Zwei Stunden Neuheiten-Schau im Bill Graham Civic Auditorium in San Francisco: Neben netten Spielereien, wie Super Mario für das iPhone, hat IT-Riese Apple am Mittwoch auch neue Geräte vorgestellt: das iPhone 7 und die zweite Generation der Apple Watch, Series 2 genannt.
Auch die jeweiligen Betriebssysteme für Smartphone, Tablet und die Smartwatch werden aufgefrischt. Im Falle von dem Smartphone-System iOS 10 spricht Apple gar von der größten Revolution seit der Premiere des iPhones.
Wie bahnbrechend die vorgestellten Neuheiten wirklich sind, zeigt unser Überblick:
iPhone 7: Das upgedatete Update
Das kann es: Selten brodelt die Gerüchteküche in der IT-Welt so stark wie vor der Premiere eines neuen iPhones. Und in diesem Jahr lagen erstaunlich viele Gerüchte richtig: Das Design hat sich kaum verändert, der Home-Button ist weggefallen, die klassische Kopfhörerbuchse ebenso. Der Prozessor wird schneller (für diese Aussage braucht man aber keinen Experten), zudem erhält das große iPhone 7 Plus (unverändert: 5,5 Zoll Bildschirmdiagonale) eine Dual-Kamera auf der Rückseite. Das iPhone 7 (4,7 Zoll) hat eine einfache Kamera. Die Dual-Kamera ermöglicht einige Foto-Effekte, wie sie auf einem Smartphone bislang nicht möglich waren
Ebenfalls erwartet wurde, dass das iPhone mit dem Wegfall der Kopfhörerbuchse besser gegen Staub und Wasser geschützt sein wird. Was nicht erwartet wurde: Das neue iPhone hat Stereo-Lautsprecher. Damit soll die Tonqualität der Musik und natürlich Soundeffekte bei Spielen besser werden.
Zudem hat Apple bei allen Varianten den Speicher verdoppelt. Statt 16, 64 und 128 Gigabyte sind es jetzt 32, 128 und 256 Gigabyte.
Das ist gut: Über den Verzicht auf die Kopfhörerbuchse und den Home-Button kann man sicher streiten – heute zumindest. Apple hat immer wieder mit Branchen-Standards gebrochen, alte Schnittstellen weggelassen und neue etabliert. Und es hat funktioniert. Deshalb ist dieser Schritt im Großen und Ganzen positiv zu sehen. Dass man so radikale Schritte aber in einem alten Design verpackt hat, ist weniger schön. Das Gehäuse ist dem alten einfach zu ähnlich. Vorteile, die die neue Technik bietet, werden (noch) nicht genutzt.
Zumindest auf dem Papier lesen sich die neuen Funktionen der Dual-Kamera hervorragend. Der Porträt-Modus ist einzigartig, auch der versprochene Zoom bei einer Smartphone-Kamera könnte die Art und Weise, wie wir Smartphone-Fotos aufnehmen, auf Dauer verändern. Schlüsselwort: könnte. Denn auch schon mit dem ach so revolutionären Live-Foto beim iPhone 6S hat Apple eine echte Kamera-Neuheit gebracht. Wirklich durchgesetzt haben sich die verwackelten Live-Bilder aber nie. Deshalb gilt auch für die neuen Kamera-Features: Erstmal abwarten, wie es die Menschen nutzen. Vielleicht haben wir uns ja längst mit dem festen Bildausschnitt bei Smartphone-Kameras ganz gut abgefunden.
Die Evolution des iPhones
Mit seinem leicht bedienbaren Touchscreen revolutionierte das iPhone die Handybranche. Dabei waren die technischen Daten der ersten Generation noch recht bescheiden: Der Prozessor leistete nur 667 Megahertz, der Arbeitsspeicher war nur 128 Megabyte groß. Den Datenfunk UMTS unterstützte die erste Generation nicht. Trotzdem wurde das Gerät ein riesiger Erfolg.
Das zweite Gerät der iPhone-Reihe, vorgestellt im Juni 2008, brachte einige wesentliche Änderungen. Zum einen überarbeitete Apple das Design gründlich. Zum anderen unterstützte das Gerät den Datenfunk UMTS sowie den Datenturbo HSDPA.
Ein Jahr später stellte Apple das iPhone 3GS vor. Am Design änderte sich nichts, allerdings stattete der Hersteller das Gerät mit einem besseren Prozessor und einem größeren Speicher aus. Das suggeriert auch der Name: Das S steht für „Speed“. Zudem war eine Kamera mit 3 Megapixel Auflösung an Bord.
