Innovative Modelle Der Biedermann Ford wird sexy

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Fiesta und Focus nach Amerika

Ford pickup trucks Quelle: REUTERS

Damit macht Mulally nun Schluss, er fördert kleine Autos und bedient sich dabei der Kompetenz von Ford Europa. Den kleinen Ford Fiesta und den Kompaktwagen Focus führt Mulally 2010 und 2011 in den USA ein. Weil der Fiesta zu 60 Prozent mit dem europäischen Pendant identisch ist und der Focus sogar zu 80 Prozent, sollen die kleinen Autos eine ähnlich hohe Marge abwerfen wie die großen, technisch eher simplen Spritfresser im Ford-Portfolio.

Mulallys Kleinwagenoffensive könnte Schwung aus Asien bekommen. So ist Ford in Indien mit dem dort entwickelten Billigauto Figo, einem abgespeckten Fiesta, erfolgreich. Noch ist das Auto nur für Schwellenländer konzipiert, doch Entwicklungschef Bakaj denkt weiter: „So wie Europa den Fiesta und den Focus jetzt für die ganze Welt baut, werden auch aus Indien oder China Autos für den Weltmarkt kommen.“

Doch noch ist Mulallys Kleinwagenstrategie vor allem eine mutige Wette. Kaufen Amerikaner wirklich mehr kleine Autos, wie Ford annimmt? Viel hängt vom Ölpreis ab. Nur bei hohen Benzinpreisen stieg bisher in den USA die Zahl der Kleinwagenfreunde. Sinken die Spritpreise, geht meist auch der Absatz kleiner Autos zurück.

Doch bei Ford glaubt man an einen langfristigen Trend: „Der Marktanteil kleiner und kompakter Autos liegt in den USA heute bei 25 Prozent“, rechnet Marketingvorstand Jim Farley vor. „Wir gehen davon aus, dass in fünf Jahren jedes dritte verkaufte Auto nur noch so groß wie ein Focus oder kleiner ist.“

Mehr als 27 Milliarden Dollar Schulden

Mut hat sich für Mulally schon öfter ausgezahlt, zum Beispiel bei der Konzernfinanzierung, für die sich der Ford-Chef direkt nach seinem Amtsantritt entschied. Als habe er den Absatzeinbruch vorausgesehen, der infolge der Bankenkrise über die Autoindustrie hereinbrach, hatte Mulally vor drei Jahren reichlich frisches Geld besorgt: Für neue Kredite über insgesamt 23 Milliarden Dollar verpfändete er bei rund 500 Banken so gut wie alles, was Ford besaß – inklusive der Marke Ford.

Einige Monate später, als die Absatzkrise begann, hätte Ford diese Kredite wohl kaum noch bekommen und wäre wie GM und Chrysler in die Insolvenz gerauscht. So aber blieb Ford zahlungsfähig und Mulally am Ruder. „Ford und die Wettbewerber können Sie an dieser Stelle nicht vergleichen“, sagt Mulally nicht ohne Stolz. „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn ein Unternehmen in die Insolvenz geht. Das schädigt den Ruf für lange Zeit. Wir haben deshalb einen anderen Weg gewählt und selbst zur Stärke zurückgefunden.“

Die Freiheit hatte freilich ihren Preis: Ford schleppt inklusive der von Mulally aufgenommenen Megakredite Schulden von mehr als 27 Milliarden Dollar mit sich herum. Finanzvorstand Lewis Booth ist zuversichtlich, dass er die Schulden weiter abbauen und gleichzeitig Milliarden für die Entwicklung von umweltfreundlichen Hybrid- und Elektroantrieben ausgeben kann. Das funktioniert aber nur, wenn der Absatz weiter brummt und frisches Geld in die Ford-Kasse spült. Verschärft sich die Krise in den USA wieder und bricht der Absatz ein, geht Booths Rechnung nicht mehr auf.

Ähnliche Positionierung

Es ist die Kassenlage, die Ford klar von Volkswagen unterscheidet: Das Center of Automotive in Bergisch Gladbach stuft VW bei der finanziellen Leistungskraft als zweitstärksten Autobauer nach Toyota ein. Ford landet hier nur auf Platz elf.

Verdächtig nah kommen sich die Unternehmen dagegen bei der Positionierung ihrer Marken. Will Winterkorn VW zur „innovativsten Volumenmarke“ machen, strebt Mulally an, „die besten Innovationen für die breite Masse“ verfügbar zu machen. Spricht Ford-Marketingvorstand Farley davon, der Markenkern sei, „Technik bezahlbar zu machen, zu demokratisieren“, sagt Winterkorn: „VW kann für sich in Anspruch nehmen, in Teilen der Welt die individuelle Mobilität erst demokratisiert zu haben – und andere Teile wie Indien oder Russland können noch dazukommen.“

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