Deutsche Firmen in China Zensiert, abgeschottet und überwacht

In keinem Land der Erde gibt es so wenig Freiheit im Internet wie in China. Die „Große Firewall“ schottet nicht nur einfache Nutzer vom Rest der Welt ab – sondern wird auch zunehmend zur Hürde für deutsche Unternehmen.

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Sundar Pichai Quelle: Reuters

Wuzhen Die Top-Manager von Google, Facebook, Apple und Cisco sind zur Welt-Internet-Konferenz nach China gepilgert. Mit ihrer Anwesenheit schmücken die globalen Internet-Größen die Propagandashow der kommunistischen Führung, die mit der Konferenz ihre Version eines zensierten, reglementierten Internets propagiert. Nie zuvor war so viel Prominenz vertreten. Aber Google-Chef Sundar Pichai musste sich in einer Diskussionsrunde schon auf die Zunge beißen. Kein Wort von ihm, dass Chinas Zensur alle Dienste seines Konzerns blockt. Eine einfache Google-Suche, Mail, Maps – alles ist in China gesperrt.

Genauso macht die „Große Firewall“ soziale Netzwerke wie Facebook oder Twitter für die 750 Millionen chinesischen Nutzer unzugänglich. Doch selbst Facebook-Vizepräsident Vaughan Smith ist zu dem Treffen in den Touristenort Wuzhen in der Provinz Zhejiang gereist. Auch Apple-Chef Tim Cook spielt mit. Obwohl er gerade Kritik einstecken musste, weil er auf chinesische Anweisung hin Tunnelsoftware zur Umgehung der Internetsperren und selbst Skype aus dem chinesischen App-Store herausgeschmissen hat, rühmt er die Kooperation mit China und spricht von einer „gemeinsamen Zukunft in der Cyberwelt“.

Es ist ein weiterer Beweis, wie wichtig China für den iPhone-Konzern geworden ist. Denn nach den USA ist das Land der zweitgrößte Markt für Apple – ein Viertel des Gewinns kommt aus dem Reich der Mitte. Ganz so freiwillig war die Teilnahme an der Konferenz aber nicht: „Die Chinesen haben schwer Druck gemacht, dass die Amerikaner kommen“, berichtet ein Diplomat. Denn die dreitägige Konferenz, die von der staatlichen Cyberverwaltung, den obersten Internetwächtern Chinas, veranstaltet wird, leidet auch im vierten Jahr weiter an Attraktivität. Leere Zuschauerreihen werden mit Studenten aufgefüllt.

So widersprüchlich wie seine Rolle als internationaler Internet-Star und parallel Diener seiner kommunistischen Herren äußerte sich Alibaba-Chef Jack Ma. Erst zieht er gegen „Fake News“ ins Feld, plädiert für „unabhängigen, professionellen Journalismus“, um dann im nächsten Satz für ein reglementiertes Internet zu werben. Ein Netz, das von gehorsamen Untertanen und Konsumenten genutzt wird. „Es ist der richtige Zeitpunkt, um eine saubere, eine positive Cyberwelt zu bauen.“ Es klingt fast wie eine Drohung, wenn Jack Ma sagt: „Alles was du in der Cyberwelt tust, hinterlässt eine Spur.“

Was der Alibaba-Chef aber eben als Chance sieht, ist für andere eine große Gefahr. Keiner sammelt so viele Daten über seine Nutzer wie Chinas Tech-Giganten Alibaba und Tencent, keiner gibt sie auch so leicht an die Obrigkeit weiter, wie Kritiker warnen. Und in keinem anderen Land der Erde wird die Internetfreiheit so mit Füßen getreten wie in China. Drei Jahre in Folge hält das Reich der Mitte schon diesen unrühmlichen Spitzenplatz in der jährlichen Studie der amerikanischen Denkfabrik Freedom House, die sich weltweit für Demokratie einsetzt.

Der Druck auf die größte Internetgemeinde der Welt in China wächst noch. Nicht selten gebe es Haftstrafen, die von fünf Tagen bis zu elf Jahren reichten, heißt es in dem Jahresbericht von Freedom House. Nicht mehr vor allem Bürgerrechtler oder Angehörige von Minderheiten oder Religionsgruppen stünden im Fadenkreuz der Internetwächter, sondern auch einfache Nutzer bekämen das repressive Regime zunehmend zu spüren, heißt es darin weiter. Die Vorwürfe lauteten auf Subversion, Separatismus, Terrorismus, Verunglimpfung oder schlicht „Ärger provozieren“, was allein schon für längere Haft ausreicht.


Zensur wird immer schärfer

Die Internetkontrolle ist aber nicht nur ein Problem für Kritiker, sondern auch eine immer größere Hürde für Unternehmen. Die Sperren und die langsame Internetgeschwindigkeit nennen zwei von drei deutschen Firmen in China heute als Problem für ihre China-Geschäfte, wie die jüngste Umfrage der Auslandshandelskammer (AHK) zum Geschäftsklima ergab. Vor einem Jahr war es erst jedes zweite Unternehmen. Erstmals gehören die Probleme mit dem Internet zu den fünf größten Sorgen deutscher Firmen in China.

Die Zensur wird immer schärfer. Von 1000 führenden Webseiten der Welt, die Amazons Alexa auflistet, sind in China 171 unzugänglich. Mitte des Vorjahres waren es erst 138. „Zensurentscheidungen sind willkürlich, undurchsichtig und widersprüchlich, zum Teil weil so viele Individuen und Prozesse involviert sind“, stellt Freedom House fest. Ein Heer von Zensoren überwacht das Internet, löscht oder blockt als politisch heikel empfundene Informationen und Posts. Ein nicht genanntes chinesisches Internet-Unternehmen schätzte den Aufwand dafür allein auf 20 bis 30 Prozent seiner Arbeitskosten.

Das chinesische Konzept der „Cyber-Souveränität“ einer Nation über das Internet, das Staats- und Parteichef Xi Jinping in einer Grußbotschaft an die Konferenz bekräftigte, wird längst aktiv in der Gesetzgebung eingeführt. Das neue „Cyber-Sicherheitsgesetz“, das im Juni in Kraft trat, stößt international auf Sorge. Wie es umgesetzt wird, ist weiter unklar. Ausländische Unternehmen wissen nicht, welche Daten sie auf Servern in China lokalisieren oder ob sie ihre Verschlüsselungscodes aushändigen müssen.

Auch der jetzt vorliegende Entwurf der Ausführungsbestimmungen für den „grenzüberschreitenden Datentransfer“ lässt Alarmglocken läuten. „Damit müssten fast alle Datentransfers ins Ausland einem zeitraubenden, bürokratischen Sicherheitsverfahren unterzogen werden“, sagt ein Diplomat. „Wie passt das zur geschäftlichen Wirklichkeit, in der Daten in Echtzeit übertragen werden müssen?“

Der Entwurf bestätigt die Befürchtung von Unternehmen, „dass damit auch Geschäftsgeheimnisse abgezapft werden können“. Die Definition sicherheitsrelevanter Daten sei derart weit gefasst, dass „eigentlich alle Daten“ erfasst wären. „Für viele Beobachter liegt die Vermutung nahe, dass chinesische Behörden damit auch industriepolitische Ziele verfolgen“, sagt der Diplomat.

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