In den Feuilletons deutscher Zeitungen wird Angst und Schrecken verbreitet: Google, Amazon, Facebook, Uber und andere – amerikanische – Internetfirmen verändern etablierte Wertschöpfungsketten in fundamentaler Weise. Etablierte Anbieter verfallen in Schockstarre oder Panik. „Das Internet zerstört unser Leben!“, titelte die Hamburger Morgenpost vor einigen Tagen, und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel sieht die marktwirtschaftliche Ordnung zur Disposition gestellt.
Warum aber sollen die Menschen eigentlich genau Angst vor Google haben? Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender von Axel Springer SE, hat Angst „vor der wachsenden Fremdbestimmung durch diese eine allesbestimmende Spinne im Netz“ und die „immer vollständigere Kontrolle durch Google“. Diese Sorge ist weitgehend unbegründet. Sie zeugt von einem Bild eines ziemlich unmündigen Bürgers, der kaum weiß, was er tut und sich beliebig steuern und bevormunden lässt.
Die Marktposition ist fragil
Dies mag vielleicht die Sicht mancher Boulevardmedien reflektieren, dürfte aber kaum die Realität des Internets widerspiegeln. Google hat zwar in der Tat sehr viele – für die Nutzer meist unentgeltliche – Angebote, die von sehr vielen Leuten gern genutzt werden. Entsprechend hoch sind die Marktanteile. Gleichwohl ist die Marktposition fragil – ist die Qualität eines Dienstes nicht überzeugend, sind die Nutzer auch schnell wieder weg oder kommen erst gar nicht. Google+ und Google Checkout sind zwei prominente Beispiele.
Nicht unproblematisch sind jedoch in der Tat die Anreize von Google (wie übrigens auch von Bing und Yahoo!), zumindest marginal die Suchergebnisse zugunsten konzerninterner Dienste wie Youtube zu verzerren. Sie wie ein Gebrauchtwagenhändler Anreize hat, seinen Informationsvorsprung zu nutzen, haben das auch Suchmaschinen, die auch eigene Inhalte anbieten, ganz unabhängig von ihrer Größe. Dieser sog. „Search Bias“ ist auch Kern des Kartellrechtsverfahrens durch die Europäische Kommission. Gleichwohl sei einmal angemerkt, dass mir persönlich Google weniger zu verzerrten Darstellungen zu neigen scheint als etwa die BILD-Zeitung. Es entbehrt daher nicht einer gewissen Ironie, dass ausgerechnet Vertreter des Springer-Verlags sich so über den angeblichen „Search Bias“ bei Google beschweren.
Womöglich wissen einige Nutzer auch nicht, dass sie mit ihren Daten und ihrer Aufmerksamkeit für die Dienste indirekt zahlen. Hier kann mehr Transparenz darüber helfen – eine etwaige Entflechtung oder die Offenlegung oder Regulierung des Suchalgorithmus lösen dieses Problem jedoch nicht.
Das Problem der Verlage und Alten
Angst haben eigentlich auch weniger die deutschen Internetnutzer als vielmehr die Verlage um ihr bisheriges Geschäftsmodell. Mathias Döpfner sagt es auch ganz deutlich: Er hat Angst vor der Gratis-Kultur im Internet.
Das Informationsverhalten der Menschen ändert sich nämlich deutlich. Während in der Vergangenheit die Tageszeitung eine wesentliche Informationsquelle war, informieren sich viele Menschen heute zunehmend im Internet. Dort aber ist der Wettbewerb wesentlich intensiver als in den vielen Ein-Zeitungs-Kreisen in Deutschland oder beim fast monopolisierten Markt für Boulevard-Zeitungen. Vor diesem Wettbewerb haben die an Monopole gewöhnten Verlage Angst.
Dass diese Angst von der Politik gerade in Deutschland so ernst genommen wird, dürfte auch daran liegen, dass Deutschland ein sehr altes Land ist. Und die Wählerschaft ist noch älter (da Kinder und Jugendliche ja nicht wählen dürfen). Das Medianalter der Deutschen ist fast 45 Jahre, das der Medianwähler liegt logischerweise noch darüber: Bei der letzten Bundestagswahl war mehr als die Hälfte der Wähler über 53 Jahre alt, wobei die Medianwähler von CDU und SPD – also der Großen Koalition – noch einmal drei bzw. zwei Jahre älter waren. Die Alten aber nutzen noch intensiv Tageszeitungen und deutlich weniger das Internet. Es ist politökonomisch daher verständlich, dass die Politik der Presse zur Seite springt, da Zeitungen immer noch ein für viele Wähler maßgebliches Informationsmedium sind. Sachlich gerechtfertigt ist es aber kaum.