Der überraschende Schlussakzent darf in keiner wichtigen Apple-Präsentation fehlen, es ist ein bewährter dramaturgischer Effekt mit langer Tradition. „One more thing“, nannte ihn Apple-Gründer Steve Jobs und erntete mit scheinbar beiläufigen Neuerungen wie dem legalen Herunterladen von Spielfilmen Beifallsstürme seiner Zuhörer. Apple-Chef Tim Cook brauchte am Montagabend bei seiner Eröffnungsrede der weltweiten Entwicklerkonferenz seines Konzerns im kalifornischen San Jose geschlagene zwei Stunden, um den berühmten Paukenschlag zu erreichen.
Die Überlänge war nötig, um die vielen Neuerungen in Apples Produktpalette vorzustellen. Wie am Fließband präsentierten Cook, sein Marketing-Guru Phil Schiller, Software-Chef Craig Federighi und iPad-Chef Greg Joswiak Verbesserungen bei Apple Watch und Apple TV, neue MacBooks, iMacs und iPads, die neuesten Versionen der Betriebssysteme iOS (11) und MacOS (High Sierra). Ausgenommen war nur der Hauptumsatzbringer iPhone, dessen neueste Generation für den Herbst erwartet wird.
Die Magie allerdings, die den Konzern so berühmt gemacht hat, wollte sich nicht einstellen. Auch nicht im Schlussakzent, den Cook „one last thing“ nannte. Eine treffende Beschreibung – leider. Denn das „letzte Ding“ entpuppte sich als ein zylinderförmiger Drahtlos-Lautsprecher namens HomePod, der seinen Klang an den Raum anpassen und mit Hilfe des Digitalassistenten Siri auf Zuruf Musiktitel spielen, das Wetter ansagen und je nach Vernetzungsgrad des Heims das Licht an-und ausschalten kann.
Die iPhone-Evolution
Das erste iPhone im Jahr 2007 hat den Vormarsch der Smartphones angestoßen und nicht nur die Mobilfunk-Industrie umgekrempelt. Ein Überblick über die Entwicklung der Geräte von Modell zu Modell:
Für das Jahr 2007 waren der große Touchscreen ganz ohne Tastatur und die Bedienung per Finger ein radikales Konzept, das die Smartphone-Revolution entscheidend anschob. Dabei verzichtete Apple bei der ersten Version sogar auf den schnellen UMTS-Datenfunk. (Quelle: dpa)
Ein iPhone 2 gab es nie – stattdessen kam im Sommer 2008 das iPhone 3G, was auf die Unterstützung des 3G-Standards UMTS hinwies. Das Aluminium-Gehäuse wurde durch eine Plastik-Schale ersetzt. Mit dem App Store öffnete Apple die Plattform für Programme verschiedener Entwickler.
Mit dem Modell des Jahres 2009 führte Apple sein „Tick-Tock“-Prinzip ein, bei dem die iPhones alle zwei Jahre radikal erneuert werden und es zwischendurch ein „S“-Modell im unveränderten Design, aber mit aufgerüstetem Innenleben gibt. Das 3GS bekam eine bessere Kamera und einen schnelleren Chip.
Das letzte Modell, das Gründer Steve Jobs noch selbst vorstellte. Das kantige Design des iPhone 4 mit einer gläsernen Rückwand war 2010 aufsehenerregend, zugleich häuften sich zunächst Berichte über Empfangsprobleme mit der Antenne am Außenrand.
Apple ließ sich 15 Monate Zeit bis Oktober 2011 mit einer Aktualisierung. Zu den Neuerungen gehörte neben technischen Verbesserungen die Sprachassistentin Siri.
Während die Smartphones der Wettbewerber immer größer wurden, erweiterte Apple 2012 zunächst vorsichtig die Bildschirm-Diagonale von 3,5 auf 4 Zoll. Zugleich wurde das Gerät deutlich dünner gemacht und bekam wieder eine Aluminium-Hülle.
Die wichtigste Neuerung im Herbst 2013 war der Fingerabdruck-Sensor zum Entsperren der Telefone. Zudem entwickelte Apple unter anderem die Kamera weiter.
Erstmals entschied sich Apple 2014 für zwei neue Modelle mit deutlich größeren Bildschirmen mit Diagonalen von 4,7 und 5,5 Zoll. Der Schritt löste einen Absatzsprung aus, Apple kam monatelang der Nachfrage nicht hinterher. Die Geräte wurden abermals dünner.
