John Legere gehört zu den wenigen Topmanagern, die aus einem öffentlichen Auftritt eine echte Show-Veranstaltung machen können. In wenigen Sekunden verbreitete sich Anfang vergangener Woche die Nachricht durch die sozialen Netzwerke, dass der Chef der amerikanischen Telekom-Tochter T-Mobile während Consumer-Electronic-Messe CES in Las Vegas spätabends auf einer Party des Konkurrenten AT&T gesichtet wurde. Wenige Minuten später setzten ihn Wachleute vor die Tür – und der T-Mobile-Chef, der meist ein magenta-farbenes T-Shirt trägt und mit seinen langen schwarzen Haaren eher wie ein Popstar aussieht, hatte mit seiner Provokation sein Ziel erreicht.
Die ganze Welt spricht seitdem über den Preiskampf, den Legere gerade anzettelt und der den amerikanischen Mobilfunkmarkt so kräftig wie schon lange nicht mehr durcheinanderwirbelt. Allein im gerade abgeschlossenen Weihnachtsquartal wechselten 1,6 Millionen Neukunden zu T-Mobile, so viele wie seit acht Jahren nicht mehr. Und neue Lockangebote sollen dafür sorgen, es in den nächsten Quartalen noch mehr werden. „Wir sind der am schnellsten wachsende landesweite Mobilfunkbetreiber“, verkündet Legere stolz. Und das soll auch so bleiben. Mit der Ankündigung, jedem Netzwechsler künftig auch noch die fälligen Strafgebühren bis zu einer Höhe von 350 US-Dollar bei einer vorzeitigen Vertragskündigung zu erstatten, will Legere noch stärker in den Kundenbeständen der großen Konkurrenten AT&T, Verizon und Sprint wildern.
Die letzten Tage bei der Telekom: Rene Obermann geht
Knapp 9000 Kilometer entfernt, im Foyer der Bonner Zentrale der Deutschen Telekom, tritt einen Tag später der neue Vorstandsvorsitzende Timotheus Höttges auf die Bühne und erläutert in einer Grundsatzrede, welche strategischen Schwerpunkte er in den nächsten fünf Jahren setzen will. 60 Minuten redet der neue Mann auf der Kommandobrücke zu den rund 2000 anwesenden Mitarbeitern, fast alle Erfolge und Probleme spricht Höttges in seinem Parforce-Ritt durch den Konzern an.
Nur das völlig überraschende Comeback von T-Mobile in den USA erwähnt er nur beiläufig ganz am Rande. Den hier versammelten Mitarbeitern ist seit dem gescheiterten Verkauf von T-Mobile an AT&T vor zwei Jahren klar, dass der Abschied aus den USA nur noch eine Frage der Zeit ist. Sobald ein neuer Interessent ein lukratives Übernahmeangebot vorlegt und auch die Bedenken der Wettbewerbshüter ausräumt, zieht der neue Vorstandschef einen dicken Schlussstrich unter das Kapitel USA. Bis dahin genießt Legere alle Freiheiten. Ein rasant wachsender Mobilfunkbetreiber lässt sich schließlich teurer verkaufen als einer mit Kundenschwund. Da lässt sich leicht verkraften, wenn die operativen Kosten aufgrund der teuren Kundenakquise plötzlich steigen.
Abschied von der Vision des Global Players
Die Deutsche Telekom nimmt Abschied von der Vision des Global Players und konzentriert sich ganz auf den alten Kontinent. Mehrfach hebt Höttges in seiner Antrittsrede hervor, dass sein Fokus ausschließlich auf Europa gerichtet ist. „Unser gemeinsames Ziel muss es sein, der führende europäische Telekommunikationskonzern zu werden“, schwört der Nachfolger von René Obermann seine Mannschaft ein. Das Versprechen lässt sich nur einlösen, wenn Umsatz, Gewinn und Börsenwert gleichermaßen steigen. Schon heute ist die Deutsche Telekom in 14 europäischen Ländern präsent, doch mit dem vorhandenen Beteiligungsportfolio ist Höttges längst nicht zufrieden. Ihm schwebt der Bau eines integrierten Telekommunikationskonzerns vor, der im Festnetz und Mobilfunk die beste und schnellste Infrastruktur kontrolliert und nicht nur Privatkunden, sondern auch verstärkt auch Geschäftskunden die besten Internetzugänge bieten kann. „Dafür müssen wir uns neu aufstellen“, kündigt Höttges an. „Der Kunde interessiert sich überhaupt nicht dafür, ob ein Signal aus dem Mobilfunk, aus dem Festnetz oder aus dem Hotspot bekommt. Der Kunde will überall den schnellsten Zugang haben. Deshalb müssen wir die Netze integrieren. Dann haben wir einen Riesenvorteil gegenüber reinen Mobilfunkbetreibern und den TV-Kabelnetzbetreibern.“
In welchen Ländern die Deutsche Telekom ein pan-europäisches Netz aus Mobilfunk, Festnetz und Hotspots ausrollt, dass soll sich noch in diesem Jahr entscheiden. In einigen Ländern wie Deutschland, Ungarn, der Slowakei und Griechenland ist die Telekom mit Mehrheitsbeteiligungen an ausländischen Ex-Monopolisten bereits integriert aufgestellt. Andere Länder wie Großbritannien, die Niederlande oder Österreich, wo die Telekom nur Mobilfunk-Töchter besitzt, stehen dagegen auf dem Prüfstand. „Wir müssen unsere Beteiligungsstruktur an dieses Geschäftsmodell anpassen und ausbauen“, kündigt Höttges an. „Das heißt übrigens nicht verkaufen, wo wir nicht integriert sind. Das ist nur die ultima ratio. Wir wollen uns Schritt für Schritt verstärken in unseren Ländern, um ein paneuropäisches Netz aufzubauen.“
Wie wichtig das Projekt für den neuen Konzernchef ist, zeigt sich auch an der Beförderung der maßgeblich daran beteiligten Telekom-Manager.
An den Vorstandssitzungen nimmt ab sofort auch ein neues „Executive Committee“, kurz ExCom, teil, das den Bau des pan-europäischen Netzes in all seinen Facetten koordinieren und künftig schneller mit dem Vorstand abstimmen soll. Dem neuen Gremium gehören der Chief Technology Officer Bruno Jacobfeuerborn, der Chief Innovation Officer Thomas Kiessling, der für die IT-Systeme zuständige Chief Information Officer Markus Müller, der für Zu- und Verkäufe zuständige Leiter des Bereichs Unternehmensentwicklung Thorsten Langheim sowie der für Transformation zuständige neue Büroleiter von Höttges, Raphael Kübler, an.
Der zu erwartende Milliardenerlös auf dem Verkauf von T-Mobile in den USA, so viel scheint jetzt schon festzustehen, soll zum größten Teil in den Aus- und Umbau superschneller Internet-Infrastrukturen in Europa fließen. Das hat Höttges jetzt zur Chefsache erklärt und das steht ganz oben auf seiner Agenda.