Insolvenzverwalter Was zahlungsunfähige Unternehmer erleiden

Deutsche Unternehmer durchleiden nach der Insolvenz oft die Hölle. In angelsächsischen Ländern hingegen werden aus Pleitiers oft erfolgreiche Unternehmer. Wie gefallene Unternehmer hierzulande schikaniert werden.

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Insolvenzbeschluss eines Quelle: dpa

Die Geschichte von Georg Asmass* klingt wie eine Erzählung von Kafka: Ein unbescholtener Betreiber eines kleinen Reisebüros in Norddeutschland bekommt eines Morgens einen Anruf von einem großen Reiseveranstalter: Warum denn die Lastschrift von der Bank zurückgebucht worden sei? „Ein Irrtum“, dachte Asmass und rief seine Bank an. Doch von der Sekretärin des Zweigstellenleiters bekam der Reisekaufmann nur die Auskunft: Es bleibe bei den Rückbuchungen. Asmass versteht die Welt nicht mehr: „Wir waren solvent und hatten unsere Kreditlinie nicht ausgeschöpft.“

Der eingeschaltete Anwalt kann nicht viel erreichen. Im Gegenteil: Die Bank droht dem eingeschüchterten Kaufmann mit Abbruch der Geschäftsbeziehung. Weitere Veranstalter melden Rückbuchungen. Dann sperrt die Bank das Konto ganz. Der Anwalt warnt vor Insolvenzverschleppung, Asmass geht zum Gericht.

Vertreibung aus der bürgerlichen Gesellschaft

Danach erlebt der heute 55-Jährige eine Folge von Demütigungen, Inkompetenz und Schlampereien. Inzwischen arbeitet der Kaufmann in seinem einstigen Geschäft als Angestellter. Asmass’ Geschichte begann im Herbst 2004, das Insolvenzverfahren über den Fünf-Mann-Betrieb läuft noch immer. Asmass hat kein Konto mehr, sein Gehalt bekommt er in bar ausgezahlt. Rechnungen begleicht er durch teure Bareinzahlungen am Banktresen. Menschen in seiner Lage sind oft nicht imstande, bei unwilligen Finanzinstituten auf ihr Recht zu pochen. Denn zumindest die Sparkassen müssen in vielen Bundesländern ein Konto auf Guthabenbasis anbieten.

Asmass’ Lebensversicherung wanderte in die Insolvenzmasse. Bis vor Kurzem nahm er wegen Angstattacken Psychopharmaka ein. Wegen eines Schlaganfalls ist er heute schwerbehindert. Jahre nach der Pleite räumte ein Mitarbeiter seiner früheren Bank hinter vorgehaltener Hand ein, das Institut sei da wohl zu weit gegangen.

Wer in Deutschland pleitegeht, kommt zwar nicht mehr in den Schuldturm oder in die Schuldsklaverei, erlebt aber die Vertreibung aus der bürgerlichen Gesellschaft. Die Reform des Insolvenzrechtes 1999 hat für die Schuldner zwar Erleichterungen gebracht. Dazu gehört die Verkürzung der Verjährungsfrist für Pfändungen von 30 auf sechs Jahre, in der ein alleinstehender Schuldner Einnahmen bis zur Freigrenze von rund 1000 Euro abführen muss. Auch die Verpfändung der Altersvorsorge ist inzwischen nicht mehr möglich.

Doch im Vergleich zu Großbritannien oder Frankreich, wo Schuldner nach einem Jahr oder 18 Monaten ein normales Leben führen dürfen, leben hierzulande gefallene Unternehmer am Rande der Gesellschaft. „Den Leuten wird das Leben unnötig schwer gemacht, das hilft auch den Gläubigern nicht“, sagt Bestsellerautorin Anne Koark, die ihre Erfahrungen als insolvente Unternehmerin als Buch veröffentlicht hat und heute Seminare über das Leben nach der Insolvenz hält.

Pleitiers geraten in Deutschland an den Rand der Gesellschaft

In angelsächsischen Ländern erntet ein Pleiteunternehmer Bewunderung, wenn er wieder aufsteht und eine neue Firma gründet. Die Wirtschaftsgeschichte ist voll von erfolgreichen Unternehmern, die Bankrott anmelden mussten. Henry Ford legte vier Pleiten hin, der Regisseur Francis Ford Coppola („Der Pate“) drei. Auch Walt Disneys erste Firma war knapp ein Jahr nach der Gründung am Ende.

Die Erfolgsrate ehemaliger Pleitiers, so eine Untersuchung des Instituts für Mittelstandsforschung in Bonn (IfM), ist ebenso groß wie die unbelasteter Gründer. „Das ist ein kleines Wunder“, sagt IfM-Insolvenzexperte Peter Kranzusch, „wenn man bedenkt, wie schwer es für Wiedergründer ist, Kredite oder einen Mietvertrag zu erhalten – von den familiären und persönlichen Schwierigkeiten ganz abgesehen.“

Denn viele Schuldner erleben das Scheitern und die Jahre nach dem Bankrott als Traumatisierung. „Gestern noch angesehener Mittelständler, deren Anweisungen befolgt wurden, heute machtloser Bittsteller bei Justiz und Verwaltung“, sagt Asmass. Dabei ist nur eine Minderheit der Insolvenzen auf kriminelles Verhalten zurückzuführen. Böswilligkeit der Schuldner ist nach Erhebungen von Autorin Koark in den von ihr angeregten Selbsthilfegruppen nur in etwa sechs Prozent der Fälle im Spiel.

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