San Francisco Eigentlich war alles wie immer, als sich Sundar Pichai am Donnerstagnachmittag vor das Mikrophon setzte. Der Google-Mutterkonzern Alphabet konnte erneut wachsende Umsätze und Gewinne vermelden, wie stets dank des starken Kerngeschäfts mit der Suchmaschine. Die „Other Bets“, die teuren Zukunftsprojekte, fuhren erwartungsgemäß Verluste ein.
Und doch war alles anders, stehen die Ergebnisse aus Mountain View doch im Licht eines Strategiewechsels. Alphabet, ehemals Google, das mit einem Verzeichnis für Webseiten zum Software-Giganten wuchs, baut jetzt vermehrt Produkte für die analoge Welt. „Wir wollen Hardware und Software besser integrieren“, erklärt der Google-Chef. Das sei eine „wichtige Aufgabe“ für die Zukunft. „Wir fühlen uns gut aufgestellt für die nächste Computer-Ära, in der die Menschen Technologie viel unmittelbarer und intuitiver erleben werden.“
Mit Googles Smartphone Pixel und dem Lautsprecher Home, beide inklusive des digitalen Assistenten Allo, bekäme die Welt „einen ersten Einblick in diese Zukunft“, so der 44-Jährige. Anfang Oktober hatte er das neue Geräte-Portfolio vorgestellt, am Mittwoch dann Googles Auto-Team aus dem Labor geholt und zu einer eigenständigen Firma innerhalb des Imperiums gemacht, ein ebenso ambitioniertes Experiment an der Schnittstelle von Hardware und Software.
Google-Imperium: Das ist die Alphabet-Holding
Das Dach der einzelnen Google-Einheiten bildet in Zukunft die neue Holding Alphabet. Die Unternehmensspitze besteht aus Larry Page (CEO), Sergey Brin (Präsident, Eric Schmidt (Chairman) und Ruth Porat (CFO).
Unter dem angestammten Namen des Konzerns sind die Internet-Suchmaschine, das Werbe-Geschäft sowie YouTube und Android gebündelt. Google ist damit eine Tochterfirma von Alphabet. Noch immer ist Google aber der wichtigste und wirtschaftlich stärkste Bereich.
In Googles Innovationslabor werden unter anderem selbstfahrende Autos, Drohnen und Ballons zur Internet-Versorgung entlegener Gebiete aus der Luft entwickelt.
Das Automatisierungsunternehmen Nest baut vernetzte Thermostaten, die über Apps gesteuert werden können. Auch Rauchmelder sind im Programm. Google kaufte das Unternehmen Anfang 2014 für mehr als drei Milliarden Dollar.
Die Gesundheitsfirma Calico - kurz für California Life Company - soll vor allem das Altern erforschen - um es eventuell bremsen zu können. Das Unternehmen wurde 2013 von Google gegründet.
In den USA bietet der Konzern unter diesem Namen in mehreren Städten ultra-schnelle Internet-Zugänge über Glasfaser-Anschlüsse an.
Der Spezialist Sidewalk ist auf die Infrastruktur moderner Städte fokussierte. Es geht unter anderem darum, den Verkehr effizienter zu machen, Energieverbrauch und Lebenshaltungskosten zu senken oder die Stadtverwaltung zu verbessern.
Über Google Ventures investiert der Konzern in Start-ups, unter anderem den umstrittenen Fahrdienst-Vermittler Uber.
Alphabet kann sich die hochtrabenden Zukunftspläne nur leisten, weil es in seinem Traditionsgeschäft nach wie vor sehr viel Geld verdient. Allein im abgelaufenen Quartal stiegen die Netto-Einnahmen um 27 Prozent auf 5,06 Milliarden Dollar oder 7,25 Dollar pro Aktie, von 3,98 Milliarden Dollar oder 5,73 Dollar pro Aktie im gleichen Vorjahr. Der Umsatz wuchs um 20 Prozent auf 22,45 Milliarden Dollar.
Befeuert wurde der Anstieg durch Klicks auf Google-Werbung, deren Anzahl um 33 Prozent stieg, der Umsatz um 39 Prozent. Mobile Anzeigen und Einnahmen aus Youtube trugen besonders stark zum Wachstum bei. Verluste hingegen macht die Google-Mutter mit den teuren Zukunftsprojekten, bekannt unter „Other Bets“.
Facebook holt im Werbegeschäft auf
Dazu gehören die autonomen Fahrzeuge oder Forschungslabor X, wo der Suchmaschinenanbieter neue, experimentelle Technologien austüftelt – „Moonshots“, also Vorhaben in der Größenordnung der Mondlandung. Die Experimente gehen bislang nur selten auf, zumindest kommerziell. Sie vermeldeten einen Verlust von 865 Millionen Dollar.
Der Thermostat-Hersteller Nest, die Gesundheitssparte Verily und Infrastrukturprojekt Fiber trugen nach Aussage von Alphabets Finanzchefin Ruth Porat am meisten zum Umsatz bei, der bei mageren 197 Millionen lag.
Doch verzichten kann Alphabet auf die hohen Investitionen kaum. Mit seinen „Wetten“ testet der Konzern neue Geschäfte, die langfristig so groß werden sollen wie die lukrativen Sparten. Und das ist auch nötig. Zwar bleibt Google nach Analyse von eMarketer mit einem Anteil von 56,9 Prozent vorerst Marktführer im weltweiten digitalen Werbegeschäft und liegt auch bei den mobilen Anzeigen mit 34,5 Prozent vorn. Doch das wesentlich jüngere Unternehmen Facebook hat bereits aufgeholt und hat sich mit 20,2 Prozent den zweiten Platz im mobilen Segment gesichert.
Alphabet muss sein Geschäft weiter entwickeln. Das neue Hardware-Segment könnte hier eine entscheidende Rolle spielen, schätzt Martín Utreras, Analyst bei eMarketer. Die neuen Geräte würden den Nutzer enger an den Konzern zu binden und mehr Abspielfläche für Werbung schaffen. „Wir denken, dass dies sowohl auf die Verkaufszahlen als auch die Werbeeinnahmen einzahlen wird.“
Auch der neue intelligente Assistent Allo werde für Google immer wichtiger werden, schätzt der IDC-Analyst Ramon Llamas Experte. „Kurzfristig ist die Bedeutung darauf beschränkt, Aufmerksamkeit zu erzeugen und die Nutzung anzukurbeln.“ Auf lange Sicht jedoch könnten mit einer Öffnung der Plattform für Entwickler viele neue Produkte entstehen.