Mit der vierten Generation, präsentiert im Juni 2010, wagte Apple wieder ein neues Design: Das Gehäuse war kantiger und aus Edelstahl. Zudem verbaute der Hersteller ein Display mit höherer Auflösung. Auch der Prozessor war leistungsfähiger als beim Vorgänger. Der Ansturm auf das Gerät war gewaltig.
Äußerlich unterschied sich das iPhone 4S kaum von seinem Vorgänger, das Design blieb weitgehend gleich. Schlagzeilen machte vor allem der persönliche sprachgesteuerte Assistent Siri, der zunächst nur auf dem 4S lief, später aber auch auf anderen iPhone-Modellen. Siri kann Fragen beantworten oder Kommandos ausführen. Die Kamera des iPhone 4S hatte eine Auflösung von 8 Megapixel.
Das sechste und aktuelle Gerät der Reihe heißt iPhone 5. Es ist etwas länger, aber gleichzeitig dünner als das Vorgängermodell – dadurch ergibt sich ein neues Seitenverhältnis von 16:9. Die 8-Megapixel-Kamera kann Aufnahmen in HD anfertigen. Ein neuer Prozessor soll für mehr Tempo sorgen. In die Kritik geriet Apple, weil vor allem an der schwarzen Variante schnell Abnutzungserscheinungen zu sehen waren. Mit dem iPhone 5 führte Apple auch iOS 6 ein, die neue Version des Betriebssystems, die den vielkritisierten Kartendienst Maps enthält.
Das iPhone 5C und das iPhone 5S waren die Modelle sieben und acht. Das 5C ist die etwas günstigere Variante: Weitgehend ausgestattet wie das iPhone 5, hat es aber ein Gehäuse aus buntem Plastik. Das 5S hat unter anderem einen doppelt so schnellen Chip, eine bessere Kamera und einen Fingerabdrucksensor zur Entsperrung des Gerätes.
Die sichtbarste Neuerung bei der jüngsten iPhone-Generation sind die Maße: iPhone 6 und iPhone 6 Plus sind mit 4,7 beziehungsweise 5,5 Zoll deutlich größer als die Vorgänger. Damit reagiert Apple auf den Boom der Phablets, also der übergroßen Smartphones. Die Geräte unterstützen den Bezahldienst Apple Pay, der über den Nahfunkstandard NFC Daten überträgt.
Mit dem iPhone 6S setzte Apple das Tick-Tock-Prinzip fort: In einem Jahr kommt das "große" Update mit einer neuen Zahl, im Folgejahr werden vor allem Details wie Rechnerleistung, Speicher oder die Kamera verbessert – am Design selbst ändert sich wenig.
Nachdem das iPhone 5C mit seinem billigen Kunststoff-Design als Einstiegsvariante wenig erfolgreich war, hat Apple im Frühjahr 2016 einen neuen Ansatz für das Low-Budget-Smartphone gewagt: Das iPhone SE kombiniert die Optik des iPhone 5S (mit dem kleineren Display) mit der besseren Technik des iPhone 6S. Da auf Details wie eine teure Front-Kamera, die modernste Variante des Fingerabdrucksensors oder das Force-Touch-Display verzichtet wurde, konnte es zum Budget-Preis angeboten werden.
Das ist schade: Das Rad erfindet Apple nicht neu. Was der Konzern gezeigt hat, ist ein rundum gutes Smartphone auf aktuellem Stand der Technik – und im Falle der Dual-Kamera sogar ein bisschen mehr. Die Tatsache, dass quasi alle Features im Kern schon vorher bekannt waren und Apple bei der Präsentation nur einige Demos und Zahlen nachschieben kann, zeigt vor allem eines: Fünf Jahre nach Steve Jobs hat der Konzern seine Magie verloren. Er bietet gute Premium-Ware. Ob im September 2017, wenn wir über ein iPhone 7S oder iPhone 8 reden, echte Überraschungen dabei sind, darf angezweifelt werden.
