Die bestehende Planung hat sich bereits ohne die Cyber-Herausforderungen als überholt und ineffizient erwiesen. Nun kommt also das Thema Cyber hinzu. Will man hier keine bösen Überraschungen im Einsatz erleben, müsste man die laufenden Rüstungsplanungen, natürlich auch die im Dienst befindlichen Rüstungsgüter, dringend auf ihre Cyberverwundbarkeit prüfen und entsprechend anpassen. Da dies absehbar teuer wird und zudem die bestehende Planung weiter kompliziert, vermied man bislang selbstkritische Analysen und stellt sich dieser Aufgabe erst in der Zukunft.
Nun ventiliert man derzeit die Überlegung, den Problemen der Gegenwart durch eine beschleunigte Beschaffung von IT nach dem Grundsatz - IT schneller als Rüstung - zu enteilen. Es ist sicherlich gut gemeint, dass IT-Beschaffung nicht hinter den Innovationszyklen in der Computerindustrie hinterherhechelt. Und zugleich ist es realitätsfremd. IT ist Bestandteil von Rüstung. Zunehmend prägt sie erst die Wirksamkeit hochkomplexer Waffensysteme. IT muss insbesondere auch der einsatzbezogenen Nutzung von Rüstungsgütern dienen.
Wenn der IT-Bereich mit der sogenannten 2-speed-IT eine zusätzliche Überholspur erhält, wird ein Fokus auf die weiße IT erkennbar, die sich um die Bürokommunikation bis hin zum Druck von Broschüren dreht. Das ist die Welt, aus der von außerhalb der Bundeswehr hinzugezogene IT-Experten kommen und in der sich diese zu Hause fühlen. Der Bund stellt aber keine Streitkräfte auf, damit deren Bürokommunikation funktioniert. Wenn die weiße IT die den Einsatz prägende grüne IT überholt, sind die Streitkräfte in Gefahr. Ein einziger Eurofighter fliegt beispielsweise mit hundert Kilometer Kabel an Bord, damit seine 80 Computer das Fliegen und Feuern beherrschen.
Bereits seit langem liefert die Beschaffung nicht, was sie verspricht. Hierfür gibt es viele Gründe. Eine Ursache ist seit Jahrzehnten bekannt: die in Streitkräfte und Bundeswehrverwaltung gespaltene Aufgabenwahrnehmung der Bundeswehr.
Es war ein gut gemeinter, aber dennoch struktureller Webfehler bei der Aufstellung der deutschen Streitkräfte, deren Aufgaben grundgesetzlich zu veruneinheitlichen durch die Teilung in Grundgesetz (GG) Art. 87a („Der Bund stellt Streitkräfte zur Verteidigung auf“) und in GG Art. 87b („Die Bundeswehrverwaltung wird in bundeseigener Verwaltung mit eigenem Verwaltungsunterbau geführt.“). Die durch GG Art. 87a adressierten Streitkräfte erhalten als sogenannte Bedarfsträger von durch Art. 87b adressierten Mitarbeitern der Bundeswehrverwaltung allzu oft Rüstungsgüter, die wesentlich zu spät ausgeliefert werden und zudem auch nicht den Ansprüchen der Truppe im Einsatz genügen. Der Lufttransporter A400M liefert als aktuelles Beispiel immer neue Belege hierfür.
Seit 25 Jahren hat es sich eingebürgert, dass erforderliche Investitionen durch vermiedene Ausgaben erwirtschaftet werden sollen. Zugleich fressen hohe Personal-kosten Löcher in Betrieb und Ausrüstungsbedarf. Und natürlich leidet auch die Aus-bildung unter dem Geldmangel. Die seit Jahrzehnten mangelhafte finanzielle Unter-legung von Reformen und Innovation hat nicht nur die Substanz der Bundeswehr entkernt, sondern untergräbt zugleich erfolgreichen, rechtzeitigen Wandel.
Das Thema Personal ist ein problematisches Feld. Bislang fehlt der Bundeswehr das hoch qualifizierte Personal, das für den Betrieb und insbesondere für das Erkennen und letztendlich die Abwehr von Cyberangriffen zuständig ist. Insbesondere sind die komplexen Waffensysteme zu schützen und auf aktuellem Stand zu halten. Das ist aufgrund der hohen Innovationszyklen der Informationstechnologie eine große Herausforderung. Demgegenüber verlassen seit Jahrzehnten hochqualifizierte IT-Experten die Bundeswehr in Scharen, weil deren Expertise insbesondere in den ersten Dienstjahren nach deren Studienabschluss ignoriert wird und bei fachfremden Tätigkeiten zu verkümmern droht.
Die bisherigen Karriere- und Qualifikationsmodelle lassen eine Förderung der IT-Expertise bislang nur unzureichend zu. Auf der anderen Seite ignoriert man den Bedarf von IT-Kompetenz in operativen Schlüsselverwendungen und schiebt befähigte Allrounder unter dem Hinweis auf nicht besetzte Dienstposten gerne in berufliche IT-Sackgassen. Damit fehlt dann wiederum die adäquate IT-Kompetenz im Umfeld der militärischen und politischen Spitzenentscheider.