Keine fünf Monate nachdem die Bundeswehr ihren ersten A400M erhalten hat, bleibt der Militärtransporter erstmal wieder am Boden. Bereits kurz nach dem Absturz eines A400M in Spanien verhängte Deutschland einen Flugstopp. Alle Testflüge würden so lange ausgesetzt, bis es genaue Angaben zur Absturzursache gibt, heißt es von der Luftwaffe. Auch in England und Malaysia bleiben die wenigen bislang ausgelieferten Transportflieger vorerst im Hangar.
Der Luftfahrtkonzern Airbus will seine Testflüge mit fertiggestellten Militärtransportern des Typs A400M trotz des Absturzes einer Maschine fortsetzen. „Unser Flugtest-Programm ist nicht unterbrochen“, sagte ein Sprecher. Die Fortsetzung der Probeflüge ist für Airbus-Chef Tom Enders auch ein Signal nach außen. Airbus wolle seinen Luftwaffen-Kunden demonstrieren, dass das Unternehmen diesem Flugzeug voll vertraue und so entschlossen wie eh und je hinter dem Programm, der Beschleunigung der Auslieferungen und dem Ausbau der Fähigkeiten des A400M stehe, schrieb Enders in einem Brief an seine Mitarbeiter.
Technische Daten zum A400M
45,1 Meter
42,4 Meter
14,7 Meter
76,5 Tonnen
37 Tonnen für 116 Passagiere oder 66 Krankenliegen oder ein gepanzertes Fahrzeug
50,5 Tonnen
780 Stundenkilometer
4500 Kilometer mit 30 Tonnen Zuladung oder 8700 Kilometer leer
Der Chef der Militärsparte des Unternehmens, Fernando Alonso, kündigte am Montag gar an, beim nächsten Test in Toulouse werde er selbst an Bord gehen. „Damit will ich beweisen, dass ich volles Vertrauen in dieses Flugzeug habe“, sagte Alonso in Sevilla.
Eine solche Geste scheint nötig, denn nach dem Absturz des A400M im südspanischen Sevilla steht der bereits als Pannenflieger verschriene Flieger wieder in der Kritik. Nationen, die wie Deutschland seit Jahren auf den Militärtransporter als Ersatz für ihre veralteten Maschinen warten, sind verunsichert.
Unglücksmaschine MSN23
Bei dem Unglück am Samstag starben vier Airbus-Mitarbeiter. Zwei weitere Insassen wurden schwer verletzt. Das Flugzeug mit der Fertigungsnummer MSN23 war am Mittag zu seinem ersten und zugleich letzten Flug vom Airbus-Testgelände abgehoben. Unmittelbar nach dem Start soll der Pilot Probleme gemeldet und um Landeerlaubnis gebeten haben.
Wie unter anderem eine von Flightradar24 veröffentlichte Flugroute zeigt, versuchte der Pilot offenbar, die Maschine in einem engen Bogen zurückzufliegen. Er schaffte es nicht. Die Maschine kollidierte mit einer Hochspannungsleitung und zerschellte am Boden.
Flightradar24 tracked an aircraft with transponder code 34460E (not in our database) and callsign CASA423. pic.twitter.com/CKlmZ2t6MS
— Flightradar24 (@flightradar24) 9. Mai 2015
Probleme mit dem Triebwerk
Aufklärung über das Unglück soll die Auswertung der beiden am Sonntag gefundenen Flugschreiber bringen. Erste Berichte deuten jedoch darauf hin, dass Triebwerkschäden den Absturz des Militärtransporters verursacht haben könnten. Einer der beiden überlebenden Airbus-Mitarbeiter habe den spanischen Behörden davon berichtet. Das wurde nach Informationen des Nachrichtenportals „Spiegel online“ am Sonntag am Rande eines Treffens der Verteidigungsminister Frankreichs, Deutschlands und Spaniens bekannt.
Der schwer verletzte Mitarbeiter von Airbus berichtete demnach von einem multiplen Triebwerksversagen kurz nach dem Start. Wie es zu der Fehlfunktion kam, ist bisher noch unklar.