Gleiches Gehäuse, bessere Technik – das reichte im Weihnachtsquartal 2015 knapp für den nächsten Absatzrekord von knapp 74,8 Millionen verkauften iPhones.
Zum ersten Mal geht Apple ins dritte Jahr mit einem weitgehend unveränderten äußeren Design. Aber Apple verzichtete unter anderem auf die klassische Ohrhörer-Buchse zugunsten des digitalen „Lightning“-Anschlusses.
Auch 2017 tat sich - zumindest optisch - an der neuen iPhone-version wenig. In Form, Größe und Gewicht ähneln die zwei unterschiedlich großen iPhone 8 (links) und iPhone 8 Plus noch immer den vier Jahre alten iPhone-6-Modellen. Entsprechend zurückhaltend reagierten viele Kunden. Die 8er-Modelle blieben hinter den Verkaufszahlen ihrer Vorgänger zurück. Allerdings hat Apple für das Jahr noch ein Ass im Ärmel ...
Ab dem 3. November 2017 will Apple mit einem radikal erneuerten iPhone einen neuen Standard im Smartphone-Geschäft setzen. Beim iPhone X (steht für 10, nicht den Buchstaben X) füllt der Bildschirm den Großteil der Frontseite aus und der Fingerabdruck-Scanner wurde durch Gesichtserkennung abgelöst. Mit einem Startpreis von um die 1000 Dollar ist es deutlich teurer als bisherige iPhone-Modelle.
Was den Wettbewerb betrifft, ist Apple spät dran. Amazon hat seinen Echo Lautsprecher mit integriertem Alexa-Digitalassistenten schon seit zwei Jahren im Programm. Google hat im vergangenen Jahr mit Google Home nachgezogen. Ob ihr Sound es mit Apples Konter aufnehmen kann, muss sich zeigen. Doch die Konkurrenz eint, dass ihre Produkte verfügbar und mit Preisen zwischen 129 und 179 Dollar relativ erschwinglich sind.
Musik neu erfinden
Apple, so kündigte Phil Schiller an, wird hingegen 349 Dollar für seinen HomePod verlangen. Das hält Apples Marketingchef schon wegen dessen Klangeigenschaften für preiswert. Der HomePod werde, so assistiert sein Boss Cook dank seiner Fähigkeit Songs vorzuschlagen und zusätzliche Informationen über sie zu liefern, „die Musik neu erfinden“. Mit Lautsprechern hat Apple durchwachsene Erfahrungen. Im Februar 2006 hatte Jobs mit Apple Hifi einen Lautsprecher für iPods für 349 Dollar vorgestellt, der sich nur ein Jahr am Markt hielt. Vor drei Jahren erwarb Apple für drei Milliarden Dollar den Audio-Anbieter Beats Electronics und damit auch Lautsprecher.
Der Vorstoß mit dem HomePod beginnt erst im Dezember und dann auch zunächst nur in den USA, Großbritannien und Australien. Der nichtenglische Sprachraum muss sich vorerst gedulden. Google und Amazon sind auch hier weiter, offerieren auch Deutsch in ihren Heimlautsprechern.
Ein Indiz dafür, dass Apple die Zeit benötigt, um Siri für die neuen Aufgaben fit zu machen. Denn bei den Sprachassistenten hat Apple seinen einstigen Vorsprung verspielt, vor allem Microsofts Cortana und Googles Assistant haben ihn bei Interpretation und Ausführung von komplexeren Sprachbefehlen überholt.
Stoische Update-Strategie
Die überlange Eröffnungsrede der diesjährigen Entwicklerkonferenz demonstriert, in welchem Dilemma Apple steckt. Der Konzern ist voll mit der Pflege seiner bestehenden Produktlinien beschäftigt. An Veränderungswillen, das beweist schon die Zahl der präsentierten Neuerungen, mangelt es nicht. Aber alles dreht sich - mit Ausnahme des HomePods - um Verbesserungen bestehender Angebote. Ein Luxusproblem, besonders wenn Apple für seinen neuen iMac Pro schlappe 5000 Dollar verlangen kann.
