Comtravo Tod der Handlungsreisenden-Portale

Das Start-up Comtravo erhält 8,5 Millionen Euro Risikokapital: Das Unternehmen will mit künstlicher Intelligenz die Welt der Geschäftsreisen revolutionieren – und setzt zum Angriff auf die großen Player des Marktes an.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Einfach per E-Mail die Reise buchen, das verspricht Comtravo. Quelle: Imago/Westend61

Düsseldorf Frau Müller sitzt gerne am Notausgang. Die Maschine weiß das. Frau Müller wird gerne mit dem Mercedes abgeholt. Die Maschine weiß das. Frau Müller hat in London am liebsten das Hotel mit Parkblick, auch das weiß die Maschine. Hinter ihr steckt die Software des Start-ups Comtravo und das ist mit seinen Gründer angetreten, den Markt mit Geschäftsreisen aufzumischen. Daran glauben auch Investoren.

Gründer Michael Riegel hat mehrere Jahre in den USA gearbeitet, reiste viel und buchte seine Reisen über die großen Anbieter für Geschäftsreisen: „Und die nehmen bekanntlich ziemlich viel Gebühren für ihre Leistungen“, sagt der 29-Jährige heute. Mehr noch: Riegel hat beobachtet, wie viel Zeit das Buchen in Anspruch nahm, und wie unübersichtlich es für seinen Arbeitgeber wurde, nachzuvollziehen, welcher Mitarbeiter wie viel für welche Reise wohin ausgegeben hatte.

2015 tat sich Riegel mit den Computerwissenschaftlern Marko Schilde und Slobodan Utvic, sowie dem Betriebswirt Jannik Neumann zusammen und gründete Comtravo. Die Idee: Zum Beispiel jene Frau Müller schreibt eine E-Mail mit den Anforderungen für ihre Reise, die Maschine erkennt ihre Wünsche mittels einer Texterkennung, schickt eine Auswahl, bucht und bezahlt das Gewählte.

Der Arbeitgeber erhält am Ende eine Rechnung mit all den Reisen, die Frau Müller und ihre Kollegen im Laufe des Monats über Comtravo gebucht haben. Mehr noch: Die Maschine merkt sich die spezifischen Anforderungen des Buchenden. „Dadurch entfallen die vielen Schleifen, die man normalerweise braucht, um eine Geschäftsreise zu buchen“, sagt Riegel. Es gibt keine langjährigen Verträge, keine Grundgebühr oder Zuschläge: „Je nach Volumen bezahlt das Unternehmen lediglich eine Gebühr zwischen neun und 15 Euro“, erklärt Riegel. Durch die Sammelaufstellung entfalle zudem das lästige Suchen und Anfordern von Einzelbelegen, mit denen sich Buchhaltungen täglich herumquälen müssten.

Doch nicht alles kann die Software allein – bei Comtravo wachen auch Menschen darüber, dass bei den Geschäftsreisen alles glatt läuft: „Wir nennen unsere Lösungen einen Mensch-Maschinen-Hybrid“, erklärt Riegel. Etwa 30 Prozent der Anfragen erkenne die Software mittlerweile selbst und könne die Anfragen autonom bearbeiten. Bei etwa 40 Prozent der Anfragen schaue noch einmal ein Mitarbeiter drüber und gebe dann immer Feedback an die Maschine, die daraus lerne.

Kompliziertere Aufgaben oder etwa Serviceanfragen erfülle dann aber noch der menschliche Mitarbeiter – das mache 25 Prozent aller Anfragen aus. Acht Werkstudenten arbeiteten zudem daran mithilfe von Referenzdatensätzen daran den Algorithmus der Software immer weiter zu verbessern.

Rund 200 Unternehmen nutzen den Dienst bereits, der Großteil kommt aus dem deutschen Mittelstand, darunter zum Beispiel das Familienunternehmen Viessmann oder der Lebensmittellieferdienst Hello Fresh. Zahlen will Riegel nicht nennen, der Umsatz bewege sich im guten zweistelligen Millionenbereich: „Bei unseren Kernoperationen sind wir profitabel, allerdings investieren wir sehr viel in die Weiterentwicklung, weshalb aktuell Breakeven noch nicht unser Ziel ist.“

Helfen will dabei jetzt unter anderem der deutsche Risikokapitalgeber Project A aus Berlin – dort glaubt man an das Potenzial des Start-ups: „Die großen Anbieter von Geschäftsreisenbuchungen sind technologisch nicht mit der Zeit gegangen – die Branche hat ein gewaltiges Disruptionspotenzial“, glaubt Anton Waitz, Partner bei Project A.

Gegen Comtravo wirkten die wie rostige Riesenschiffe: „Wir glauben, dass der Markt auf so eine Lösung gewartet hat.“ Project A verwaltet rund 260 Millionen Euro – 140 Millionen davon stecken in einem aktiven Venture Fonds, in den auch Unternehmen wie Haniel, Otto oder Oetker investiert haben. 8,5 Millionen Euro davon landen jetzt bei Comtravo: „Damit wollen wir sowohl die internationale Expansion vorantreiben, als auch unsere Technologie weiter entwickeln“, sagt Gründer Riegel. So wäre in naher Zukunft auch der Einsatz von Spracherkennung denkbar.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%