Zivil-Hubschrauber Airbus X6 Warum Helikopter keine Alternative für Linienflüge sind

Mit dem Helikopter planmäßig zwischen Städten hin und her wechseln: Ein neues Airbus-Modell weckt den Traum vom Hubschrauber als Linienflieger-Ersatz. Doch wie wahrscheinlich ist das wirklich?

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Airbus X6 Concept: So könnte der neue Großraum-Hubschrauber aussehen. Quelle: PR

Quälend langsam kriecht die Blechkarawane voran in Richtung Innenstadt. Stoßstange an Stoßstange hängen die Autos im Berufsverkehr fest, die entnervten Fahrer kommen zu spät zur Arbeit. Jeden Morgen dasselbe Bild. Nicht nur in Mega-Cities wie Peking, London oder Paris droht der Verkehrs-Infarkt, auch rund um Köln, Frankfurt oder München staut es sich Tag für Tag kilometerlang.

Wo Autos im Stau oder überfüllte Regionalbahnen zunehmend unattraktiv werden, sieht Guillaume Faury einen neuen Markt. „Hubschrauber werden immer wichtiger, um Städte miteinander zu verbinden und Menschen von einem Ort zum anderen zu bringen“, sagt der Präsident von Airbus Helicopters auf der Luftfahrtmesse Le Bourget. „Wir wollen diese Nachfrage unterstützen.“

Die Problemzonen der Airbus Group

Aus diesem Grund plant Faury einen Großraum-Helikopter für bis zu 20 Passagiere: das Modell X6. In den kommenden zwei Jahren will die Airbus-Hubschraubersparte zusammen mit potenziellen Kunden festlegen, wie der Zehn-Tonnen-Heli aussehen und vermarktet werden könnte.

Zivilgeschäft wird wichtiger

Die Versprechungen zumindest sind groß: „Die X6 wird für das Segment der schweren Hubschrauber künftig die gleiche Bedeutung haben wie die H160 heute bei mittelschweren Maschinen“, sagt Faury. „Sie wird in der Branche neue Maßstäbe setzen, nicht nur beim Design, sondern auch bei der Produktionsstrategie. Wir werden uns auf die Fertigungskapazitäten unserer Kernländer stützen, zu denen künftig als wichtige Säule auch Polen gehört.“

Das spannende: Erstmals liegt der Fokus auf Zivilgeschäft. Bislang kommen neue Modelle erst in der Militärversion auf den Markt, der Zivilableger folgt später. Mit der X6 wird sich das laut Faury ändern: In den 2020er Jahren soll der Großraum-Heli für Personentransporte verkauft werden. Und erst dann ist die Armee dran.

Ein schneller Helikopter, auf dem neuesten Stand der Technik und mit genug Platz für viele Passagiere: Das nährt die Hoffnungen all jener, die vom Stau die Nase genauso voll haben, wie von Linienflügen innerhalb Europas. Helikopter, so der Traum, könnten beispielsweise eine Alternative für innerdeutsche Linienflüge werden. Denn Helikopter haben den Passagiermaschinen einiges voraus: Sie ermöglichen die direkte Anbindung zwischen zwei Orten. Zumindest theoretisch wäre es kein Problem aus der Bonner Innenstadt nach Berlin zu fliegen – ohne lästigen Umweg über den Flughafen.

Bis ein ganzes Flugzeug aus dem 3D-Drucker kommt, wird es wohl noch dauern. Doch die Entwicklung der neuen Fertigungsmethode ist rasant. Ein neues Forschungszentrum stellt die Weichen für die Zukunft.

Damit schlagen die Helis im Punkte Flexibilität sogar die Privat- und Businessjets. Zudem sind sie bereits heute deutlich preiswerter als diese. Liegt eine Stunde im Privatjet derzeit im europäischen Durchschnitt bei etwa 4.000 Euro, gibt es den Helikopterflug gleicher Dauer je nach Modell schon für unter 1.000. Werden Helikopter irgendwann einmal linienflugmäßig ausgelastet und betrieben, dürften die Preise weiter fallen.

Doch das ist Zukunftsmusik. „In den nächsten fünfzehn, zwanzig Jahren wird es keine planmäßigen Hubschrauberverbindungen geben“, sagt der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt. „Die Hubschrauber sind zu langsam, zu durstig und immer noch sehr teuer zu betreiben.“

Die Probleme der Helikopter

Deshalb sind selbst regelmäßige Shuttleflüge über kurze Distanz wie zwischen dem New Yorker Flughafen JFK und Manhattan die Ausnahme. Denn das Vergnügen ist teuer: Zwischen Manhattan und den drei Flughäfen der Stadt pendelt stündlich ein Helikopter-Shuttle. So schaffen es die Banker und Manager in gerade einmal zwölf Minuten von der Wall Street zum JFK-Flughafen – statt der bestenfalls 45 Minuten mit dem Taxi. Dafür kostet der Hüpfer mit dem Hubschrauber satte 1.750 Dollar (mindestens zwei Personen, 875 Dollar pro Kopf), statt der 55 Dollar für das Yellow Cab. Jede Flugminute kostet so rund 146 Dollar. Der Heli-Pendler braucht also eine besonders dicke Brieftasche.

Umsatzzahlen der Airbus-Geschäftsfelder

Zugleich ist es mit der gepriesenen Flexibilität nicht allzu weit her: Landen dürfen die Helikopter noch an bestimmten Orten, viele davon in Firmenbesitz. Und auch die Luftsicherung dürfte bei regelmäßigen Flügen über Innenstädten noch ein Wörtchen mitzureden haben.

Die Reise im Helikopter ist längst nicht immer luxuriös und angenehm. Die Maschinen wackeln und schütteln. Die Turbinen dröhnen in enormer Lautstärke. Zwar halten Luftfahrt-Experten es für möglich, dass Hubschrauber wegen leiseren Motoren und moderneren Instrumenten auf der Kurzstrecke dem Flugzeug vermehrt Konkurrenz machen können, von standardmäßigen Linienflügen mit dem Heli sind wir aber noch weit entfernt.

Womit Geschäftsreisende am häufigsten fliegen

Um die Probleme weiß auch Airbus-Manager Faury: Die X6 solle vorrangig in der Öl- und Gasindustrie eingesetzt werden, so der Manager. Die haben schließlich das nötige Kleingeld und sind für spezielle Termine – nicht nur bei den Ölplattformen auf hoher See – auf die Vorteile der Helikopter angewiesen. Auch Luftfahrtexperte Großbongardt sie für die geeignete Klientel. „Flüge zu den Offshore-Plattformen in der Nordsee oder am Golf von Mexiko sind ideale Einsatzfelder für einen solchen Helikopter“, sagt Luftfahrtexperte Großbongardt. „Ebenso der VIP-Transport in den Megastädten.“

Das Werben Faurys um die Privatkunden kommt nicht von ungefähr. Der niedrige Ölpreis drückt auf Gewinne der Öl- und Gasindustrie. Die Zurückhaltung bei Investitionen bekommen die Hubschrauberbauer unmittelbar zu spüren – Airbus Helicopters macht rund 15 Prozent seines Umsatzes mit der Branche. Fallen die Aufträge der Energiekonzerne weg oder werden weniger, droht Faury ein Umsatzeinbruch – den er mit den Privatkunden abfangen will.

Das „Hubschraubergeschäft ist langfristig ein Wachstumsmarkt“, hatte Airbus-Chef Thomas Enders im WirtschaftsWoche-Interview ausgerufen. In weit die X6 dazu beitragen kann, wird sich frühestens in einer Dekade zeigen. So lange wird die Entwicklung mindestens dauern.

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