Deutsche Telekom Die Umbaupläne des neuen Konzernchefs

Abschied aus den USA, Zukäufe in Europa – der neue Vorstandschef Timotheus Höttges will die Deutsche Telekom zum stärksten europäischen Telekommunikationskonzern umbauen.

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Der neue Finanzvorstandschef, Timotheus Höttges, will die Telekom zum stärksten europäischen Telekommunikationskonzern umbauen. Quelle: dpa

John Legere gehört zu den wenigen Topmanagern, die aus einem öffentlichen Auftritt eine echte Show-Veranstaltung machen können. In wenigen Sekunden verbreitete sich Anfang vergangener Woche die Nachricht durch die sozialen Netzwerke, dass der Chef der amerikanischen Telekom-Tochter T-Mobile während Consumer-Electronic-Messe CES in Las Vegas spätabends auf einer Party des Konkurrenten AT&T gesichtet wurde. Wenige Minuten später setzten ihn Wachleute vor die Tür – und der T-Mobile-Chef, der meist ein magenta-farbenes T-Shirt trägt und mit seinen langen schwarzen Haaren eher wie ein Popstar aussieht, hatte mit seiner Provokation sein Ziel erreicht.

Stärken und Schwächen der Telekom
Schwäche1: Bereinigte Kennzahlen verzerren das BildWie fast kein anderes Unternehmen ist die Deutsche Telekom dafür bekannt, in ihren Zahlen ständig irgendwelche Sondereinflüsse auszuweisen. Berichtete und bereinigte Kennzahlen weichen regelmäßig meilenweit voneinander ab. Der Konzern hat zwar immer zahlreiche Begründungen für die Bereinigungen parat. Gleichwohl ist nicht von der Hand zu weisen, dass diese die Berichterstattung komplexer und schwerer verständlich machen. Allein im Geschäftsjahr 2011 liegen berichtetes und bereinigtes Konzernergebnis 2,3 Milliarden Euro auseinander. Aufwendungen, die der Konzern als Sondereffekte deklarierte und somit auch bereinigte, waren unter anderem Ausgaben für den Konzernumbau wie etwa Personalmaßnahmen sowie Firmenwertabschreibungen auf die Tochtergesellschaften T-Mobile in den USA und OTE in Griechenland. Quelle: AP
Als positiven Sondereffekt bereinigte die Telekom die Ausgleichszahlung, die der Konzern vom US-Konkurrenten AT&T für das Platzen des T-Mobile USA-Deals erhielt. Zunächst sind alle diese Bereinigungen verständlich. Experten kritisieren aber, dass manche Sondereffekte seit Jahren auftreten - wie etwa die Aufwendungen für den Stellenabbau. Aus Konzernkreisen heißt es dazu, dass die Sondereffekte, die den Konzernumbau betreffen, in der Zukunft abnehmen werden. Einmaleffekte aus Unternehmenstransaktionen (M&A) will die Telekom aber weiterhin bereinigen, um sich innerhalb der Branche vergleichbar zu machen. Quelle: dapd
Schwäche 2: Schuldenberg drückt auf die BilanzEin Trostpflaster gibt es für die Telekom-Aktionäre. Die US-Tochter T-Mobile ist der Bonner Konzern im vergangenen Jahr zwar nicht losgeworden. Die Ausgleichszahlung für das Platzen des Deals von AT&T in Höhe von umgerechnet 2,3 Milliarden Euro half dem Konzern aber an anderer Stelle: Die Telekom konnte ihre Nettofinanzschulden - also die Differenz aus Bruttofinanzschulden und Zahlungsmitteln - um 2,2 Milliarden Euro oder 5,1 Prozent senken. Gleichwohl bleiben die Nettofinanzschulden mit 40,1 Milliarden Euro weiterhin hoch. Im Verhältnis zum Eigenkapital machen die Nettofinanzschulden 100 Prozent aus. Zudem betragen sie das 2,1-Fache des Ergebnisses vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen. Quelle: dapd
Damit bleibt die Telekom zwar innerhalb ihres eigenen Zielkorridors. Von den Ratingagenturen wird der Konzern aber - unter anderem wegen der hohen Verschuldung - nur mit BBB+ (S&P, Fitch) beziehungsweise Baa1 (Moody's) bewertet. Damit liegt die Telekom nur drei Stufen über Ramschniveau. Ratingagenturen ziehen bei ihrer Bonitätsbeurteilung auch die Pensionsverpflichtungen hinzu. In ihrer Bilanz weist die Telekom 6,1 Milliarden Euro an Rückstellungen für die Altersversorgung ihrer Mitarbeiter aus. Ihre Nettoschulden erhöhen sich aus Sicht der Ratingagenturen entsprechend. Der geplante Verkauf der Tochter T-Mobile USA an den US-Konkurrenten AT&T für 39 Milliarden Dollar hätte die Schulden auf einen Schlag reduziert. Nun, da der Deal geplatzt ist, muss der Bonner Konzern Alternativen finden. Quelle: dpa
Schwäche 3: Das Auslandsgeschäft bleibt mühevollUm das schrumpfende Geschäft im Heimatmarkt zu kompensieren, hat die Telekom in zahlreiche Auslandsmärkte investiert - mit gemischtem Erfolg. In den USA fällt es der Telekom-Tochter T-Mobile zunehmend schwer, mit starken nationalen Konkurrenten wie Verizon und AT&T zu konkurrieren. Der geplante Verkauf der Sparte an AT&T hatte daher Begeisterung bei den Investoren ausgelöst. Seit der Deal wegen kartellrechtlicher Bedenken der US-Behörden scheiterte, warten die Aktionäre auf eine Alternative von Konzernchef René Obermann. In Griechenland ist die Telekom mit 40 Prozent an OTE beteiligt. Neben der Schuldenkrise machen dem Konzern dort vor allem die immer strengere Regulierung und die höheren Steuern zu schaffen. Quelle: dpa
Die Telekom spielt daher auch schon die Konsequenzen eines Austritts Griechenlands aus der Euro-Zone durch. Es heißt, der Konzern sei dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass die griechische Tochter OTE danach auch ohne Hilfen der deutschen Mutter überlebensfähig sei. OTE muss auch im Falle eines Währungswechsels und einer spürbaren Abwertung der Drachme die finanziellen Verpflichtungen erfüllen können. Denn noch laufen Kredite und Anleihen in Euro, der Kapitaldienst würde sich drastisch verteuern. Weil OTE mit dem Mobilfunk momentan gutes Geld verdient und sich vor allem im ersten Quartal positive Trends zeigten, könne die OTE ihre Finanzierung allein stemmen, so die Hoffnungen der Telekom. Quelle: dpa
Stärke 1: Anleger werden bei Laune gehaltenAls Wachstumswert kann die Telekom ihre Aktie den Investoren nicht verkaufen, dafür aber als Dividendenpapier. Bis einschließlich nächstes Jahr garantiert der Konzern die Ausschüttung sogar. Wie im Vorjahr sollen die Aktionäre für das abgelaufene Geschäftsjahr daher 70 Cent je Aktie erhalten. Das entspricht einer Ausschüttungssumme von drei Milliarden Euro. Bei einem Konzernüberschuss von nur 557 Millionen Euro im Jahr 2011 erscheint der Betrag zunächst riesig. Doch da das Nettoergebnis durch zahlreiche Sondereinflüsse belastet ist, misst die Telekom ihre Ausschüttungsquote lieber am Free Cash-Flow. Das sind die freien Mittel, die nach Abzug der Investitionen in Sachanlagen und immaterielle Vermögenswerte von den Zuflüssen aus dem operativen Geschäft noch übrig bleiben. Diese Relation liegt 2011 mit 43 Prozent unter dem Vorjahreswert von 59 Prozent. Quelle: dpa