Schon der Verdacht, ein Triebwerksprobleme könne die Absturzursache sein, weckt schlimmste Befürchtungen. Denn der Antrieb des Militärtransporters ist seit Anbeginn des Projekts ein großes Problem, das für Streit, hohe Kosten und Verzögerungen bei der Auslieferung gesorgt hat.
Sorgenkind A400M-Triebwerke
Der A400M wird von vier eigens für den Militärtransporter entwickelten Propellerturbinen-Triebwerken angetrieben. Dabei sorgen die verbauten Gasturbinen nicht hauptsächlich für den Schub, sondern treiben die großen Propeller der Maschine an. Durch die Turboprop-Bauweise kann der A400M bei vergleichsweise niedrigem Kraftstoffverbrauch lange Strecken bewältigen.
Die Konstruktion sorgte jedoch von Beginn an für Probleme. An der Entwicklung des Militärtransporters sind sieben europäische Nato-Staaten beteiligt, darunter Deutschland. Auch auf Druck der europäischen Auftraggeber entschloss sich Airbus (damals EADS), nicht auf die Zulieferung eines etablierten Turboprop-Herstellers zurückzugreifen sondern dazu, einen eigenen Ansatz zu entwickeln – ohne jedoch Erfahrungen im Umgang mit Propellertriebwerken zu haben. Am Ende war an der Entwicklung des Triebwerks ein ganzes europäisches Herstellerkonsortiums aus ITP, die MTU Aero Engines, Rolls-Royce und Snecma Moteurs beteiligt.
Nicht nur durch die Beteiligung verschiedener Hersteller und Nationen zog sich Entwicklung immer wieder in die Länge. Die Auftraggeber verlangten Nachbesserungen und Neuausrichtungen des Projekts, veränderten die Anforderungen. Sie wollten eine Wundermaschine, die sowohl besonders langsam und tief fliegen kann als auch besonders schnell und hoch. Der riesige Transporter sollte schwere Lasten transportieren, gleichzeitig aber auch enge Kurven und steile Landungen bewältigen können.
Bei ihrer Neuschöpfung bekamen die Konstrukteure zudem grundlegende Probleme nicht in den Griff. Zu Beginn sollen die Triebwerke nicht leistungsfähig genug gewesen sein, um die Maschine überhaupt in die Luft zu heben. Teure Nachrüstungen ließen die Kosten explodieren und Airbus mit einem Abbruch des Projekts drohen.
2010 wurde etwa bekannt, dass die Triebwerks-Software nicht mit den Cockpit-Systemen kompatibel war. 2012 wurden Metallspäne im Ölsystem einer der Antriebseinheiten entdeckt. Bei schwierigen Flugmanövern, so die Befürchtung, hätte es zu einem Unglück kommen können.
25-Milliarden-Projekt
Nicht nur die Triebwerke sorgten bei für Probleme – der schwere Rumpf beeinträchtigte die Stabilität des Flugzeugs. Und selbst nachdem Airbus die vermeintlich größten Schwachstellen ausgebessert und das erste knappe Dutzend Maschinen ausgeliefert hatte, riss die Kritik am A400M nicht ab.
Nach ersten Untersuchungen am Flieger erstellten deutsche Prüfer im November 2015 eine Mängelliste mit 875 Punkten, über die der "Spiegel" im Januar berichtete. Darunter auch Schimmel in der Küchenspüle, ausgelaufenes Hydrauliköl am Hauptfahrwerk sowie an den Reifen. Dass selbst die Toiletten an Bord undicht sind, sorgte später für beißenden Spott.
Insgesamt gilt der A400M als eines der größten Pannenprojekte in Europa. Von den 174 bestellten Maschinen sind bislang gerade einmal zehn ausgeliefert worden. Und die verfügen noch nicht einmal über alle gewünschten Fähigkeiten. Der Abwurf von Lasten oder von Fallschirmjägern etwa ist noch nicht möglich, soll aber nachgerüstet werden. Über ein Schutzsystem gegen Raketenangriffe verfügt der Flieger bislang ebenfalls nicht. Durch jahrelange Verzögerungen sind die Kosten zudem enorm gestiegen. Inzwischen liegen sie offiziell bei 25 Milliarden Euro.