IT-Branche in Weißrussland Apps aus der Diktatur

Seite 2/5

Schon früher war Minsk das Zentrum der sowjetischen IT-Industrie. Die Hochschulen bilden seit Jahren ausgezeichnete Programmierer aus. Das nutzen europäische Konzerne, die in Weißrussland Software für Mobiltelefone entwickeln. Und immer mehr weißrussische Unternehmen wie Viaden setzen sich als selbstständige App-Entwickler am Markt durch.

Kein Wunder: Die Programmierer sind hoch motiviert und kreativ, die Gehälter relativ niedrig, und die Zahl der IT-Absolventen steigt stetig. Denn Jobs in der IT-Industrie sind für junge Leute oft die einzige Chance, dem Staatsdienst zu entkommen: Zwei Drittel der Weißrussen arbeiten für Lukaschenkos Staat, der im Schnitt 300 Dollar Monatslohn zahlt. Die Inflation von derzeit 34 Prozent und die jüngste Rubel-Abwertung um 56 Prozent entwerten das Geld, was die Menschen zunehmend auf die Barrikaden treibt.

Freie Marktwirtschaft auf Probe

Die IT-Branche wirkt dagegen wie eine Oase. Deren Unternehmen zahlen mindestens dreimal so hohe Gehälter wie der Staat, noch dazu stets verbunden mit einem Inflationsausgleich. So entwickelt sich der IT-Sektor nicht nur zum Sammelbecken für die junge Manager-Elite, die den Staat ablehnt – nebenbei dient er auch als eine Art Reagenzglas, in dem die freie Marktwirtschaft schon mal geprobt wird.

Im Zentrum von Minsk regiert der Stillstand. Riesige Regierungsbunker sowjetischen Baustils wachen als Trutzburgen der Vergangenheit über die Diktatur. Zwischen all dem Beton gepflegte Springbrunnen, die Suggestion der heilen Welt.

Rückkehr mit Masterplan

Die IT-Klitschen dagegen halten sich vom Zentrum der kuriosen Hauptstadt fern. Sie verstecken sich in Kellerbüros, in unverdächtigen Plattenbauten oder im Einkaufszentrum, wo auch App-Hersteller Viaden Mobile seinen Sitz hat.

Natalia Bachar kennt die Freiheiten des Marktes. Die 32-Jährige hat in Warschau studiert, eine MBA-Urkunde der renommierten Kozminski-Universität hängt an der Wand. Polens Hauptstadt ist nur eine Flugstunde von Minsk entfernt. Lange war nicht klar, ob Natalia jemals in die autoritäre Heimat zurückkehren würde.

Gemeinsam mit drei Kommilitonen aus Weißrussland schrieb sie einen Businessplan, wie man mit iPhone-Apps Geld verdient. Das war Teil ihrer Masterarbeit.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%