Browseranbieter Mozilla gegen Fake-News

Selbstregulierung statt Staatseinmischung: Viele Tech-Konzerne setzen im Kampf gegen Falschnachrichten im Netz auf Initiativen. Der Browseranbieter Mozilla startet eine eigene – und setzt dabei auf Technologie.

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„Falschnachrichten hat es schon immer gegeben – von Propaganda im Mittelalter bis zur Yellow Press“, sagte Katharina Borchert (vorne).

Düsseldorf „Fake-News“, das sagt ja schon der Name, sind doch etwas Amerikanisches. Ein Phänomen, das es hierzulande nicht gibt, etwas, das vor allem in der Hochphase des US-Wahlkampfs Konjunktur hatte: Wenn zum Beispiel der Papst angeblich Präsidentschaftskandidat Donald Trump unterstützte oder seine Kontrahentin Hillary Clinton in einem Pädophilenring aktiv war.

Doch auch Beispiele in Deutschland zeigen: Die gezielten Halbwahrheiten oder bösen Märchen sind gar nicht so weit weg. So machte die ARD unlängst auf einen Sachverhalt aufmerksam: Ein Bild von mehreren Flüchtlingen vor einer Kirche wurde in den sozialen Netzwerken verbreitet, um darauf hinzuweisen, dass da Muslime gegen eine Kirche pinkelten. Die Wahrheit: Bei den Flüchtlingen handelte es sich um Christen aus Äthiopien und Eritrea, die an der Mauer der Kirche beteten. Sie sind eben nicht auf Länder oder Zeitfenster beschränkt – gefälschte Tatsachen gibt es überall.

Das hat auch die Politik erkannt und will mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz Falschnachrichten und Hass im Netz den Kampf ansagen – und erhöht damit den Druck auf die entsprechenden Plattformen. Unternehmen wie Facebook setzen auf personelle Aufstockung, „Faktenchecker“, aber auch auf die Unterstützung von Initiativen für mehr Medienkompetenz oder rufen direkt eine eigene ins Leben.

Auch der Browseranbieter Mozilla hat in der vergangenen Woche selbst eine Initiative angekündigt. Dabei handele es sich um einen „umfassenden Ansatz, der dazu beitragen soll, das Internet glaubwürdig und gesund zu halten“. Bei seiner „Information Trust Initiative“ setzt das Unternehmen auf ein Potpourri an Methoden, die beim Aufspüren und Verhindern von Falschnachrichten helfen sollen. Darunter auch der Einsatz von virtueller Realität.

Vorgestellt hat die Initiative Mozillas Chief Innovation Officer Katharina Borchert, die sich mit Journalismus auskennt: Die 44-Jährige war vorher Geschäftsführerin bei „Spiegel Online“ und ist seit 2016 bei dem Technologie-Unternehmen verantwortlich für die zukünftige Ausrichtung des Konzerns.

Die Idee zu der Initiative kam Borchert und ihrem Team beim Gespräch in ihrem Büro in Mountain View: „Wir sprachen darüber, welcher Irrsinn so im Netz kursiert, und wie der dann sogar von Bekannten in den sozialen Netzwerken verbreitet wird“, sagt die Managerin. Man müsse nur mal etwas weiter von der eigenen Blase schauen, dann erkenne man, wie sehr Inhalte mit Halbwahrheiten und politisch motivierten Lügen verbreitet werden.

Auch in Deutschland ist dieses Problem offenbar angekommen: Laut einer Forsa-Umfrage im Auftrag der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen gaben rund 28 Prozent der Befragten an, ab und zu Falschnachrichten bemerkt zu haben, neun Prozent häufig, 22 Prozent selten und 23 Prozent erklärten, bisher noch nie, aber schon die Vermutung gehabt zu haben, mit einer derartigen Meldung konfrontiert gewesen zu sein. In derselben Studie stimmten immerhin 61 Prozent der Befragten zu, dass Fake News die Demokratie bedrohen würden.

