Cloud-Zentrum der Telekom Wo die Wolken wohnen

Der Markt für Cloud-Angebote verspricht milliardenschweres Wachstum. Im Rechenzentrum der Deutschen Telekom wird es da langsam eng. Mitten im „Never Never Land“ rüstet sich der Konzern nun für seinen Angriff auf Amazon.

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Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, schaut einer vorbeifliegenden Drohne hinterher, die den Behälter für den Grundstein gebracht hat. Quelle: dpa

Biere Drei Kräne stehen wie Landmarken auf dem leicht abfallenden Gelände. Links ein Feld, rechts ein Feld. Dahinter weiß-graue Gebäude mit wenigen Fenstern. Bauarbeiter basteln aus langen Eisenstangen ein Fundament. Johannes Krafczyk steht am Fenster des zweiten Stocks des provisorischen Containerbüros und zeigt auf die Männer in ihren gelben Warnwesten. Die meisten hätten schon beim Bau des ersten Gebäudes mitgearbeitet, erzählt er, und als dann klar war, dass das Rechenzentrum erweitert würde, hätten sie explizit danach gefragt, ob sie auch dies mal wieder mit von der Partie sein könnten.

Auch Krafczyk war von Anfang an mit dabei. Als hier in Biere, in der Nähe von Magdeburg, nur Brachland zwischen den Feldern war. Der T-Systems-Manager hatte bei der Suche nach einem Standort mitgeholfen, als der Konzern sich 2011 dazu entschlossen hatte, ein neues Rechenzentrum für Cloud-Angebote zu bauen – jene IT-Dienstleistungen, die nicht mehr auf Servern im eigenen Unternehmen laufen, sondern von Dritten angeboten werden.

Darin steckt für die Cloud-Anbieter viel Potenzial. Laut einer Umfrage des Digitalverbandes Bitkom, im Auftrag der Wirtschaftsprüfergesellschaft KPMG nutzen vergangenes Jahr bereits 54 Prozent der Unternehmen Dienste aus der Cloud. Weitere 18 Prozent sollen dies planen oder diskutieren. Den Marktforschern von IDC zufolge werden im Jahr 2019 Unternehmen weltweit 141 Milliarden Dollar für Cloud-Services ausgeben. 2015 waren es halb so viel.

Vor- und Nachteile von Cloud Computing

Die Deutsche Telekom setzt ebenfalls auf diesen neuen Umsatztreiber. 2014 eröffnete sie über ihre Tochter T-Systems das Rechenzentrum in Biere. Kapazität: 20.000 Server. Das sei natürlich nur ein Durchschnittswert, erklärt Manager Krafczyk und macht sich auf den Weg in Richtung des weiß-grauen Gebäudes. Dort gebe es acht Server-Räume mit rund 2500 Servern pro Raum. Aufgrund der unterschiedlichen Größe und Leistung der Geräte sei dies aber nur eine ungefähre Angabe.

Zur besseren Vorstellung: Die Telekom könnte hier die Inhalte von mehr als 16,6 Milliarden Büchern speichern – und doch wird es langsam eng. Rund 600 Großkunden haben die Cloud-Dienste von T-Systems gebucht, darunter Shell, Daimler, Microsoft oder auch das Schweizer Forschungsinstitut CERN.

Also baut die Telekom aus. Zur Grundsteinlegung am heutigen Montag kam extra der Ministerpräsident Sachsen-Anhalts, Reiner Haseloff, ins „Never Never Land“, wie Manager Krafczyk die Region mit Bezug zum australischen Outback liebevoll nennt. Es sei ein „Vorzeigeprojekt erster Güte“, hatte der Politiker erklären lassen. Gemeinsam mit Ferri Abolhassan, als Geschäftsführer bei T-Systems unter anderem für das Cloud-Geschäft verantwortlich, hat er den Grundstein für das neue Gebäude gelegt. 170 Millionen Euro investiert die Telekom hier. Seit November vergangenes Jahres ist der Bau in Planung, seit zwei Monaten bauen die Arbeiter am Fundament. Mitte 2018 soll alles fertig sein, mit der Erweiterung soll das Rechenzentrum 150 Petabyte speichern können.

„Wir wollen Amazon angreifen“

Abolhassan hat besonders ehrgeizige Pläne: „Wir wollen Amazon angreifen“, hatte er seinen Anspruch formuliert. Amazon ist über seine Tochter Amazon Web Services (AWS) derzeit Marktführer im Cloud-Geschäft. Der Anspruch der Telekom ist es, im Cloud-Geschäft 20 Prozent im Jahr zu wachsen. Das scheint sie in diesem Jahr zu schaffen. In den ersten sechs Monaten stieg der Umsatz um 22 Prozent auf rund 700 Millionen Euro.

T-Systems-Chef und Telekom-Vorstand Reinhard Clemens betrachtet diese Zahlen dennoch mit gemischten Gefühlen. Er sei zwar zufrieden, sagte er im Gespräch mit dem Handelsblatt, aber „ich glaube, da geht mehr. Wir können das noch größer machen. Da müssen wir jetzt dranbleiben."

