Böhmermann und „Verafake“ RTL profitiert wirtschaftlich vom Billigfernsehen

Jan Böhmermann hat zwei Schauspieler in die Sendung „Schwiegertochter gesucht“ eingeschleust und die fragwürdigen Methoden der Macher aufgezeigt. Doch RTL steht wirtschaftlich sehr gut da – der Trash-TV-Kritik zum Trotz.

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Der Satiriker hat die fragwürdigen Methoden bei RTL aufgedeckt, indem er zwei Schauspieler bei „Schwiegertochter gesucht“ eingeschleust hat. Quelle: dpa

Niemand hat in den vergangenen Jahren RTL in Deutschland einen größeren Imageschaden beigebracht als Jan Böhmermann. In seinem Magazin „Neo Magazin Royale“ auf den Kanälen ZDF Neo und ZDF hat der 37-jährige Satiriker zwei Schauspieler in Vera Int-Veens Reality-Doku „Schwiegertochter gesucht“ der Bertelsmann-Fernsehtochter eingeschmuggelt und so die Praktiken des Billig-Fernsehens brutal offengelegt.

Die Bertelsmann-Tochter hatte am Freitagnachmittag auf Böhmermanns „Verafake“ reagiert. „Bei der Produktion einer Folge von ,Schwiegertochter gesucht‘ sind Fehler im Bereich der redaktionellen Sorgfaltspflicht gemacht worden“, gab der langjährige Unterhaltungschef Tom Sänger kleinlaut zu.

„Dazu stehen wir gemeinsam mit der Produktionsfirma Warner. Die Produktion der aktuellen Staffel wird daher von einem neuen Team realisiert. Gemeinsam mit dem Produzenten sorgen wir dafür, dass sich die Fehler nicht wiederholen“, sagte der Vertraute von RTL-Vorstandschefin Anke Schäferkordt.

Böhmermann hat in der ZDF-Sendung gezeigt, wie sich ein 55-jähriger Schauspieler als biertrinkender Vater René ausgibt. Der 30-jährige Mime Simon Steinhorst spielte den grenzdebilen Eisenbahnfan Robin in der Ausgabe von „Schwiegertochter gesucht“ vom 10. April. Niemand war der „Verafake“ aufgefallen.

„Es gibt kaum Kontrollen. Man verlässt sich auf die Produktionsfirma“, sagte ein RTL-Insider in Köln. Experten waren daher nicht überrascht, dass die Böhmermann-Falle klappte. Die für „Verafake“ verantwortliche Produktionsfirma Warner Bros. International TV Productions GmbH gab sich am Freitagnachmittag schuldbewusst. Die in Köln ansässige Tochter des amerikanischen Medienkonzerns Time Warner kündigte Konsequenzen an.

„Wir sind ihm komplett auf den Leim gegangen, denn er hat uns einen sympathischen Schwiegersohn präsentiert. Wir haben uns in ihn 'verliebt' und in diesem Fall gleichzeitig unsere redaktionelle Aufsichtspflicht missachtet. Wir werden dafür die Verantwortung übernehmen und inhaltlich sowie personell umstrukturieren“, sagt Geschäftsführer René Jamm. Warner Bros. ist für RTL vielfältig aktiv. Unter anderen produziert die Firma die Auswandererserie „Goodbye Deutschland“ für Vox.

Obwohl in den sozialen Netzen die Kritik und die Häme über das oftmals als „Unterschichtenfernsehen“ verschriene Programm am Freitag tobte, kann sich RTL trotz des Imageschadens durch „Verafake“ gelassen zurücklehnen. „RTL ist zu stabil, als dass es einen negativen Einfluss geben könnte“, sagte ein Manager eines Konkurrenzsenders.

Nicht zuletzt das von externen Produzenten billig eingekaufte Unterhaltungsprogramm katapultierte den Gewinn der Sendergruppe zuletzt in ungeahnte Höhen. Mitte dieser Woche konnten RTL-Chefin Schäferkordt und ihr Co-CEO Guillaume de Posch einen deutlichen Gewinnzuwachs des börsennotierten Konzerns im ersten Quartal verkünden. Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebita) schnellte nicht zuletzt durch das Programm der deutschen Sendergruppe (RTL, Vox, Super RTL, RTL Nitro) insgesamt um stolze 18 Prozent auf 229 Millionen Euro allein in den ersten drei Monaten.

Die Erlöse des größten Fernsehkonzerns in Europa stiegen satt um knapp zehn Prozent auf 1,4 Milliarden Euro. Die hohen Gewinne von RTL sorgen nichts zuletzt dafür, dass Bertelsmann im ersten Quartal einen neuen Bestwert erreicht hat. Das Gütersloher Unternehmen der Familie Mohn erzielte einen operativen Gewinn (Ebitda) von einer halben Milliarde Euro. Das ist ein Plus von acht Prozent. 

„Das klassische TV-Geschäftsmodell läuft exzellent. Die Werbekonjunktur läuft rund“, sagte der Werbemanager eines Fernsehkonzerns, der ungenannt bleiben wollte. „Es war für die beiden Fernsehkonzerne RTL und Pro Sieben Sat 1 klug, immer neue Nischensender wie RTL Nitro zu gründen. Dadurch kompensieren sie geschickt die Marktanteilsverluste bei den Hauptsendern.“

„Das Fernsehgeschäft ist einträglich wie nie so zuvor“, bestätigt auch ein früherer RTL-Manager. Das liegt auch daran, dass RTL – aber auch der Konkurrent Pro Sieben Sat 1 – an den Produktionskosten sparen, wo es nur geht. Seit Jahren stöhnen die Produktionsfirmen, dass die Privatsender die Daumenschrauben bei den Budgets immer stärker anziehen. „Es gibt keine Grenzen nach unten bei den Produktionskosten“, sagt ein Fernsehmanager.

Arbeitslose als Protagonisten für einen eine Reality-Doku kommen daher wie gerufen. Die Protagonisten von Vera Int-Veens „Schwiegertochter gesucht“ erhielten für die 30-tägigen Dreharbeiten nur insgesamt 150 Euro. RTL und die Warner Bros.-Produktionstochter haben die Summe am Freitagnachmittag bestätigt. Sie verweisen darauf, dass jedem Arbeitslosen – Böhmermanns Schauspieler hatten angegeben, arbeitslos zu sein – bei einer höheren Summe die Bezüge wie das Arbeitslosengeld gestrichen werden würden.

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