Auch Borchert hält das Phänomen „Fake-News“ für gefährlich: „Falschnachrichten hat es schon immer gegeben – von Propaganda im Mittelalter bis zur Yellow Press“, sagt die Managerin. Allerdings habe die Technologie etwas verändert: Heute würden die guten Seiten der digitalen Revolution missbraucht, um diesen Inhalten eine nie dagewesene Reichweite zu liefern: „Es geht um die Produktion und die Verbreitung, aber auch die Finanzierung – hinter 'Fake-News' steckt nicht nur Ideologie, sondern ein riesiger Markt.“

Borchert bezieht sich damit auf die Meldungen nach dem US-Präsidentschaftswahlkampf, nachdem „Fake-News“ produziert worden waren, um durch die starke Reichweite Geld für Werbeanzeigen abzugreifen. Die Intention dahinter sei letztendlich egal, sagt Borchert: „Selbst wenn am Ende die Falschnachricht enttarnt werde, bleibt doch immer etwas davon hängen.“


„Medienkompetenz an die Digitalisierung anpassen“

Mozilla beschäftigt sich mit der Frage, wie Inhaltsempfehlungen verbessert werden können. Dabei ist Borchert klar, dass das nur mit sehr viel Feingefühl funktionieren kann: „Wir müssen uns hüten da nicht in eine Bevormundung zu rutschen und mit dem erhobenen Zeigefinger dem Nutzer vorzuschreiben, was er lesen darf und was nicht.“ Technologisch will die Initiative dafür auch an der Identifikation von Botnetzen und gefälschten Accounts forschen, da diese oft die Verbreitung von kritischen Inhalten vorantreiben.

Auch die Produkte des Konzerns werden dabei eine wichtige Rolle einnehmen: Mit Coral bietet Mozilla zum Beispiel schon ein Moderationstool für Medienunternehmen, mit dem Redaktionen schneller und effizienter gegen Hass und Fake in den Kommentarspalten vorgehen können. Mit eigenen Forschungsprojekten zu Leserverhalten und Medienrezeption will man dem Projekt eine datengestützte Basis geben.

Ebenfalls geplant sind altersübergreifende Lehrinhalte, die sowohl in Schulen aber auch in der Erwachsenenbildung ansetzen. „Damit wollen wir ein Angebot machen, wie sich Medienkompetenz an die Digitalisierung anpassen lässt.“ Einen derartigen Ansatz verfolgt auch der Verein Deutschland sicher im Netz (DsiN), der mit „DigiBitS – Digitale Bildung trifft Schule“ ein Angebot für digitale Bildung im Schulunterricht startete. Auch hier mischen wieder Tech-Konzerne mit: Projektpartner Avira, Facebook und Huawei.

Medienpsychologin Astrid Carolus hält derartige Maßnahmen schon in frühester Schulzeit für wichtig, auf Handelsblatt-Anfrage erklärte sie zum Start der DsiN-Initiative: „Medienkompetenz ist ein angestaubtes Wort, dabei ist sie so wichtig wie vielleicht noch nie: Medieninhalte und die Geräte, auf denen wir sie konsumieren, begleiten uns dank Smartphone den ganzen Tag – und das ist auch bei vielen Kindern mittlerweile so.“ Es sei wichtig schon dort anzusetzen und Kindern auch beizubringen, wie Rezeption aber auch Teilhabe in sozialen Medien funktioniere.

Mozilla will diese Bildung nicht nur an Schulen vorantreiben, so soll mithilfe von virtueller und erweiterter Realität (VR und AR) der Einfluss und das Ausmaß von Falschnachrichten sichtbar gemacht werden. Borchert beschreibt einen ähnlichen Fall, in dem Mozilla mit Hilfe dieser Technologien bereits das Thema Datensicherheit und Schutz der Privatsphäre im Netz veranschaulichte: „Technologien wie VR können uns dabei helfen, Menschen für das Thema zu sensibilisieren“, glaubt Borchert. Über das Budget will die Managerin indes nicht sprechen: Man veröffentliche keine Zahlen zu einzelnen Initiativen, meint Borchert: „Zudem ist das Projekt nicht zeitlich begrenzt, weshalb wir auch keine starre Kostenvorgabe festgelegt haben.“

Neben dem Mozilla-eigenen Vorhaben, unterstützt das Unternehmen gemeinsam mit unter anderen Facebook die „News Integrity Initiative“ des New Yorker Journalistik-Professors Jeff Jarvis, die Forschungsanstrengungen weltweit vernetzen will.

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