Internet Stadtwerke attackieren die Telekom

Stadtwerke bauen superschnelle Glasfasernetze. Damit untergraben sie die Führungsrolle etablierter Anbieter – und betreiben die Rückverstaatlichung von Telekommunikationsnetzen.

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Techniker der deutschen Quelle: AP

Rolf Fußhöller gehört zu den Politikern, die gern mal Tacheles reden. „Der Markt hat versagt, die Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte ist gescheitert“, sagt der erste Bürgermeister von Villingen-Schwenningen im Schwarzwald. Die Schuld gibt Fußhöller den etablierten Anbietern wie der Deutschen Telekom, Vodafone und der im Südwesten sehr starken Fernsehkabelgesellschaft Kabel Baden-Württemberg. Keines dieser Privatunternehmen sei bereit, in die Internet-Zukunft zu investieren und alle 55 000 Haushalte der Kreisstadt mit superschnellen Glasfaseranschlüssen zu versorgen.

CDU-Mitglied Fußhöller greift deshalb zur Selbsthilfe – mit öffentlichen Geldern – und schafft damit Fakten. Die Stadtwerke von Villingen-Schwennigen sollen noch im Herbst den Großauftrag für den Bau einer kommunalen Glasfaserinfrastruktur bekommen. 83,5 Millionen Euro stellt die 80 000-Einwohner-Gemeinde für das Prestigeprojekt im Kommunalhaushalt bereit – pro Wohnung 1500 Euro. Auf einer der nächsten Sitzungen will Fußhöller dem Gemeinderat seinen endgültigen Geschäftsplan vorlegen. Ein Ratsbeschluss sei dann nur noch Formsache, hofft der Lokalpolitiker.

Widerstand der Marktführer

Villingen-Schwenningen ist bald überall in Deutschland. Die Stadtwerke entdecken die Telekommunikation – und treten damit eine Debatte über die Rückkehr des Staates in die Telekommunikationsbranche los. Weit mehr als 100 Mitglieder, ergab eine Umfrage des Verbandes kommunaler Unternehmen (VKU), wollen künftig außer Strom, Wasser und Gas auch noch Bits and Bytes zu den Endverbrauchern transportieren. Mittelfristig, heißt es beim VKU, dürften sich wohl alle kommunalen Versorger mit dem Betrieb von Glasfasernetzen ein neues Geschäftsfeld erschließen. Gefördert wird das Engagement auch durch eine neue Technologie: Der Trend zu sogenannten intelligenten Stromnetzen, die Verbrauchsdaten auswerten und elektronische Geräte steuern, überzeugt auch Skeptiker, dass ein Einstieg der Stadtwerke in die Telekommunikation attraktiv sein kann. Vielen von ihnen gehören bereits die Stromleitungen auf dem Gemeindegebiet.

Damit stoßen die Stadtwerke allerdings auf den Widerstand etablierter Anbieter wie der Deutschen Telekom und der Fernsehkabelnetzbetreiber, die allesamt selbst einmal in öffentlicher Hand waren. Harald Rösch etwa, Chef des TV-Kabelnetzbetreibers Kabel Baden-Württemberg, wirft dem Bürgermeister vor, eine staatliche Parallelinfrastruktur aufzubauen, die sein eigenes, nicht viel langsameres TV-Kabelnetz entwerte. „Die Kommune müsste durch Niedrigpreisangebote Kunden von Kabel Baden-Württemberg abwerben“, heißt es in einem Schreiben an den Bürgermeister, das der WirtschaftsWoche vorliegt. „Angesichts der ordnungspolitisch ausdrücklich gewünschten Privatisierung der Telekommunikation ist das ein äußerst problematischer Ansatz.“

Nach Röschs Berechnungen sind nur etwa 3800 der rund 55 000 Haushalte in Villingen-Schwenningen und Umgebung nicht an das inzwischen internetfähige TV-Kabelnetz angeschlossen, welches mit Spitzengeschwindigkeiten von rund 100 Megabit pro Sekunde das DSL-Netz der Deutschen Telekom längst überholt hat. Sein Vorschlag: „Für ein weit geringeres Investitionsvolumen von rund sieben bis acht Millionen Euro wäre es möglich, die derzeit unversorgten Gebiete mit Glasfasern zu erschließen und an unser Netz zu koppeln. Ein bedarfsorientierter Ausbau wäre also um 76 Millionen Euro günstiger als der Ausbau einer Parallelinfrastruktur.“

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