Deutsche Telekom Der wundersame Wiederaufstieg der Telekom

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Neue Vectoring-Technik ist umstritten

Entsprechend aufgeschlossen steht die Bundesregierung allen Reformvorschlägen der Telekom gegenüber. Der Konzern hält drei statt der bisher vier oder fünf Mobilfunkbetreiber pro Land für absolut ausreichend? Gesagt, getan: Die Wettbewerbshüter in Brüssel erlaubten solch eine Fusion in Deutschland. Sogar bei der sehr hitzig geführten Debatte um das Aufweichen der Netzneutralität setzte sich die Telekom in Brüssel durch. Die EU-Kommission verabschiedete sich vom Grundsatz der Gleichbehandlung aller Daten im Internet und erlaubt nun erstmals Vorfahrtsregeln bei der Markteinführung von schnelleren Spezialdiensten. Das eröffnet der Telekom die Möglichkeit, für autonome Autos und lebensrettende Gesundheitsdaten Überholspuren einzurichten.

Die Auftritte auf dem Mobile World Congress zeigen: Die Deutsche Telekom will wieder Global Player werden. Doch dieses Mal ganz anders.
von Jürgen Berke

Der Schulterschluss mit dem Exmonopolisten, der sich immer noch zu 32 Prozent in Staatsbesitz befindet, geht so weit, dass die Bundesregierung – wie jüngst bei den Brüsseler Konsultationen zur nächsten Reformrunde der Telekommunikations- und Internetmärkte – die Forderungen der Telekom mitunter wörtlich übernimmt. So plädiert das Bundeswirtschaftsministerium für eine „investitionsfreundlichere Ausgestaltung der Regulierung“ – eine Forderung, die von den Telekom-Lobbyisten kommt.

Experten fordern Glasfaserkabel

Auch beim Ausbau der Infrastruktur für schnelleres Internet in Deutschland hilft die Politik der Telekom: Die Bundesnetzagentur zwingt Telekom-Konkurrenten, einen Teil ihrer Infrastruktur in den Ortsnetzen abzubauen. Die neue Vectoring-Technik der Telekom für schnelleres Internet funktioniert nämlich nur, wenn keine Konkurrenten im Telekom-Ortsnetz die Datenübertragung stören. Diese Vectoring-Technik aber ist umstritten. Nach Ansicht vieler Experten wäre es sinnvoller, die Netzinfrastruktur möglichst schnell auf Glasfaserkabel umzustellen, die deutlich schneller Daten übertragen und damit besser für die Zukunft gerüstet sind. Deutschland könnte so besser in ganz neue Wachstumsmärkte vorstoßen – und sich so von Platz 22 der Länder mit dem schnellsten Internet hocharbeiten. Allein in Deutschland wachsen die Digitalmärkte in den nächsten vier Jahren mit einem Rekordplus von 57 Prozent und damit weit schneller als in den vergangenen Jahren, prophezeit die Unternehmensberatung Arthur D. Little in einer Studie für den Verband der Internetwirtschaft (Eco).

Nur: Beim Erobern von Wachstumsmärkten tut sich die Telekom weiter schwer. Selbst bei zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern, die sie nach langen internen Diskussionen als strategisch wichtig herausgefiltert hat, erfüllt sie die eigenen Planvorgaben nicht. Den letzten Fünf-Jahres-Plan mit ambitionierten Umsatzzielen hatte der Telekom-Vorstand noch unter Obermann verabschiedet – und verfehlte die Vorgaben.

Ein Beispiel: der Zukunftsmarkt um das „vernetzte Zuhause“. Die Telekom wollte den Umsatz bis 2015 auf sieben Milliarden Euro steigern. Erreicht wurden gerade mal 6,4 Milliarden Euro.

Zweites Beispiel: „Intelligente Netzlösungen“ für Schlüsselbranchen wie Energie, Gesundheit und Auto. Der Markt sollte eine weitere Milliarde Euro in die Kasse spülen – erreicht wurde nicht mal die Hälfte. Mit dem Verkauf der Scout24-Gruppe und dem Portal T-Online verabschiedete sich Höttges auch noch vom Ziel, mit eigenen Webangeboten Umsätze in Höhe von rund zwei Milliarden Euro einzufahren. Aus den überdurchschnittlich wachsenden Internetmärkten Musik (plus 19 Prozent pro Jahr) und Spiele (plus 16 Prozent pro Jahr) zog sich die Telekom schon vor zwei Jahren ganz zurück. Und der Einstieg ins Geschäft der Onlinebezahldienste mit der Übernahme des Dienstleisters ClickandBuy floppte vollständig. Die Gesellschaft wird gerade abgewickelt.

Insbesondere die von Arthur D. Little identifizierten digitalen Spitzenmärkte mit den höchsten Zuwächsen sind die Sorgenkinder der Deutschen Telekom. So wächst der Bereich Fernsehen/Video jährlich um üppige 37 Prozent, doch die Telekom ist mit ihrem TV-Produkt Entertain und ihrer Download-Plattform Videoload nur ein Nischenspieler mit einem Marktanteil von fünf Prozent.

Ursprünglich wollte die Telekom schon 2012 die Marke von drei Millionen Entertain-Kunden überspringen. Jetzt wird die Telekom dieses Ziel erst im Laufe dieses Jahr erreichen.

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