Iran Wirbel um deutsch-iranisches Reisebüro von ThyssenKrupp

ThyssenKrupp betreibt gemeinsam mit der iranischen Staatsholding IFIC ein Reisebüro in Essen. Nun droht dem Konzern Ärger mit den USA, doch er wird die Beteiligung nicht los.

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Irans früherer Präsident Quelle: REUTERS

Die Bush- und Obama-Adminstrationen haben eines gemeinsam: Sie bekämpfen alles, was den wirtschaftlichen Aufstieg des Iran im Handel mit westlichen Industrienationen begünstigt. So zwang die US-Regierung unter George W. Bush europäische Unternehmen, die in den USA tätig sind, ihre Geschäftskontakte mit dem Iran abzubrechen. Denn die US-Politiker sind überzeugt davon, dass die Teheraner Regierung ihre geschäftlichen Verbindungen  mit der westlichen Welt dafür nutzt, Handelssanktionen zu umgehen und das iranische Atomprogramm zu stärken.

Vor drei Jahren geriet auf diese Weise der deutsche Traditionskonzern ThyssenKrupp ins Visier der Amerikaner. Acht Prozent am Technologieunternehmen aus Essen, hielt damals noch die iranische Staatsholding IFIC. Der stellvertretende iranische Energie- und Rohstoffminister war Mitglied des ThyssenKrupp-Aufsichtsrates.

Washington zwang das ThyssenKrupp-Management damals, der IFIC drei Prozent ihres Anteils abzukaufen - für ein horrendes Geld. ThyssenKrupp war vor allem daran interessiert, das Aktienpaket der IFIC so schnell wie möglich auf deutlich unter fünf Prozent zu drücken, wo es zwar nicht mehr meldepflichtig ist, aber auch keinen Einfluss mehr auf die Geschäftspolitik des Unternehmens hat.

Der Mann aus Teheran musste den Aufsichtsrat umgehend verlassen. Wäre das nicht geschehen, hätten die US-Amerikaner die ThyssenKrupp-Geschäfte auf dem US-Markt stoppen können. Das mussten die Kruppianer unter allen Umständen verhindern, denn die amerikanische Automobil- und Konsumgüterindustrie ist auch Kunde des Stahlkochers. Und damals waren die Vorbereitungen zu dem neuen ThyssenKrupp-Stahlwerk in Alabama gerade gestartet.

USA setzt zahlreiche Firmen auf eine "Schwarze Liste"

Nun holten die Washingtoner Regierungsbeamten vor einigen Tagen zu einem neuen Rundumschlag aus, der auch kleinere Firmen in Deutschland betrifft. Insgesamt setzte das US-Finanzministerium am Dienstag 21 Firmen auf ihre "Schwarze Liste", davon 13 in Europa: neben Deutschland, Weissrussland, Luxemburg und Italien. Die Unternehmen betreiben Geschäfte in den Märkten Finanzen, Versicherungen, Investment, Ingenieurwesen und Bergbau.

Als das bekannt wurde, begann in den Branchen, aber auch unter Marktanalysten die Suche nach diesen Firmen in Deutschland, die nicht namentlich genannt wurden. Sie sind in Hamburg, Düsseldorf und im niederrheinischen Nettetal angesiedelt. Hauptsächlich soll es dabei um zwei Unternehmen gehen, die IFIC-Holding AG und die Ascotex Holding, die sich ebenfalls in iranischem Besitz befinden. Hatte die IFIC etwa ihren Anteil an ThyssenKrupp wieder ausgebaut? Das war die erste Vermutung von Marktanalysten. Sie durchkämmten gleich nach der Meldung die Handelsregister - und wurden an einer Stelle fündig, die sie nicht erwartet hatten.

ThyssenKrupp betreibt Reisebüro mit Iranern

Denn die iranische IFIC-Holding betreibt ein Reisebüro in Essen - zusammen mit ThyssenKrupp. Das Reisebüro Tigges in der Logenstraße gehört zu 75 Prozent dem Konzernbereich ThyssenKrupp Materials and Services - also dem Handelsgeschäft des Technologieriesen -  und zu 25 Prozent den Iranern. Das ist nicht nur dem Handelsregister, sondern auch den Internetseiten des Informationsdienstleisters Creditreform zu entnehmen.