Aber eben nicht wegweisende Innovationen – so wie einst der iPod, das iPhone oder der iPad, die ganze Produktkategorien neu definierten. Selbst die Hoffnung, dass Apple endlich Microsoft, Google, Samsung und Facebook Oculus mit der Präsentation eines eigenen Produkts bei Virtueller und Erweiterter Realität Paroli bieten würde, erfüllte sich am Montag nicht. Zumindest wird mit der neuesten Version von iOS nun eine Programmierschnittstelle bereitgestellt, damit erweiterte Realität nicht nur auf Android, sondern auch iPhone und iPad erlebbar wird. Und damit auf „hunderten Millionen von iPhone und iPads“ (O-Ton- Federighi). Über Nacht, so tönte Apples Softwarechef trotzig, habe man damit die größte Plattform für Erweiterte Realität geschaffen. Jetzt sollen die externen Entwickler erstmal vorlegen, bevor Apple sich mit einer eigenen Datenbrille an den Markt wagt.
Die Ironie ist, dass Cook gerade wegen des Mangels an Risiko Apple zum wertvollsten Konzern der Welt gemacht hat. In den sechs Jahren seiner Ägide hat er zwar keinen neuen Mega-Bestseller hervorgebracht – die Apple Watch war es jedenfalls nicht – aber eben auch keinen Flop.
Zahlen und Fakten zum Mobilfunk-Markt
Im vergangenen Jahr wurden rund 1,5 Milliarden Smartphones verkauft. Das war ein Wachstum von zwei bis fünf Prozent im Vergleich zu 2015 - die Berechnungen einzelner IT-Marktforscher weichen etwas voneinander ab.
Noch im Jahr davor war der Absatz um mehr als zehn Prozent gewachsen. Als zentrale Auslöser für die Abkühlung gelten die wirtschaftlichen Turbulenzen im größten Smartphone-Markt China sowie anderen Ländern wie Russland.
Samsung blieb auf das gesamte Jahr gerechnet der größte Smartphone-Anbieter mit einem Marktanteil von gut 20 Prozent, Apple ist die Nummer zwei mit knapp 15 Prozent.
Im Weihnachtsgeschäft wurden die Apple-Verkäufe aber vom iPhone 7 beflügelt und bei Samsung schlug das Batterie-Debakel beim Galaxy Note 7 auf den Absatz. Im Ergebnis schob sich Apple in dem Quartal mit 78,3 Millionen verkauften iPhones knapp an Samsung vorbei.
Anbieter aus China haben sich - vor allem dank der Größe des heimischen Marktes - weltweit in die Spitzengruppe vor. Die drei Hersteller Huawei, Oppo und BBK schließen nach Samsung und Apple die globale Top 5 ab und kamen zusammen auf gut 20 Prozent Marktanteil.
Bei den Smartphone-Betriebssystemen dominiert Googles Android-Software mit einem Marktanteil über 80 Prozent. Den Rest füllt weitgehend das iOS von Apples iPhones aus. Andere Betriebssysteme wie Windows Phone oder Blackberry OS sind inzwischen praktisch bei Null angekommen. Dabei wurde mit ihnen einst die Hoffnungen verbunden, dass sie zur starken Nummer drei im Markt werden könnten.
Im vergangenen Jahr gab es nach Berechnungen von Experten weltweit rund 7,4 Milliarden Mobilfunk-Anschlüsse. Zum Jahr 2020 dürfte ihre Zahl auf knapp 8,4 Milliarden ansteigen, prognostiziert der IT-Marktforscher Gartner.
Behutsam entwickelt er stattdessen die bestehenden Produkte weiter und hat Angebot und Nachfrage bislang relativ gut ausbalanciert. Wahrscheinlich ist seine größte Stärke, seine Update-Strategie trotz massiver Kritik stoisch fortgesetzt zu haben. Das iPhone hat noch für etliche Generationen Upgrade-Potential.
Die einzige Gefahr ist, dass Apple vom Nachfolger des Smartphones überrumpelt wird. Aber das kann noch Jahre dauern. Bis dahin kann man sicher sein, dass weiterhin Hunderte Millionen Kunden schon aus Bequemlichkeit zu Apple-Produkten greifen werden.
Die Drahtlos-Ohrhörer AirPods, wegen ihres Designs und hohem Preis bei der Präsentation im September verrissen, sind immer noch nur mit Wartefristen von sechs Wochen lieferbar. Wahrscheinlich wird sich das mit dem HomePod, dem „one last thing“ wiederholen. Es wäre schön, wenn Cook auch mal wieder „one really new thing“ vorstellen würde. Er muss auf das völlig Neue ja nicht gleich den Konzern verwetten. Ein bisschen Magie würde nicht schaden.