Hier nutzen Sie die Wolke, ohne es zu wissen
Dropbox, Google Drive, Apple iCloud Quelle: dpa
GMX AOL Google Mail Quelle: dpa
Cloud Gaming Quelle: AP
Google Docs Microsoft Office Quelle: REUTERS
Adobe Kreativ-Programme Quelle: AP
Musik-StreamingAuch wer Musik-Streaming-Dienste wie Spotify, Napster oder Apple Music nutzt, befindet sich in der Cloud. Bei all diesen Streaming-Diensten werden Millionen Musik-Titel auf Servern gelagert, auf die der Nutzer von seinem Endgerät aus zugreift. Dafür muss er entweder ein monatliches Entgelt bezahlen oder die kostenlosen Alternativangebote nutzen. Bei Spotify kann der Nutzer zum Beispiel die Gebühren einsparen, wenn er bereit ist, zwischendurch von Werbung beschallt zu werden. Quelle: dpa
Serien-StreamingFilme und Serien werden ebenfalls immer öfter über das Netz angesehen. Anbieter wie Netflix, Sky Go, Watchever, Amazone Prime und Maxdome erlauben den Zugriff auf tausende Filme und Serien. Auch hier zahlen Nutzer eine monatliche Gebühr und können dafür so viel schauen, wie sie möchten. Quelle: dpa

Dabei will er besonders an zwei Stellschrauben drehen: „Wir verbessern die Vertriebsschiene noch weiter und müssen Produkte noch stärker vom Kunden her denken“, erklärt der Manager. Denen macht er Geschmack auf die Cloud, indem er ihnen Mehrwert durch die Vernetzung ihrer Daten verspricht: „Daten zu sammeln macht nur Sinn, wenn man das an einem zentralen Ort tut, an dem sie auch ausgewertet werden können.“ Das würden viele Unternehmen jedoch noch nicht tun, wobei kleinere sich bei der Digitalisierung leichter tun würden, „weil die Prozesse übersichtlicher sind und Entscheidungen schnell und konsequent umgesetzt werden.“ Allerdings macht er auch auf einen Punkt aufmerksam: „Cloud-Dienste werden nicht in erster Linie zum Geldsparen eingesetzt.“ Dabei ginge es vielmehr um Vereinfachung und auch um Sicherheit.

Die Sicherheit beginnt in Biere am Zaun mit Übersteigschutz. Durch das Drehkreuz am Eingang kommt nur, wer vorher mit dem Pförtner gesprochen hat. Auf die grüne Wiese vor den Gebäuden sind Nachtsichtkameras und Bewegungsmelder gerichtet. Im Haus selber kommt nur weiter, wer eine Karte hat und das Passwort eingibt. T-Systems Manager Krafczyk hält seine weiße Plastikkarte vor das Lesegerät und behindert geübt den Blick Außenstehender mit dem Rücken, während er den Code eingibt.

Sicherheit, das habe auch etwas mit Gefühlen zu tun, Vertrauen, erklärt er, besonders bei mittelständischen Unternehmen. „Man muss die Sorgen der Mittelständler verstehen“, sagt er. Sie seien anders als die der Großkonzerne. „Sie lagern Ihre Prozesse und sensible Daten nicht einfach so aus. Das hat auch viel mit Emotionen zu tun.“ Krafczyk öffnet eine schwere Tür, die aufschwingt und den Blick auf die Brücke freigibt, die zwei Gebäude miteinander verbindet. Sie ist der einzige Weg in das Innere des Rechenzentrums, das gerne als „Fort Knox für Daten“ bezeichnet wird. Wer zu den Servern gelangen will, muss hier rüber. Alle anderen Türen nach draußen lassen sich nur von Innen öffnen.

Eigenes Umspannwerk für das Rechenzentrum

Das Gebäude sei von den Ingenieuren von Innen nach Außen geplant worden, erzählt Krafczyk. Vor ihm stapeln sich die Server in ihren Schränken übereinander. Sie sind das Herz dieses Organismus, der die digitale Gesellschaft am Leben erhält. Ihnen darf nichts passieren, unter keinen Umständen. Und sie sind anspruchsvoll: Server überhitzen schnell und müssen gekühlt werden. Also wurde in dem sechs Meter hohen Raum auf 1,40 Metern ein zweiter Fußboden eingezogen, unter dem kühle Luft zu den Servern geleitet wird. 21 Grad hat sie, wenn sie dort ankommt, mit 31 Grad pusten die Server sie wieder aus. Damit haben sie optimale Betriebstemperatur.

All das kostet Strom – und zwar viel. Die beiden Module mit ihren je vier Serverräumen verbrauchen im Jahr etwa 82 Gigawatt. Um das zu stemmen, hat der örtliche Energieversorger ein eigenes Umspannwerk neben das Rechenzentrum gebaut.

Doch der Strom muss auch fließen, wenn er mal nicht aus der Leitung kommt. „Man muss für einen rein statistischen Risikofall, bei dem man den heißesten Tag des Jahres einrechnen muss, von dem man nicht weiß, wie heiß er ist, alles planen und dann auch bauen“, sagt Krafczyk. Also hat die Telekom acht 16-Zylinder-Schiffsdieselmotoren im Gebäude aufgestellt, die mit einer Heizung immer auf 30 Grad Betriebstemperatur gehalten werden. Damit können sie innerhalb von 30 bis 40 Sekunden hochgefahren werden.

In zwölf Tanks, die um das Gebäude vergraben liegen, wird eine halbe Million Liter Diesel vorgehalten. Bei normalen Bedingungen könnten sie hier zehn Tage ohne Strom durchhalten, sagt der Manager mit Blick vom Dach des Gebäudes, auf dem an heißem Tagen die Luft mit Wasser zusätzlich gekühlt wird.

Unter ihm sind die Bauarbeiter immer noch damit beschäftigt, lange Eisenstangen für das Fundament zu verweben. Doch an Krafczyks Blick ist erkennbar, das er das neue Gebäude schon vor sich sieht und auch das daneben, wo jetzt nur blanke Erde ist. Bis zu 20 Module kann die Telekom hier bauen – wenn der Erfolg es zulässt.

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