Apple und das iPhone X Das ist die Wette des Jahrzehnts

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Ungewisse Zukunft?

Die einzige neue Produktkategorie, die unter seinem Nachfolger entstand, ist die Apple Watch. Cook, ein Fitness-Fanatiker trägt die Sportversion mit weißem Armband, die er auch unter der Dusche nicht ablegt. Doch bis heute – drei Jahre nach Premiere – hat er noch nicht einmal exakte Absatzzahlen, geschweige denn Umsätze genannt. “Es ist die am besten verkaufte Smartwatch der Welt”, betonte Cook am Donnerstag.

Es wäre auch ein Tropfen auf den heißen Stein, verglichen mit den 135 Milliarden Dollar, die Apple im Geschäftsjahr 2016 allein mit dem Verkauf von iPhones erzielte. Schwerer wiegt, dass auch die Keimzelle von Apple – die Macintosh Computer – an Reiz eingebüßt haben. Das MacBook Pro mit dem Touch-Display gilt als Flop.

Die mit dem Internet vernetzten Lautsprecher, die mittels Digitaler Agenten ins Wohnzimmer lauschen und auf Sprechbefehl Nachrichten vorlesen, das Wetter ansagen oder die Heimbeleuchtung steuern, hat Apple schlicht verpennt. Es war der Handelsgigant Amazon, der die neue Produktkategorie über seine Echo-Lautsprecher in den Markt einführte und so überraschend die Scharte auswetzte, im Gegensatz zu Apple und Google über kein eigenes Smartphone zu verfügen. Google zog rasch nach. Apple hingegen pflegte sein Credo, Dinge erstmal anzukündigen und später zu liefern. Seine Antwort – der HomePod – kommt erst im Dezember. Eine typische Apple-Taktik, um mit einer Vorankündigung den Absatz der Wettbewerber zu lähmen.

Apple-Produkte, die leider nie entstanden
In seinem Buch "Genial Einfach" berichtet Hartmut Esslinger von seiner Zusammenarbeit mit Steve Jobs und wie dieser das Potential des Designs erkannte. Das Buch zeigt hunderte Skizzen und Bilder von den Ursprüngen der Designs. Im Folgenden eine kleine Übersicht. Hier im Bild: Der Charme von 1982 spricht aus dieser Macintosh-Studie, die aus Faserstoffplatten gebaut wurde.© Hartmut Esslinger & frog team Quelle: Presse
Diese Studie zeigt das MacBook 1, wie die Designer es sich 1982 vorstellten. Es erscheint aus heutiger Sicht als ein ziemlich dicker Brummer - im Vergleich zu anderen tragbaren Computern der Achtziger ist es aber schon ein zartes Pflänzchen.© Hartmut Esslinger & frog team Quelle: Presse
Waren Computer damals meist in einem Grau-Beige-Ton gehalten, entstand ab 1982 in der Zusammenarbeit zwischen Steve Jobs und Hartmut Esslinger das neue, moderne Farb- und Designkonzept "Snow White" (der englische Name des Märchens "Schneewittchen"). © Hartmut Esslinger & frog team Quelle: Presse
Der Entwurf des Apple IIc von 1983 erinnert noch stark an eine Schreibmaschine. Bei diesem Modell wurde erstmals das neue Weiß eingesetzt, was den Computer kompatibler für Wohnräume machen sollte. © Hartmut Esslinger & frog team Quelle: Presse
Schlanker kommt da schon dieser Entwurf des Macintosh SE von 1983/84 daher. Die Vision eines modernen Keyboards und der Maus zur Eingabe.© Hartmut Esslinger & frog team, Foto: Dietmar Henneka Quelle: Presse
Mobiltelefone waren in den 80er Jahren noch halbe Telefonzellen. Wie unpraktisch, dachte sich schon damals das Apple-Design-Team, und entwarf 1983 etwa diese frühe Version eines Klapp-Handys.© Hartmut Esslinger & frog team Quelle: Presse
Eine frühe Vision eines Tablet-Macs. Dieses Design stammt von 1982. Die Bedienung sollte über einen großen, klobigen Eingabestift funktionieren.© Hartmut Esslinger & frog team Quelle: Presse

Auch die Zukunft des Projekts Titan, bei dem Apple angeblich seit vier Jahren am selbstfahrenden Auto der Zukunft bastelt, steht in den Sternen. Viele der geheuerten Experten sind aus Frust über die ungewisse Zukunft wieder abgewandert, arbeiten für Tesla und Uber oder sind schlicht zu Volkswagen, Daimler oder Ford zurückgekehrt.

"Apple war nie ein Pionier"

Vor allem ist noch immer unklar, was dem iPhone folgen wird. „Erweiterte Realität hat großes Potenzial“, schwärmt Cook und meint damit das Beamen von Informationen ins Blickfeld. “Sie wird für immer die Art und Weise verändern wie wir Technologienutzen.” Aber er gesteht auch ein, dass Erweiterte Realität noch nicht reif für den Massenmarkt ist. Genau das ist allerdings das größte Problem für Apple, ein Fehler in seinem Erbgut. Apple werde missverstanden, sagt Paul Saffo, der an der Stanford und der Singularity Universität Zukunftsforschung lehrt. „Apple war nie ein Pionier bei neuen Technologien, sie haben immer die Errungenschaften von anderen genutzt, dafür aber meisterlich die Massen begeistert“, sagt Saffo. Doch nun ist es schwieriger geworden, einfach geheimniskrämerisch zu warten und dann einen Trend für sich zu vereinnahmen.

Die Premiere des 1149 Euro teuren iPhone X beweist – Apple ist eine effiziente Marketing-Maschine. Warum das gut für die Zukunft des Konzerns ist.
von Matthias Hohensee

Apples Gebaren wirft die Frage auf, ob der Konzern sich egoistisch verhält, indem er auf die Risikobereitschaft von anderen setzt. Google hat Milliarden von Dollar in das Entwickeln von selbstfahrenden Autos gesteckt, trieb über den deutschen Stanford Professor Sebastian Thrun den Trend beharrlich voran. Noch immer ist unklar, ob Google davon jemals profitieren wird. Aber seine Beharrlichkeit und Risikofreude hat nicht nur die Autobranche neu befeuert, sondern auch Investitionen in Künstliche Intelligenz angefacht. Ähnlich Facebook, dessen Schöpfer Mark Zuckerberg fest entschlossen, virtuelle und erweiterte Realität durchzusetzen und in die junge Branche fleißig investiert.

Gut möglich, dass Apple bei Erweiterter Realität diesmal mehr vorlegt. An den finanziellen Mitteln mangelt es jedenfalls nicht. Apple ist nicht nur der wertvollste, sondern zugleich der reichste Konzern der Erde. Nach Abzug der Schulden hat das Unternehmen mindestens 130 Milliarden Dollar auf der hohen Kante und kann sich so neue Märkte hinzukaufen. Was wahrscheinlich ist und wie das die Gefahr erhöht, dass Apple dann doch auf Kosten seiner Kunden seine Datenschätze stärker ausbeutet, lesen Sie in der aktuellen WirtschaftsWoche 46.

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