Ein Vordenker, ein Freigeist, eine Persönlichkeit: Das fehlt Apple seit dem Tod von Steve Jobs. Das iphone 5s und das iPad Air sind zwar technisch grandiose Produkte. Aber dünnere Geräte mit größeren Bildschirmen sind nichts Neues - sondern das, was Menschen erwarten.
Lange suchte Apple jemanden, der den Menschen gibt, was sie wollen - bevor sie selbst wissen, dass sie es wollen. Jetzt hat Apple diesen Mann gefunden - in Beats-Co-Gründer Jimmy Iovine.
Vom Botenjungen zum Plattenboss
In den Siebzigerjahren arbeitete er als Botenjunge in einem New Yorker Plattenstudio, später gründete Iovine die Plattenfirma Interscope Records. Dort setzte er früh auf Gangster-Rap und Künstler wie Dr. Dre und Snoop Dogg. Das Label wurde das angesagteste der Neunzigerjahre.
Gemeinsam mit Andre Young - besser bekannt unter seinem Künstlernamen Dr. Dre - gründete Iovine 2006 das Musikstreaming- und Kopfhörer-Unternehmen Beats. Nun wurde der Konzern von Apple für drei Milliarden US-Dollar übernommen - auch wegen Iovines gutem Ruf als Trendsetter. „Er kann hinter Ecken gucken“, sagt etwa der Chef von Sony Music Doug Morris über Jimmy Iovine in der New York Times.
Von diesem Gespür will Apple profitieren: Bei der Übernahme ging es weniger um das Musikstreaming, die Kopfhörer oder den schillernden Dr. Dre – sondern um den weitsichtigen Charakterkopf Jimmy Iovine. Er soll Apple im Musikbusiness für die Zukunft aufbauen.
Mit seinem Online-Shop iTunes, der außer Musik mittlerweile auch Apps, Filme und TV-Sendungen vertreibt, ist Apple zwar erfolgreich. Aber Nutzer greifen zunehmend auf Dienste wie Spotify, YouTube und Netflix zurück, die den Musikkonsum verändern. Jimmy Iovine mischt mit Beats bei dieser Veränderung mit.
Logarithmen ersetzen
Die Entwicklung erklärte er bei der gestern zu Ende gegangenen Code Conference in Los Angeles so: „Menschen werden für Service zahlen, sie werden für ein Erlebnis bezahlen. Aber sie werden nicht für den reinen Zugang zahlen.“ Daher dürfe Streaming nicht auf persönliche Logarithmen und automatische Empfehlungen basieren, so Iovine.
Die guten alten Alben eines Musikers mit ihrem künstlerischen Anspruch, ihrer Botschaft und einem Gesamtkonzept waren nicht grundlos Jahrzehnte lang erfolgreich.
„Du musst fühlen, wie der eine Song in einen anderen übergeht“, sagte Iovine. Das plant er mit individuellen Playlisten, die von Künstlern selbst und von Kuratoren zusammengestellt werden sollen.
Seit den Anfängen von iTunes arbeiten die beiden Firmen bereits zusammen. In dieser Zeit zeigte Iovine Apple immer wieder seinen Weitblick.
Während Apple zu seinen iPods und iPhones gratis kleine Ohrstöpsel herausgab, stieg Beats 2008 in das Geschäft mit großen, klobigen Kopfhörern mit tiefem Bass ein. Die Produkte kosten mehrere Hundert Euro, heute machen sie 60 Prozent des Marktes für High-End-Kopfhörer aus.
Jimmy Iovine selbst äußert sich zur Verkaufsentscheidung von Beats an Apple ziemlich lapidar: „Warum man zehn Jahre nach dem Kennenlernen heiratet? Es passiert einfach!“