Dann kommt es: Ab diesem Freitag, den 9. September, können das iPhone 7 (ab 649 Dollar, wie das iPhone 6S) und das iPhone 7 Plus (ab 769 Dollar) bestellt werden. Die Auslieferungen starten eine Woche später, also Freitag den 16. September. Die Kunden haben dabei die Wahl zwischen einem Gehäuse in Silber, Gold, Roségold, einem matten Schwarz ("Black") und einem glänzenden Schwarz ("Jet Black"). Letzteres ist neu und sieht in etwa so aus wie das Display in ausgeschaltetem Zustand. Es soll damit kein Übergang zwischen Display und Gehäuse sichtbar sein. Wie gut das neue Gehäuse in der Hand liegen wird, zeigt sich dann ab kommenden Freitag, wenn das Gerät in den Handel kommt.
iOS 10: Sinnvolle Verbesserungen im Detail
Das kann es: Seit der Premiere von Siri mit dem iPhone 4S im Jahr 2011 hat Apple seinen Sprachassistenten isoliert. Nur Apple-Apps konnten auf Siri zugreifen und umgekehrt. Das ändert sich jetzt, die Siri-Schnittstelle wird für alle Entwickler freigegeben. So werden auch Sprachbefehle wie „Schreibe eine Whatsapp-Nachricht“ oder „Ist mein Zug pünktlich“ möglich, da Siri künftig auch auf andere Apps zugreifen kann.
Zudem gibt es in iOS 10 eine überarbeitete Foto-App, die eigenständig Bilder in einen Zusammenhang bringen und so etwa ein Album einer Reise erstellen kann. Das soll laut Apple direkt auf dem Gerät geschehen. Es wandern also keine Daten und Fotos ungewollt in die Cloud.
Auch die Nachrichten-App hat ein Update erhalten. So können jetzt Websites und YouTube-Videos direkt in dem Chatverlauf angezeigt werden. Bislang gab es nur Links, die dann eine andere App geöffnet haben. Dieser Schritt fällt damit weg.
Bei anderen Neuheiten ist es noch offen, ob sie im Alltag wirklich eine Verbesserung darstellen oder auf Dauer nerven: Sobald das Telefon hochgehoben wird, geht das Display an – es muss nichts mehr gedrückt werden. Wird der Homescreen nach links weggewischt, öffnet sich direkt die Kamera-App – was den schnellen Kamera-Zugriff ermöglichen soll. Und zuletzt erhalten die Pop-up-Fenster künftig mehr als nur einen kleinen Text – so können etwa Termine direkt zugesagt/abgelehnt oder die Position des bestellten Uber-Fahrers verfolgt werden.
Das ist gut: Einige der Shortcuts können dem Nutzer das Leben einfacher machen. Apps und Funktionen werden nicht mehr entwickelt, um den Nutzer möglichst lange auf einem Angebot zu halten oder ihn zu einem Kauf zu bewegen. Er soll das Gerät so einfach und natürlich wie möglich bedienen können – der Rest kommt dann von alleine. Und die Gefahr sinkt, dass er aus Frust zu einem Android-Smartphone abwandert.
Zudem fallen einige der Grenzen – oder werden zumindest niedriger. Den meisten Kunden ist es egal, von welchem Unternehmen eine App kommt und ob Siri nun darauf zugreifen darf oder nicht. Sie haben sich an den Sprachassistenten gewöhnt und wollen ihn nutzen – Barrieren im Hintergrund nerven nur. Aber dennoch ist die Siri-Integration noch nicht frei von Problemen, wie der nächste Punkt zeigt.
Das ist schade: Dass Siri künftig auch mit anderen Apps funktioniert, ist toll, gilt aber selbst in den USA nur für einen Bruchteil aller iOS-Anwendungen. Dazu zählen immerhin wichtige Messenger wie WhatsApp, LinkedIn und Slack. Weitere Apps sollen folgen – schließlich hat Apple die Schnittstelle erst kürzlich freigegeben. Man wolle die Integration eben ordentlich umsetzen, heißt es vom iKonzern. Klingt plausibel, von der derzeitigen Auswahl haben deutsche Nutzer aber trotzdem noch nicht allzu viel. Wie gut die Sprachassistenz in anderen Apps funktioniert, bleibt abzuwarten. Grundlos ist Apples zögerliches Vorgehen sicher nicht.
Der große Wurf ist Apple mit den weiteren iOS-10-Features nicht gelungen. Detailverbesserungen und Spielereien, mit denen man kurz Freunde beeindrucken kann, sind freilich keine Schande. Das Gefühl, dass früher mehr Lametta war, bleibt trotzdem.
Dann kommt es: Das neue Betriebssystem kann ab dem 13. September für iPhone, iPad und iPod touch heruntergeladen werden. Aber nicht mehr für alle Geräte, für vier Baureihen bleibt iOS 9 das letzte Betriebssystem: das iPhone 4S, der iPod touch der 5. Generation und die 2. und 3. Generation des iPads unterstützen iOS 10 nicht mehr.