Die ganze Welt spricht seitdem über den Preiskampf, den Legere gerade anzettelt und der den amerikanischen Mobilfunkmarkt so kräftig wie schon lange nicht mehr durcheinanderwirbelt.  Allein im gerade abgeschlossenen Weihnachtsquartal wechselten 1,6 Millionen Neukunden zu T-Mobile, so viele wie seit acht Jahren nicht mehr. Und neue Lockangebote sollen dafür sorgen, es in den nächsten Quartalen noch mehr werden. „Wir sind der am schnellsten wachsende landesweite Mobilfunkbetreiber“, verkündet Legere stolz. Und das soll auch so bleiben. Mit der Ankündigung, jedem Netzwechsler künftig auch noch die fälligen Strafgebühren bis zu einer Höhe von 350 US-Dollar bei einer vorzeitigen Vertragskündigung zu erstatten, will Legere noch stärker in den Kundenbeständen der großen Konkurrenten AT&T, Verizon und Sprint wildern.

Die letzten Tage bei der Telekom: Rene Obermann geht

Knapp 9000 Kilometer entfernt, im Foyer der Bonner Zentrale der Deutschen Telekom, tritt einen Tag später der neue Vorstandsvorsitzende Timotheus Höttges auf die Bühne und erläutert in einer Grundsatzrede, welche strategischen Schwerpunkte er in den nächsten fünf Jahren setzen will. 60 Minuten redet der neue Mann auf der Kommandobrücke zu den rund 2000 anwesenden Mitarbeitern, fast alle Erfolge und Probleme spricht Höttges in seinem Parforce-Ritt durch den Konzern an.

Nur das völlig überraschende Comeback von T-Mobile in den USA erwähnt er nur beiläufig ganz am Rande. Den hier versammelten Mitarbeitern ist seit dem gescheiterten Verkauf von T-Mobile an AT&T vor zwei Jahren klar, dass der Abschied aus den USA nur noch eine Frage der Zeit ist. Sobald ein neuer Interessent ein lukratives Übernahmeangebot vorlegt und auch die Bedenken der Wettbewerbshüter ausräumt, zieht der neue Vorstandschef einen dicken Schlussstrich unter das Kapitel USA. Bis dahin genießt Legere alle Freiheiten. Ein rasant wachsender Mobilfunkbetreiber lässt sich schließlich teurer verkaufen als einer mit Kundenschwund. Da lässt sich leicht verkraften, wenn die operativen Kosten aufgrund der teuren Kundenakquise plötzlich steigen.

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