Diesen Erfolg verdankte er einer Mischung von außergewöhnlichem Mut, Geschick und Glück. Doch am Ende wurde er fast nur noch von Pech und Missgeschick seiner Manager verfolgt. Die Gesundung des Unternehmens, um die sein Vorstandschef Heinrich Hiesinger nun unter härtesten Bedingungen kämpft, erlebt er nicht mehr.
Sein Leben war vor allem von einem Über-Ich geprägt. „Was hätte Alfried Krupp dazu gesagt?“ war die so häufig gestellte Frage, die er sich selbst vorlegte und die er immer anderen gegenüber in den Raum stellte. Persönliche Demut hat Beitz eigentlich nur gegenüber dem letzten Krupp, Alfried Krupp von Bohlen und Halbach gezeigt. Und das so inbrünstig, dass er wie ein alter Ego von Alfried Krupp wirkte.
Das war typisch für Beitz, den Vorsitzenden des Kuratoriums der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung, so sein offizieller Titel, Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrates von ThyssenKrupp, ehemaliger Testamentsvollstrecker von Alfried Krupp und heimlicher Herrscher über den in den vergangenen Monaten in schwere See geratenen Traditionskonzern ThyssenKrupp, der von Pech und Missgeschick seiner früheren Manager verfolgt wird. Der am 26. September 1913 im pommerschen Zemmin bei Stralsund geborene Beitz kann nun die Rettung des Konzerns nicht mehr miterleben.
Der Höhenrausch der Stahlkonjunktur 2004 hat die damaligen Manager zu waghalsigen Milliardeninvestitionen in Brasilien und Alabama (USA) verführt, die sich nicht rechnen, die den gesamten Konzern als Erbe der untergegangenen Industriellenfamilie Krupp in die Tiefe ziehen könnten.
Mitten im Überlebenskampf im Konzern ist Beitz nun abgetreten, das Ende dieses Überlebenskampfes, ob glücklich oder nicht, erlebt er nicht mehr. Das ist die Tragik, trotz seines gesegneten Alters und seiner begnadeten Gesundheit bis in die letzten Jahre, des großen Mannes von der Ruhr.
Der über Jahrzehnte aufgebaute Kronprinz Gerhard Cromme wurde erst im Frühjahr Knall auf Fall vor die Tür gesetzt. Monatelang hatte Beitz in der Krise von ThyssenKrupp zu seinem bereits ausgerufenem Nachfolger gehalten: „Cromme bleibt“ hat er noch vor Jahresfrist jedem beschieden, der nach der Mitschuld von Cromme am Desaster bei ThyssenKrupp fragte. Doch musste Cromme im März gehen. Die Umstände der Trennung beider lange verschworener Männer sind im Dunklen geblieben. Wer wen verließ, wer wem das Männerbündnis aufkündigte, wird nie jemand genau erfahren.
Beitz zog stet ein Ass aus dem Ärmel
Mit Cromme zusammen hat Beitz die deutsche Industrielandschaft umgepflügt. Als dem damaligen Induna-Generalbevollmächtigten Beitz von Alfried Krupp 1953 im Hamburger Hotel Vier Jahreszeiten die Testamentsvollstreckung von Krupp und die Führung von Krupp angeboten wurde, war Beitz noch nicht klar, welchen steinigen Weg er gehen sollte. Mit einem strahlenden Lächeln, lange Jahrzehnte sein Markenzeichen, lächelte er Probleme weg. Er ließ sie stets auch auf sich zukommen, bis es nicht mehr ging.
„Erst in letzter Minute zog Beitz stets ein Ass aus dem Ärmel, das Krupp immer wieder rettete“, sagt ein Wegbegleiter von ihm, ein rheinischer Industrieller. So war es, als er Ende der sechziger Jahre den Schah von Persien als Aktionär von Krupp präsentierte, als der frühere Konzern deutscher Kaiser und Könige, in Geldnot kam. Die alte Gussstahlfabrik von Krupp in Duisburg-Rheinhausen schloss Cromme auf Geheiß von Beitz. Später kamen die Fusionen mit dem Stahlkocher Hoesch und dem viel größeren und gesünderen Konkurrenten Thyssen hinzu. Thyssen war eine einnehmbare Festung, weil es dort keinen einflussreichen Ankeraktionär gab. Im Gegensatz zu Krupp, wo Beitz diese Rolle ausübte und die ersten feindlichen Übernahmen in der Wirtschaftsgeschichte Deutschlands vollzog, lange bevor Vodafone Mannesmann schluckte. Beitz war Vorreiter.
Das gewaltige Selbstbewusstsein von Beitz kam nicht von ungefähr. Beitz zog sein Ego nicht nur aus dem Vorbild der Krupps, sondern auch aus seiner eigenen höchst gefährlichen Rolle in der Nazi-Zeit. Während des Weltkriegs rettete er als Direktor der Karpathen-Öl, einem Ausbeutungsunternehmen der Wehrmacht, auch mehreren jüdischen Zwangsarbeitern das Leben, in dem er sie als unentbehrlich für die Erdölförderung deklarierte. Darin war er Oskar Schindler gleich, dessen Leben von Steven Spielberg verfilmt wurde (Schindlers Liste). Auch in seiner Dienstvilla im damals ostpolnischen Boryslaw versteckt er zusammen mit seiner Frau Else Juden. „Wenn man mich entdeckt hätte, wäre ich sofort aufgehängt worden“ , sagte er einmal. Und auch Sätze wie „Nach diesen Erlebnissen hatte ich vor nichts mehr Angst“. Hatte er tatsächlich nicht.
Dafür erhielt er vom Staat Israel den Titel „Gerechter der Völker“. Seine Frau Else übrigens einige Jahre später auch.
„E-RZ“ stand auf dem Kennzeichen seines Dienst-Mercedes. Das Kürzel sollte Standvermögen symbolisieren. Für einen Nachfolger in der Stiftung konnte er nach dem Ausscheiden Gerhard Crommes nicht mehr sorgen. Es klingt absurd, aber dafür fehlte diesem Mann mit dem beneidenswert langen Leben die Zeit und zum Schluss wohl auch die Kraft.