Entsprechend nehmen Experten RTL die zur Schau getragene Entspanntheit schlicht nicht ab. „RTL, Sat.1 und Co. werden Hunderttausende Zuschauer verlieren“, sagt Thomas Koch, Werbeexperte und Medienberater aus Düsseldorf. „Serien und Filme, die von Werbung unterbrochen werden und zu Zeiten laufen, die nicht in den Tagesrhythmus passen, werden abgestraft.“ Schuld daran seien RTL und seine Freunde selbst, meint Koch. Immerhin hätten „vor allem die Privatsender mit ihrem Billigprogramm Netflix den roten Teppich doch regelrecht ausgerollt – auf allen Kanälen läuft fast nur noch austauschbares Programm für eine dumpfe Masse, die von ihrer demografischen Ausprägung her nicht attraktiv ist für sehr viele Werbekunden“.
Darum dürften sich die Privaten nicht wundern, dass ihre Geldgeber, die werbetreibenden Unternehmen, den Zuschauern ins Netz folgen. „Lineares Fernsehen wird in ein paar Jahren massiv Werbegeschäft verlieren – da können die TV-Protagonisten postulieren, was sie wollen“, meint Frank-Peter Lortz, Vorstandschef der Düsseldorfer Mediaagentur Vivaki. „Diese Entwicklung ist nicht aufzuhalten.“
Steigendes Risiko
Verschärfen dürfte die Situation der Privaten zudem, dass Kosten für Rechte für Serien und Filme durch die Internet-Konkurrenz noch stärker steigen werden, als sie dies schon tun. Den großen Sendern bleibt da nur, entweder mehr Geld in eigene Produktionen zu investieren.
Oder sie setzen noch stärker auf selbst inszenierte Live-Shows wie „Deutschland sucht den Superstar“ und große Sportereignisse wie Fußballspiele. Das erhöht auch noch das Geschäftsrisiko, wie die jüngste RTL-Show „Rising Star“ zeigt, die am Geschmack des Publikums vorbeiging.
Zwar haben auch RTL und ProSieben längst eigene Digital-Ableger und Plattformen mit unterschiedlichen Geschäftsmodellen wie Maxdome und Clipfish gegründet. Doch den Durchbruch zum wirklichen Massenmarkt haben sie nicht geschafft – auch deshalb, weil das Bundeskartellamt vor einem Jahr die Pläne der Privatsender und der Öffentlich-Rechtlichen stoppte, jeweils gemeinsame Internet-Plattformen für deren Filme und Serien aufzubauen.
Vor diesem Hintergrund wird es schwer für die etablierten Stationen, gegen den Konkurrenten Netflix zu bestehen, der mit seinem Geschäftsmodell Lichtjahre voraus zu sein scheint. Denn seinen Aufstieg in den 17 Jahren seit Gründung vom einfachen DVD-Versandverleiher zur weltgrößten Online-Videothek mit 50 Millionen Kunden in 40 Ländern verdankt Netflix einer Arbeitsweise, die in der Branche einzigartig und nicht so leicht zu kopieren ist.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Netflix-Start
Die Preise des Dienstes sind gestaffelt. Wer die Filme und Serien in HD sehen will oder mehrere Zugänge für die ganze Familie braucht, zahlt mehr.
Einstiegspreis: 7,99 Euro pro Monat (Standard Auflösung / ein Gerät)
HD-Paket: 8,99 pro Monat (Höhere Auflösung / zwei Geräte zeitgleich)
Familien-Paket: 11,99 (Höchste Auflösung (4K-Ultra-HD / vier Geräte zeitgleich)
Das Netflix-Angebot ist auf mehreren Wegen abrufbar:
Im Browser über www.netflix.com/de
Über die Netflix-App für iOS und Android
Über Spielekonsolen die PlayStation 3 und 4, die Xbox 360 und One und die Wii,
Über Set-Top-Boxen wie Apple TV und das Fire TV von Amazon sowie Googles Chromecast
Über verschiedene Blue-Ray-Spieler und Smart-Tvs (vorrangig Geräte von Samsung und Sony)
Nach ersten Berichten fällt das Angebot von Netflix in Deutschland bislang offenbar deutlich geringer aus, als in de USA. Bekannte Filme und Serien wie Breaking Bad, Sherlock, The Walking Dead oder Big Bang Theory sind aber dabei.
Exklusiv gibt es offenbar Serien wie Fargo und From Dusk till Dawn. Der von vielen sehnlichst erwartete Breaking-Bad-Ableger Better Call Saul soll parallel zum US-Serienstart im Februar 2015 starten.
Wichtig für viele Film- und Serienfans: Alle englischsprachigen Produktionen gibt es synchronisiert und mit Originalton zu sehen – auf Wunsch mit deutschen Untertiteln.
In der Vergangenheit hat Netflix die Auslandsrechte an seinen eigenen Serien häufig verkauft. Das führt zu merkwürdigen Situationen: Das hochgelobte House of Cards war bereits vor dem Netflix-Start in Deutschland zu sehen. Und: Der Streamingdienst hat jetzt zwar die ersten beiden Staffeln im Angebot. Die dritte Staffel wird aber wohl bei Sky laufen. Auch Lillyhammer und Arrested Development sind derzeit nicht über Netflix abrufbar.
In Zukunft wird Netflix aber vermutlich keine derartigen Deals mit der Konkurrenz mehr eingehen. Die bereits angekündigten Eigenproduktionen Marco Polo und Sense8 werden wohl erstmal nur für Netflix-Kunden zu sehen sein.
Dabei steht an erster Stelle eine ausgefeilte IT. Die übernimmt nicht nur viele Routineaufgaben der Verwaltung. Sie sorgt auch dafür, dass Videos ohne lange Ladezeit und nerviges Ruckeln beim Kunden ankommen, selbst zur Hauptfernsehzeit, wenn Netflix etwa in den USA mit geschätzten drei Millionen Gigabyte pro Stunde ein Drittel des gesamten Datenverkehrs im Internet ausmacht.
Die dafür nötigen Computer- und Datenbankprogramme entwickelt Netflix selbst. Seinen Filmschatz in Form hochaufgelöster HD-Videos mit einer Gesamtlaufzeit von 200 Jahren etwa lagert der Angreifer aus den USA in einem weltweiten Rechnerpark. Und das gleich mehrfach, damit viele Filme möglichst schnell abrufbar und nahe bei den Kunden liegen.