Das Reisebüro Tigges, nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Studien-Reiseveranstalter Dr. Tigges, ist kein ganz kleines Unternehmen. Es beschäftigt 105 Mitarbeiter und wickelt den gesamten Geschäftsreiseverkehr seiner Kunden ab, hat somit auch intime Kenntnis über Reise- und Reisekostenverhalten seiner Klienten. Einer der Großkunden von Tigges in Essen mit besonders vielen Geschäftsreisen in die USA ist der Konzern ThyssenKrupp - der eben nicht nur Kunde, sondern auch Mitinhaber des Reisebüros ist.

Irans Machthaber Mahmoud Quelle: dpa

Dem Unternehmen, das sich so konsequent von seinen iranischen Großaktionären auf amerikanischen Druck hin getrennt hat, ist das gemeinsame Unternehmen mit den Iranern deutlich peinlich. "Wir versuchen schon seit zwei Jahren unseren Anteil an dem Reisebüro zu verkaufen, können dies aber nicht zu vertretbaren Preisen, weil der Reisemarkt zur Zeit schwach ist", heißt es aus dem Konzern in Essen.

Tigges selbst gehört zwar nicht zu den Firmen, die sich auf der Schwarzen Liste des US-Finanzministeriums befinden, allerdings der Miteigenümer IFIC. Daher zeigt man sich in der Essener Konzernzentrale  alarmiert über die im Lauf der Jahre in Vergessenheit geratene Kleinbeteiligung, die mit sensiblen Ein- und Ausreisedaten von hunderten von Managern in die USA hantiert. Da scheint es nur auf den ersten Blick nebensächlich zu sein, dass die IFIC mit ihrem Anteil von einem Viertel jährlich etwa 70 000 Euro an Dividende aus dem Reisebüro zieht. Das ist zu wenig, um von einer wirtschaflichen Erstarkung des Iran zu sprechen.

Der Schah rettete Krupp vor dem Untergang

Doch wie kam die IFIC an die Reisebüro-Beteiligung? Hatte diese etwas mit dem früheren Großaktionär Iran im Aufsichsrat zu tun? Historisch gewachsen könnte dieses gemeinsame Nebengeschäft sein, könnte man mutmaßen. Denn Krupp holte 1974 den Schah von Persien mit seinen Auslands-Industrieverwaltungen in den Aktionärskreis hinein.

25 Prozent hielt das damalige kaiserliche Persien an Krupp und rettete das Revierunternehmen seinerzeit mit einer gewaltigen Finanzspritze vor dem Untergang. Die religiösen Nachfolger des Schah nahmen nach der Revolution die Aufgaben im Krupp-Aufsichtsrat, natürlich mit neuen Männern, genauso wahr wie die Schah-Emissäre in Essen. Die Beteiligung blieb in den Händen der Revolutionsregierung, die ihre Holding nun IFIC nannte. Sie wurde lediglich mit der Zeit durch die Fusionen von Krupp mit Hoesch und Thyssen in den neunziger Jahren auf  acht Prozent reduziert.

Die IFIC war aber erst 1999 in das Reisebüro Tigges eingestiegen. Ein Altbeteiligung seit 1974 ist diese also nicht. Das Reisebüro gehörte früher zu Hoesch und fiel Krupp 1993 nach der feindlichen Übernahme in den Schoß. Es war damals für Unternehmen mit vielen Geschäftsreisen nicht unüblich, sich eigene Reisebüros zu leisten, um dadurch die Kosten zu reduzieren. Der Axel Springer Verlag besaß einst das Reisebüro First, das schließlich auch abgestoßen wurde. Tigges aber blieb bei ThyssenKrupp. Deren Managern gelang es nicht, die Firma zu verkaufen. Es reichte nur für eine Beteiligung der Iraner, die nun wie ein Klotz am Bein wirkt.

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