Deutsche Telekom Der wundersame Wiederaufstieg der Telekom

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Telekom spricht vom „Wirtschaftswunder 4.0“

Mit dem Wechsel des Technologiepartners – der chinesische IT-Spezialist Huawei ersetzt den US-Softwareriesen Microsoft – startet Telekom-Deutschlandchef Niek Jan van Damme jetzt einen zweiten Anlauf. Eine komplett runderneuerte technische Plattform soll verstärkt mit ganz neuen Funktionen Kunden locken. So können die Kunden selbst bestimmen, wann sie aus dem vorgegebenen Programmschema ausbrechen und sich eine Sendung anschauen. Für „ausgewählte Angebote“ (van Damme) können sie sich dafür künftig sieben Tage Zeit lassen. Ob noch ein zweites Zugpferd hinzukommt, entscheidet sich im Juni. Hartnäckig halten sich Gerüchte, dass die Telekom auch bei der Versteigerung der Live-Übertragungsrechte der Fußballbundesliga mitbietet.

Meist lässt der Telekom-Vorstand viel zu viel Zeit verstreichen, bis er einen Boommarkt besetzt – wie der neue Geschäftsbereich Cyber Security zeigt. Von der ersten Idee bis zur Gründung der neuen Einheit vergingen zwei Jahre. Bis heute sind nicht alle Verhandlungen mit dem Betriebsrat abgeschlossen. Selbst über die Mannschaftsstärke wird noch gestritten. Mindestens 1000, vielleicht aber sogar 1200 der überall im Konzern an diversen Standorten verteilten Mitarbeiter sollen die neue Division verstärken.

Wackel-Dackel als Symbol des Kulturwandels

Der Geschäftsbereich ist so wichtig, dass einige der Experten in eine eigene Zentrale in Bonn umziehen sollen. Der ehemalige Sitz der konzerneigenen Unternehmensberatung Detecon im Stadtteil Ramersdorf, ein dreigeschossiger Rundbau, soll so umgebaut werden, dass von dort aus Hacker und andere Spezialisten Cyberangriffe abwehren.

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Um schneller die internen Widerstände zu überwinden, will Höttges nun einen neuen Führungsposten schaffen. Neben dem Technikchef, dem IT-Chef und dem Innovationschef soll künftig auch noch ein Chief Digital Officer die Transformation der Telekom ins Digitalzeitalter beschleunigen. Ursprünglich sollte der Neue, der derzeit intern und extern gesucht wird, gleich in den erweiterten Konzernvorstand, das sogenannte Executive Komitee, einziehen. Doch jetzt soll er erst einmal als Mitglied der Geschäftsführung von Telekom Deutschland starten. Seine Aufgabe ist jedenfalls klar umrissen: Er soll die „Antworten für die digitale Zukunft“ geben – wie die Telekom bereits auf dem Titel ihres neuen Geschäftsberichts ankündigt – und eine „Kultur des Widerspruchs“ etablieren. Ein magentafarbener Wackel-Dackel soll die Symbolfigur des Kulturwandels werden. „Es gibt zu viele Jasager im Konzern“, heißt es aus Höttges' Umfeld.

Traum vom Digitalisierer der deutschen Wirtschaft

Die größten Chancen auf zusätzliches Umsatzwachstum rechnet sich die Telekom mit netznahen Diensten wie dem sogenannten Cloud Computing aus. Der Trend, Software nicht mehr zu kaufen, sondern über das Web nutzungsabhängig zu mieten, ist einer der wichtigsten Wachstumstreiber der IT-Industrie. Marktforscher wie die Pierre Audoin Consultants (PAC) in München rechnen allein in Deutschland bis 2019 mit einem jährlichen Umsatzwachstum von 26 Prozent auf dann 25 Milliarden Euro. Zum Vergleich: 2015 waren es knapp zehn Milliarden Euro.

Die Telekom spricht angesichts solcher Wachstumsraten bereits vom „Wirtschaftswunder 4.0“, ist aber letztlich in einem arg zersplitterten Markt auch nur einer von vielen Spielern. Die Cloud-Umsätze der Telekom stiegen zwar im vergangenen Jahr von 1,0 auf 1,4 Milliarden Euro. Der Marktanteil liegt damit aber nur bei 14 Prozent.

Höttges’ Traum, mit der Telekom zum Digitalisierer der deutschen Wirtschaft aufzusteigen, ist alles andere als ein Selbstläufer. Vor allem bei Mittelständlern und Familienunternehmen gilt es noch Vorbehalte abzubauen, bevor sie sensible Daten externen Anbietern anvertrauen. „Ich gehe davon aus, dass die digitalen Geschäftsplattformen, die die Grundlage von Industrie 4.0 sind, eher bei Unternehmen wie Trumpf eingerichtet werden als bei großen IT-Dienstleistern wie Google oder Telekom“, sagt Trumpf-Geschäftsführer Mathias Kammüller.

T-Systems-Chef Reinhard Clemens, im Telekom-Vorstand auch für die Cloud-Geschäfte verantwortlich, ist überzeugt, dass solche Alleingänge eher die Ausnahme bleiben. Denn viele Unternehmen könnten sich den Aufbau der dafür benötigten IT-Landschaft gar nicht leisten. Das Herzstück seiner Telekom-Cloud, das im Juli 2014 eröffnete hochsichere Rechenzentrum in Biere bei Magdeburg, ist nahezu ausgebucht.

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