Bill McDermott, der Straßenkämpfer Was den SAP-Chef antreibt

Seite 3/3

Vom Underdog zum Starverkäufer

„Ich habe da erstmals gespürt: Auch ein Underdog kann gewinnen“, sagt McDermott heute. „Das hat mir für spätere Aufgaben Selbstvertrauen gegeben.“

Mit einem solchen Ego geht McDermott bei Xerox zu Werke, entwickelt sich zum Starverkäufer und legt eine Blitzkarriere hin. 1997, mit nur 36 Jahren rückt er in den Vorstand des Umsatzmilliardärs ein, so jung wie noch niemand zuvor. Doch eigentlich will er ja Chef werden. Als der Weg an die Spitze versperrt ist, zieht McDermott die Konsequenz und verlässt 2000 das Unternehmen nach 17 Jahren.

Aus heutiger Sicht war dies der Anlauf für den Sprung nach ganz oben. Über Stationen beim IT-Marktforscher Gartner und dem Softwareanbieter Siebel landet McDermott im Herbst 2002 schließlich bei SAP. Nach zwölf Jahren bei den Walldorfern – erst US-Chef, später weltweiter Vertriebschef und ab 2010 Co-Chef mit Hagemann Snabe, ist er persönlich am Ziel.

Dass McDermott den Dänen ausstach, schreiben Weggefährten seinem unstillbaren Ehrgeiz und seiner Durchsetzungskraft zu. Zwar funktionierte die Doppelspitze mit Snabe rund vier Jahre nach außen reibungslos. Und McDermott betont bis heute die besondere Freundschaft zu seinem Ex-Kollegen, an einem Zerwürfnis sei nichts dran. Dennoch überrascht der Däne im Juli 2013 die SAPler, als er seinen Rückzug in den Aufsichtsrat für 2014 verkündet – angeblich aus persönlichen Gründen.

"Wir werden es schaffen"

Unternehmerisch und als Manager ist McDermott noch lange nicht am Ziel. Er weiß, dass er bei vielen Mitarbeiten vor allem am SAP-Sitz im badischen Walldorf noch längst nicht angekommen ist. „Seit meinem Start als alleiniger Vorstandschef bin ich in Deutschland viel präsenter“, sagt er. So häufig es sein Terminkalender zulasse, spreche er direkt mit seinen Leuten. „Ich will meine Mitarbeiter mitnehmen und so häufig wie möglich mit ihnen diskutieren“, sagt McDermott.

In solchen Situationen versucht der neue SAP-Alleinherrscher wieder der Bill zu sein, der von der Straße und dem Haus mit den Ratten und Pfützen gelernt hat, welche Leute es jenseits der Chefetagen sonst noch gibt. Dann ruft er wie etwa Ende November, ein paar Tage nach der SAP-Konferenz in Berlin, rund 800 Mitarbeiter in Walldorf zu einem abendlichen „Coffee-Corner-Meeting“. Dann trägt er nicht den dunkelblauen Maßanzug mit Krawatte und Monogramm auf den Manschetten wie im Ritz Carlton, sondern Hose, Sakko und offenes Hemd. Dann plaudert und scherzt er und hört zu. Und dann ist er überzeugt: „Ich glaube, wir haben inzwischen zueinander gefunden.“

Ein wenig demütiger

McDermott ist überzeugt, dass er alles schaffen kann, auch bei SAP, wo er vor gut einem Jahrzehnt antrat. Es ist Anfang 2003 in New Orleans, der damals 41-Jährige hat gerade die US-Niederlassung von SAP übernommen und tritt auf die Bühne und peitscht rund 800 Vertriebsmitarbeiter ein. Bis 2005 sollen sie den Umsatz von SAP in den USA auf drei Milliarden Dollar steigern, das ist ein Plus von 50 Prozent in drei Jahren und jährlich fast zehn Mal so viel wie bisher. „Wir können es schaffen, und wir werden es schaffen“, heizt McDermott den Anwesenden ein. Im Saal ist es mucksmäuschenstill, erinnert er sich – unterbrochen nur durch ein gedämpftes, aber gut vernehmbares Kichern aus den ersten Reihen– also von dort, wo die etablierten US-SAP-Manager sitzen. Und wie reagiert McDermott? Er fühlt sich gedemütigt wie schon einmal – und es schießt ihm durch Kopf: „Das ist fast dieselbe Situation wie damals in der Schule mit Schwester Jean Agnes.“ Drei Jahre später schafft er in den USA 3,2 Milliarden Dollar – sogar 200 Millionen mehr als ursprünglich anvisiert.

o

Einen ähnlichen Erfolg möchte er nun im Gesamtkonzern erzielen. „Run Simple“ lautet das Mantra, das er dem Unternehmen im vergangenen Jahr verordnet hat. Dazu will er SAP – die Softwarepakete ebenso wie das Unternehmen – auf Cloud Computing trimmen, also die Bereitstellung von Software zur Miete übers Internet. Damit der Strategieschwenk funktioniert, müssen die SAP-Anwendungen ebenso wie die internen Abläufe einfacher, schneller und flexibler werden. Das ist kein leichtes Unterfangen bei einem Softwaretanker mit mehr als 100 000 Kunden und knapp 70 000 Mitarbeitern rund um den Erdball.

Für McDermott ist es die Ausgangslage, die er seit viereinhalb Jahrzehnten kennt. Er liegt zurück, konkret: SAP hinter Rivalen wie dem US-Cloud-Spezialisten Salesforce. Also muss er alles daransetzen, den Rückstand zu beseitigen und an die Spitze zu stürmen. Skepsis oder Selbstzweifel sind dem ehemaligen Straßenkämpfer und Underdog auch hierbei fremd.

„Ich bin demütiger“, sagt er, „und zugleich hungriger als je zuvor.“

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%