Der Kampf gegen Produktpiraterie Wie sich Unternehmen wirkungsvoll schützen

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Gebrauchsmustergesetz

Die Beschlagnahme von Waren auf Grundlage eines Antrags nach nationalen Rechtsvorschriften richtet sich nach deutschen Normen wie dem Markengesetz oder dem Gebrauchsmustergesetz. Rechtsgrundlage für ein Tätigwerden der Zollbehörden auf Basis eines Unionsantrags ist die europäische Verordnung (EU) Nr. 608/2013, die am 1. Januar 2014 in Kraft getreten ist. Ermitteln die Zollbehörden auf Grundlage eines bewilligten Unionsantrags Waren, die im Verdacht stehen, ein Recht des geistigen Eigentums zu verletzen, so halten sie diese Warensendung auf. Im Sprachgebrauch des Zolls wird dies als Aussetzung der Überlassung bzw. Zurückhaltung von Waren bezeichnet. Werden potentiell rechtsverletzende Waren aufgegriffen, so werden diese durch die Zollbehörden vernichtet, sofern hiergegen nicht binnen zehn Arbeitstagen beziehungsweise im Falle verderblicher Waren binnen drei Arbeitstagen Widerspruch eingelegt wird. Die Zollbehörde übermittelt dem Rechteinhaber zudem Name und Anschrift des Empfängers sowie des Versenders und ermöglicht es somit, Rechtsverletzer zu identifizieren und weitere rechtliche Schritte einzuleiten. Wird der Vernichtung hingegen fristgerecht widersprochen, so muss der Rechteinhaber noch innerhalb der 10-Tages-Frist ein zivilgerichtliches Verfahren zur Feststellung der Rechtsverletzung einleiten und dies der Zollbehörde gegenüber nachweisen. In Deutschland eignet sich hierzu im ersten Schritt das schnelle und kostengünstige einstweilige Verfügungsverfahren.

Die skrupellosesten Fälschungen des Jahres
LED-Taschenlampe Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Porzellan-Engel Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Küchenschneidegeräte Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Käsereibe und Küchenmesser Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Spiralschneider „SPIRELLI“ Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Polstermöbelsystem „Conseta“ Quelle: Aktion Plagiarius e.V.
Parfums „Jean Paul Gaultier Classique“ und „Jean Paul Gaultier Le Male“ Quelle: Aktion Plagiarius e.V.

Da für den Rechteinhaber außer günstigen Lager- und Vernichtungsgebühren auf Seiten der Behörden kaum Kosten anfallen und die anwaltliche Praxis zeigt, dass die Zollbehörden im Kampf gegen Produkt- und Markenpiraterie sehr engagiert und pragmatisch tätig werden, lassen sich im Wege der Grenzbeschlagnahmen eine große Zahl von Plagiaten bereits an den EU-Außengrenzen aus dem Verkehr ziehen.

2. Einbauen von Identifizierungsmerkmalen

Die Notwendigkeit Sicherheitsmerkmale in Originalprodukte einzubauen, die eine Identifizierung von Originalprodukten ermöglichen, wurde bereits angesprochen. Möglichst fälschungssichere Identifizierungsmerkmale schaffen einerseits Vertrauen bei Kunden und sind andererseits schon im Hinblick darauf sinnvoll, Zollbehörden im Rahmen der oben erläuterten Grenzbeschlagnahmeanträge Erkennungshinweise an die Hand zu geben, anhand derer sie Originale von Fälschungen unterscheiden können. Zudem erleichtern solche Identifizierungsmerkmale die Beweisführung, sollte der Originalhersteller gerichtlich auf Schadensersatz in Anspruch genommen werden, weil vermeintlich eines "seiner" Produkte einen Personen- oder Sachschaden herbeigeführt hat.

3. Aufspüren von Produktfälschungen auf Messen

Zu einem wirkungsvollen Sicherheitskonzept gehört auch eine umfassende Marktbeobachtung, sei es durch den Originalhersteller selbst oder durch externe Dienstleister. Eine besonders kondensierte Form der Marktbeobachtung ermöglichen Fachmessen, auf denen häufig Plagiate ausgestellt werden. Daher ist eine Überwachung von branchenspezifischen Fachmessen in der Europäischen Union, aber auch in China selbst, ratsam.

Fachmessen in Deutschland lassen sich besonders effektiv dazu nutzen, nach Produktfälschungen Ausschau zu halten und hiergegen unmittelbar vorzugehen. Ein solcher Messerundgang muss, um effektiv genutzt werden zu können, jedoch sorgsam vorbereitet werden, wofür es bereits im Vorfeld einer engen Zusammenarbeit mit dem Zoll und einem fachkundigen Rechtsanwalt bedarf. Von Seiten des Zoll werden meist eigens Sondereinsatzgruppen abgestellt, die rechtsverletzende Waren gleich auf dem Messestand beschlagnahmen können (sog. Darmstädter Modell). Zum Tätigwerden des Zolls bedarf es aber meist eines Hinweises des Rechteinhabers, sinnvoll ist in diesem Zusammenhang das Stellen eines Strafantrags.

Herkunftsländer von Plagiaten in Europa

Auch die Messeleitung selbst leistet durch die Zurverfügungstellung von Räumlichkeiten organisatorische Schützenhilfe. Die Koelnmesse etwa hat kürzlich sogar eine Kampagne "No Copy! - Pro Original" ins Leben gerufen, um Rechteinhaber bei der Rechtsdurchsetzung zu unterstützen. Neben organisatorischen Vorbereitungen müssen Unterlagen und Rechtsnachweise soweit vorbereitet werden, dass vor Ort Abmahnungen gegen Rechtsverletzer gefertigt und diese zur Abgabe einer Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung aufgefordert werden können. Zweckmäßig kann es bei ausländischen Rechtsverletzern sein, bereits entsprechende Übersetzungen vorzubereiten oder Dolmetscher auf den Messerundgang mitzunehmen, um Verständnisschwierigkeiten aus dem Weg zu gehen. Weigert sich der Rechtsverletzer eine Unterlassungserklärung abzugeben, sollte umgehend eine gerichtliche einstweilige Verfügung erwirkt werden.

Als besonderen Service bieten die am Messeort zuständigen Gerichte häufig Bereitschaftsdienste an, um auch noch am Messewochenende kurzfristig eine einstweilige Verfügung erwirken zu können. Der meist ohne mündliche Verhandlung und ohne Anhörung des Gegners erlassene Gerichtsbeschluss kann dem Rechtsverletzer sodann auf dem Messestand zugestellt werden. Allerdings muss sich der Rechteinhaber sicher sein, dass das ausgestellte Produkt tatsächlich seine Rechte verletzt. Sollte sich die einstweilige Verfügung im Nachhinein als unberechtigt erweisen, hat der vermeintliche Plagiator Anspruch auf Schadensersatz. 

Ein Anspruch auf Räumen des Messestandes und Ausschluss von der Messe kann sich im Übrigen auch aus den allgemeinen Geschäftsbedingungen des Messeveranstalters ergeben, denn die Messe-AGB enthalten häufig ein Verbot des Ausstellens von rechtsverletzenden Waren und sehen Sanktionen bei Verstößen vor. Auf diese Regelungen kann sich der Rechteinhaber wegen ihres drittschützenden Charakters regelmäßig berufen, jedenfalls aber ein Tätigwerden der Messeleitung anregen.

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