Amazon gegen Google Stress um die Vorherrschaft im Wohnzimmer

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Rückkehr des "walled garden"?

Aktuell schieben sich beide Seiten gegenseitig die Schuld zu und haben damit beide recht. Die Leidtragenden sind Kunden auf beiden Seiten. Wenn Amazon nicht den smarten Lautsprecher der Konkurrenz verkaufen möchte, ist das vielleicht noch verständlich. Doch für die Besitzer eines Fire TV dürfte es mehr als ärgerlich sein, wenn ab Januar YouTube nicht mehr verfügbar ist. Und die Besitzer eines Chromecasts wundern sich seit jeher, wieso sie nicht Prime Video ebenso wie Netflix auf den Fernseher streamen können.

Was Sie schon immer einmal von Alexa wissen wollten…

Beide Firmen sagen, sie wollen weiterhin an einer gemeinsamen Lösung arbeiten. Vielleicht finden sie tatsächlich schnell eine gemeinsame Basis. Denkbar ist aber auch, dass der Fall nur den Anfang einer Entwicklung darstellt, in der die Zäune der sogenannten walled garden, von geschlossenen Ökosystemen also, wieder höher gezogen werden.

Dabei schien die Entwicklung eigentlich anders zu laufen. Dienste sollten möglichst über Endgeräte, Betriebssysteme und Plattformen hinweg funktionieren. Anbieter wie Spotify und Netflix verdanken ihre Stellung der Tatsache, mehr oder weniger überall verfügbar zu sein. Selbst Firmen wie Apple, Google, Amazon und Microsoft, die sowohl mit Software als auch Hardware in Konkurrenz stehen, gingen zuletzt aufeinander zu, ohne jeweils die Stärken ihres eigenen Ökosystems aufgeben zu müssen. Für Apple etwa ist es kein Problem, Apple Music auch für Android anzubieten, auch wenn es dadurch einen Grund weniger gibt, ein iPhone zu kaufen. Die Menschen kaufen iPhones aus anderen Gründen. Und Amazon kann Kunden weiterhin mit der Kombination aus Prime Video und Prime Lieferdienst locken, auch wenn es Netflix für den Fire TV gibt.

Der Kampf um die Deutungshoheit im Wohnzimmer

Doch blickt man auf die jüngsten Entwicklungen, könnten exklusive Dienste wieder attraktiver für die Hersteller werden. Das liegt daran, dass die nächsten Konkurrenzkämpfe nicht mehr auf Laptops oder Smartphones, sondern auf anderer Hardware ausgetragen werden: auf smarten Lautsprechern wie Echo, Google Home und dem kommenden HomePod von Apple. Auf Fire TV, Chromecast und Apple TV. Auf vernetzten Geräten aus dem Internet der Dinge. Mit Alexa, Siri und dem Google Assistant.

Nützlich und absurd: Die Amazon Skills

In den kommenden Jahren geht es für die Hersteller darum, die technische Macht- und Deutungshoheit im Eigenheim der Menschen zu erobern. Hinter jedem verkauften Echo oder Google Home steht dabei nicht bloß ein Lautsprecher, sondern Teil eines komplexen Systems aus virtuellen Assistenten und künstlicher Intelligenz, das am besten funktioniert, wenn man es oft und möglichst exklusiv benutzt.

Im Fall von YouTube geht es also möglicherweise doch um mehr als einen kleinen Streit zwischen zwei großen Firmen. Sollte er eskalieren, könnten plötzlich auch weitere Angebote wie der Streamingdienst oder der Hörbuchanbieter Audible (beide sind Amazon-Töchter) in den Blickpunkt geraten. Google wiederum könnte Amazons Alexa die Fähigkeit zur Navigation über Maps entziehen. Drittanbieter könnten sich plötzlich in der Situation wiederfinden, sich für eine von beiden Plattformen entscheiden zu müssen.
Für die Verbraucher bedeutet das vor allem Unsicherheit. Kunden, die gerade erst einen Fire TV gekauft haben und ab Januar kein YouTube mehr abspielen können, sehen sich schon jetzt mit dieser neuen Realität konfrontiert. Aber nicht nur sie dürften genervt fragen: Google, Amazon, jetzt mal im Ernst: Könnt ihr diesen Mist nicht einfach klären?

Google bringt seinen intelligenten Lautsprecher Home nach Deutschland. Dass dahinter die Kompetenz der größten Suchmaschine der Welt steckt, merkt man schnell. Doch Euphorie wäre verfrüht.
von Nico Hornig
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