C-Suite Next Level Leadership Vier Asse und ein Kommissar

Die von Roland Berger, Ann-Kristin Achleitner und Gabor Steingart initiierte Zukunftswerkstatt „C-Suite Next Level Leadership“ ist erstmals zusammengetreten. Themen lieferte die Digitalisierung den Top-Managern genug.

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EU-Kommissar Günther Oettinger und Handelsblatt-Herausgeber Steingart. Quelle: EUROFORUM, Dietmar Gust

Berlin Dietmar Dahmen ist der Rock’n’Roller unter den Zukunftspropheten. „Stellen Sie sich vor, Sie als CEO haben vier Asse auf der Hand, Ihre Marke ist unsterblich, Ihre Produkte genießen Weltruhm, Ihr Vertrieb ist erstklassig und die Mitarbeiter lieben Sie. Und Sie spielen seit vielen Jahren schon Ihre Asse erfolgreich aus – bis plötzlich jemand den Raum betritt und einen Revolver zieht. Sie sagen, das ist gemein, das ist illegal, das ist nicht erlaubt, das gibt’s nicht? Aber das gibt’s! Beinahe täglich. Das nennt man Disruption.“

Schon war die hochkarätige Runde aus Unternehmern, Gründern und leitenden Angestellten mittendrin in der Diskussion über die neuen Angreifer: über die Firma Uber, die weltweit den Taxen Konkurrenz macht, ohne selbst ein eigenes Taxi zu besitzen. Über Airbnb, die Hotelkette ohne Hotels. Über Baukonzerne ohne Bauarbeiter, über Napster und Spotify, die das Musikgeschäft aufmischen, und nicht zuletzt über Google und Tesla, die die klassische Autoindustrie attackieren.

Die Digitalisierung ist die große Herausforderung unserer Zeit. Und deshalb war das Thema der exklusiven Zukunftswerkstatt „C-Suite Next Level Leadership“ auch die Kunst der digitalen Transformation. Der Gründer und Honorary Chairman der gleichnamigen Unternehmensberatung, Roland Berger, gehört neben Ann-Kristin Achleitner, Multi-Aufsichtsrätin und Professorin für Entrepreneurial Finance an der Technischen Hochschule München, und Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart zu den Initiatoren des neuen Formats.

Sinn und Zweck dieser Zukunftswerkstatt ist es, zusammen mit erfahrenen Mentoren, Vorreitern und Querdenkern in einer zweitägigen Klausur die Antriebskräfte der Transformation und die Techniken ihrer Beherrschung kennen zu lernen. In einem offenen, aber bewusst nicht öffentlichen Rahmen traf das C-Level von morgen im exklusiven Ambiente des Schlosshotels im Grunewald zusammen. „Es ist Zeit, Wirtschaft neu zu denken – ohne Angst vorm Scheitern, mit Lust auf Zukunft“, so Steingart.

Unter den Gästen, mit denen die künftigen C-Level diskutierten, waren neben Roland-Berger-CEO Charles-Edouard Bouée auch Fabian Kienbaum, geschäftsführender Gesellschafter von Kienbaum, Michael Nilles, Chief Digital Officer der Schindler Group, Thermomix-Vertriebsvorstand Andreas Friesch, Compeon-Gründer Kai Böringschulte, der Ehrenvorsitzende des Dürr-Aufsichtsrats, Heinz Dürr, die Microsoft-Managerin Victoria Ossadnik, der Visioning-Gründer und gefragte Aufsichtsrat (Springer, Conti, Linde und andere) Wolfgang Reitzle und der Trendforscher und Direktor des 2b Ahead Thinktank, Sven Gabor Janszky.

Beim abendlichen Kamingespräch trafen Berger und Steingart auf den Ex-Superminister für Wirtschaft und Arbeit Wolfgang Clement. Es ging um die gesellschaftlichen Bedingungen einer gelungenen Transformation - und um die Folgen, falls diese Bedingungen nicht erfüllt sind. Im Anschluss an die Diskussion feierten die Gäste gemeinsam mit Clement in dessen 76. Geburtstag hinein. Als Geschenk gab es eine Zeichnung von Handelsblatt-Karikaturist Berndt A. Skott.

Wer über Zukunftsfragen diskutiert, kommt in diesen Tagen an einem Thema nicht vorbei: dem Austritt der Briten aus der Europäischen Union und dessen politischen wie wirtschaftlichen Konsequenzen. EU-Kommissar Günther Oettinger kam zur spätabendlichen Visite zu dem zurückgezogen tagenden Unternehmerkreis im Schlosshotel. Er warnte die Runde vor Europa-Bashing und dem „Rückzug ins deutsche Romantiktal“. An Dringlichkeit ließ es Oettinger nicht fehlen. „Das europäische Projekt ist in Lebensgefahr“, sagte er und forderte jeden Unternehmer und Manager auf, sich für Europa zu engagieren. Die 28 EU-Kommissare in Brüssel allein könnten den Populismus nicht stoppen.

Oettinger hob die Bedeutung der EU für Europa hervor: „Wir haben Frieden und nicht nur die S-Klasse exportiert.“ Der deutsche EU-Kommissar erinnerte daran, dass derzeit viele Länder um Einlass in die EU bitten würden. „Die halten Europa für wertvoller als wir selbst“, sagte er.

Ganz so düster sieht John Emerson die Lage nicht. Der Botschafter der Vereinigten Staaten in Deutschland, der zum Morning Briefing im Grunewaldhotel auftauchte, äußerte sich optimistisch bezüglich der Zukunft der EU - trotz der Entscheidung der Briten für den Brexit. Er appellierte an die EU-Länder, sich mit aller Kraft für die Union einzusetzen, die über vier Jahrzehnte für Frieden und Stabilität auf dem Kontinent gesorgt hat.

Botschafter Emerson, der ehemals ein hochrangiger Wirtschaftsberater des ehemaligen US-Präsidenten Bill Clinton war, meinte, dass die EU-Befürworter einen starken Unterstützer wie Clinton brauchen, um die Menschen an die positiven Auswirkungen der EU zu erinnern. „In der Zukunft macht es Sinn, dass es Menschen gibt, die auf die Vorteile der EU aufmerksam machen“, sagte der Botschafter. Niemals dürfe man die Gefahr eines Bruderkrieges unterschätzen: „Ich weiß, wovon ich spreche", sagte er. „Wir Amerikaner haben im Bürgerkrieg mehr Menschen verloren als im Zweiten Weltkrieg.“

Derart politisch gestärkt widmete sich der Kreis wieder der digitalen Transformation. In Vorträgen und Arbeitsgruppen wurden alle nur denkbaren Zukunftsszenarien durchgespielt. Alle Vortragenden ermunterten dazu, das eigene Geschäftsmodell radikal infrage zu stellen und sich gedanklich selbst anzugreifen. Bis der Senior der Runde, Heinz Dürr, 83, einschritt und daran erinnerte, dass auch in Zeiten der Digitalisierung weiter Autokarosserien, Flugzeugturbinen, Kühlschränke und Computerbildschirme gebraucht würden. Dürr wörtlich: „Vergesst mir vor lauter Software die Hardware nicht.“

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