliegen sie am häufigsten mit Business Jets. Fast drei Viertel der von WingX Advance erfassten europäischen Geschäftsreiseflüge fanden mit einem Düsenflugzeug statt.
Flüge im Dezember: 32.032
Marktanteil: 73,4 Prozent
Anteil Privatflüge: 42,9 Prozent
Anteil Charterflüge: 57,1 Prozent
Quelle: WingX Advance Business Aviation Insight December 2014
Kleinere Geschäftsreiseflugzeuge werden häufig durch ein Propellerturbinenluftstrahltriebwerk, kurz Propellerturbine, angetrieben.
Flüge im Dezember: 11.422
Marktanteil: 19,6 Prozent
Anteil Privatflüge: 57, 2 Prozent
Anteil Charterflüge: 42,8 Prozent
Auch Leichtflugzeuge mit einem Kolbenmotor dienen Geschäftsreisenden als Fortbewegungsmittel, sind aber vergleichsweise selten.
Flüge im Dezember: 7.371
Marktanteil: 7,0 Prozent
Anteil Privatflüge: 76,3 Prozent
Anteil Charterflüge: 23,7 Prozent
Um die Probleme weiß auch Airbus-Manager Faury: Die X6 solle vorrangig in der Öl- und Gasindustrie eingesetzt werden, so der Manager. Die haben schließlich das nötige Kleingeld und sind für spezielle Termine – nicht nur bei den Ölplattformen auf hoher See – auf die Vorteile der Helikopter angewiesen. Auch Luftfahrtexperte Großbongardt sie für die geeignete Klientel. „Flüge zu den Offshore-Plattformen in der Nordsee oder am Golf von Mexiko sind ideale Einsatzfelder für einen solchen Helikopter“, sagt Luftfahrtexperte Großbongardt. „Ebenso der VIP-Transport in den Megastädten.“
Das Werben Faurys um die Privatkunden kommt nicht von ungefähr. Der niedrige Ölpreis drückt auf Gewinne der Öl- und Gasindustrie. Die Zurückhaltung bei Investitionen bekommen die Hubschrauberbauer unmittelbar zu spüren – Airbus Helicopters macht rund 15 Prozent seines Umsatzes mit der Branche. Fallen die Aufträge der Energiekonzerne weg oder werden weniger, droht Faury ein Umsatzeinbruch – den er mit den Privatkunden abfangen will.
Das „Hubschraubergeschäft ist langfristig ein Wachstumsmarkt“, hatte Airbus-Chef Thomas Enders im WirtschaftsWoche-Interview ausgerufen. In weit die X6 dazu beitragen kann, wird sich frühestens in einer Dekade zeigen. So lange wird die Entwicklung mindestens dauern.