Diese Geräte unterstützen iOS 10
iPhone 6S, iPhone 6S Plus, iPhone 6, iPhone 6 Plus, iPhone SE, iPhone 5S, iPhone 5C, iPhone 5
iPad Pro 12,9", iPad Pro 9,7", iPad Air 2, iPad Air, iPad 4. Generation, iPad mini 4, iPad mini 3, iPad mini 2
iPod touch 6. Generation
Alles über die Apple Watch Series 2
Apple Watch 2: Schneller, neues Gehäuse und wasserdicht
Das kann es: Die erste Version wird seit April 2015 verkauft und es haben von Anfang an einige Features gefehlt, auf die Apple-Fans gehofft hatten: Einen eigenen GPS-Chip zum Beispiel, damit etwa beim Joggen die genaue Strecke aufgezeichnet werden kann – auch ohne iPhone in der Nähe. Zudem wird das Gehäuse wasserdicht, damit kann die Uhr auch beim Schwimmtraining getragen werden. Dazu wurde auch die Workout-App angepasst, dass der Trainingseffekt und Kalorienverbrauch beim Schwimmen genau berechnet werden. Auf Wunsch gibt es das Gehäuse jetzt auch aus widerstandsfähiger Keramik oder für Sportler in einer Nike-Variante mit einem besonders leichten Alu-Gehäuse.
Das ist gut: Viele der Kunden nutzen die Apple Watch vor allem wegen des Fitness-Trackings, die weiteren Apps sind eher ein Zusatz-Feature. Somit muss sich die Watch primär gegen andere Sportuhren messen lassen. Und das wird jetzt mit dem eigenen GPS-Chip und dem Schwimm-Training deutlich einfacher. Zudem bleibt die erste Generation der Uhr als 100 Dollar günstigeres Einstiegsmodell im Angebot – erhält aber dennoch den neuen Dual-Core-Prozessor.
Das ist schade: Die Apple Watch ist weiterhin auf ein iPhone angewiesen. Einige Experten hatten sich erhofft, dass Apple der Smartwatch eine eigene Sim-Karte mit LTE-Verbindung spendiert. Somit wäre die Uhr vom iPhone emanzipiert. Man hätte auch ohne das Smartphone in Bluetooth-Reichweite Nachrichten, Eilmeldungen und sonstige Push-Meldungen erhalten können.
Dann kommt es: Bestellt werden kann ab dem 9. September, ausgeliefert wird ab dem 16. September, also eine Woche später.
watchOS 3: „Eine ganz neue Uhr“
Das kann es: Auch die Besitzer einer Apple Watch der ersten Generation bekommen neue Funktionen. Apple verspricht sogar, dass es sich „wie eine ganz neue Uhr“ anfühlen wird. Damit sind natürlich nicht nur neu designte Ziffernblätter gemeint: Die Apps starten schneller und sollen sich direkt, wenn verfügbar, mit aktuellen Informationen öffnen.
Zudem wurden die Workout-App sowie die Nachrichten (analog zu iOS 10) aufgefrischt. Neu ist auch, dass die Aktivitätsdaten mit Freunden oder Familienmitgliedern geteilt werden können – nur um die Motivation zu erhöhen, versteht sich.
Nettes Zusatz-Feature: Erkennt die Uhr den eigenen Mac-Rechner in der Nähe, loggt es den Nutzer automatisch ein. Sprich: Das Entsperren per Passwort fällt weg, die Präsenz der Uhr reicht aus.
Das ist gut: Wenn die Apps schneller starten, wäre das ein großer Fortschritt. Es bleibt aber abzuwarten, wie gut das auch auf der älteren Hardware der ersten Apple Watch funktioniert oder ob nur das neue Modell die Vorteile voll ausnutzen kann. Erfreulich ist aber auch, dass einige der Neuheiten vom Nutzer her gedacht sind, etwa die aktuellen Infos beim App-Start – sofern die Funktion auch bald von vielen Apps unterstützt wird und nicht als netter Vorführeffekt wieder verschwindet.
Das ist schade: Von den Gesundheits-Funktionen, die vor dem Start der ersten Apple Watch gepriesen wurden, ist nichts mehr zu hören. WatchOS 3 verbessert das Fitness-Tracking, aber von einer Blutdruck-Messung oder der Verbindung zu Ärzten oder anderen Gesundheitseinrichtungen taucht in dem neuen Betriebssystem nichts mehr auf. Ob sich Apple wegen der mangelnden Verkaufszahlen mit weiteren Investitionen zurückhält, kann nur gemutmaßt werden. Vielleicht überrascht der Konzern bald auch wieder mit einem "One more thing".
Dann kommt es: Zusammen mit iOS 10 wird das neue Smartwatch-System ab dem 13. September zum Download bereit stehen.