Aktie 35 Prozent im Plus Twitter punktet mit der Fußball-WM

Die Fußball-WM war für Twitter ein Steilpass: Weil Kicker wie Lukas Podolski rege twitterten, meldeten sich viele Nutzer beim Internet-Dienst an. Die Aktie zog um 35 Prozent an – obwohl der Verlust weiter hoch ist.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Selfie mit der Kanzlerin: Fußballer Lukas Podolski twitterte von der Siegesfeier der deutschen Fußballer. Quelle: Screenshot

Ist Twitter jetzt tatsächlich über den Berg, oder hat die Fußball-WM dem Börsenneuling im Juniquartal nur eine Steilvorlage geliefert? Der Kurznachrichtendienst aus San Francisco überzeugte im zweiten Quartal mit einem Bericht, der die Erwartungen der Wall Street hinter sich ließ. Der Umsatz mit Plus 124 Prozent und 312 Millionen Dollar lag weit über den Erwartungen. Twitter zeigte zudem wieder Wachstum. Die Zahl der monatlichen Twitterer stieg im Vergleich zum Vorjahresquartal um 24 Prozent auf 271 Millionen und gegenüber dem ersten Quartal um sechs Prozent.

Aber warum ist das alles so toll, dass der Aktienkurs verrücktspielt? Immerhin: im ersten Quartal lag das Nutzerwachstum bei 25 Prozent zum Vorjahr – und alle verfielen deswegen in Panik. Selbst Gigant Facebook mit 1,3 Milliarden Nutzern schaffte vergangene Woche noch 41 Millionen neue Nutzer mehr als im Januarquartal mitzuteilen – Twitter gerade mal 16 Millionen.

Trotzdem: Die Kommentare sind durchweg positiv, vielleicht, weil es einfach überrascht hat: „Überraschung! Twitter hatte ein gutes Quartal. Das hat wirklich niemand erwartet“, so Debra Aho Williamson, Analystin bei eMarketer.

Vorstandschef Dick Costolo hatte zur WM alles auf eine Karte gesetzt, und die Rechnung ist aufgegangen. Eine Reihe von maßgeschneiderten Produkten zog die Fußballfreunde magisch an. Es gab Tormeldungen in Echtzeit, auch als Blitzmeldung auf dem Smartphone-Bildschirm, dazu eine komplette Auflistung der Spiele und ihre Spielzeiten. Der Lohn der Mühen: Niemals wurde mehr getwittert als zur WM. Insgesamt 672 Millionen Tweets gab es vom Anpfiff bis zur Pokalverleihung, mehr als zu jedem anderen Event zuvor.

Alleine beim Spiel Deutschland gegen Brasilien gab es 4,4 Milliarden „Tweet-Impressions“ auf Twitter-Seiten, merkte der Vorstandschef im Analystengespräch an. So oft wurden die versendeten Kurznachrichten insgesamt von den Menschen angesehen, die sich in den Dienst eingeloggt hatten. Zusätzlich, so Costolo, wurden die Tweets zwei Milliarden Mal auf anderen Seiten, die nicht Twitter gehören, angeschaut. Zum Beispiel als Nachrichtenticker auf Webseiten, oder als eingeblendete Tweets im Fernsehen.

Die wahre Reichweite ist demnach zwei bis dreimal größer als die ausgewiesene Zahl der Twitterer, betont der Vorstandschef. Er steht unter Druck, weil er den Abstand zu Facebook einfach nicht verkleinern kann. Stimmt man seiner Sichtweise hingegen zu, dann hat er in Wirklichkeit fast 800 Millionen Nutzer und somit fast die Schlagkraft von Facebook erreicht. Es weiß nur niemand.

Er wird es zudem schwer haben, diese Sichtweide den Anzeigenkunden schmackhaft zu machen. Anzeigen lassen sich derzeit nur an die 271 Millionen „echten“ Twitter-Nutzer verkaufen. Danach werden die Preise bemessen. Aber Costolo ist sicher, dieses Problem lösen zu können. Die namenlosen „Schwarzseher“ stellen seiner Meinung nach ein „enormes Potenzial“ dar. Analyst Nate Elliott von Forrester Research hat für solche Zahlenspielereien wenig übrig: „Sie müssen einfach weiter wachsen“, stellt er lakonisch fest. Egal ob Fußball-WM oder nicht. Denn die Branche ist gnadenlos: „Im Social Media gilt: Wenn du keine Zuschauer hast, dann hast du kein Geschäft.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%