Dabei blockten insbesondere Google, Microsoft und Oracle die Vorschläge der Deutschen Telekom teilweise hart ab und setzten sich, das beweisen die Protokolle, partiell gegen den Bonner Konzern durch. Wie die US-Riesen den offiziellen Standpunkt der Branche hierzulande zur Ausspähung des Internets durch die NSA in ihre Richtung bogen, zeigen die Korrekturen in den verschiedenen Entwürfen des Positionspapiers.
Besonders harsch fiel das Veto der US-Anbieter aus, wenn es um die Verteidigung ihrer Geschäftsmodelle ging, die auf ungehindertem Datensammeln basieren. So erzürnte die Amerikaner ein radikaler Vorschlag der Deutschen Telekom, die im Bitkom-Präsidium eine gewichtige Rolle spielt. Wäre es nach dem Bonner Konzern gegangen, sollten laut Bitkom künftig alle E-Mails und Datenpakete beim Versand innerhalb Deutschlands nicht mehr über die großen Internet-Knotenpunkte in den USA und Großbritannien laufen, die von den dortigen Geheimdiensten observiert werden. Stattdessen plädierte die Telekom für ein „nationales Routing“ in Deutschland, wie es im Fachjargon heißt. Sprich: Daten, die in Deutschland bleiben, sollten nur über inländische Knotenrechner verteilt werden, zumal in wenigen Jahren auch der gesamte Telefonverkehr über das Internet läuft.
National Routing nur in den USA
Doch damit stieß der damalige Telekom-Chef René Obermann, wie nachzulesen ist, auf erbitterten Widerstand der US-Anbieter. „Ablehnung“, schrieben der US-Softwareriese Oracle, der US-Online-Versandhändler Amazon und das US-Online-Auktionshaus Ebay harsch zu dem Vorschlag. Die Erklärung dazu lieferte der Softwarekonzern Microsoft: „Der Bitkom sollte als Verband der gesamten IT-Branche der Tatsache Rechnung tragen, dass Server von Mitgliedsunternehmen in verschiedenen Ländern stehen.“
Zwar hielt die Deutsche Telekom dagegen, dass die Behörden in den USA bereits ein „national Routing“ vorschreiben. In den USA sei dies „geübte Praxis“. Zudem betonte die Telekom, dass in den Vereinigten Staaten der Verbleib des inneramerikanischen Internet-Verkehrs im Lande „als rechtlich verbindliche Auflage in Verträgen fixiert ist, die ausländische Investoren abschließen müssen“.
Der Vorschlag des National Routing und seine Wirkung
Die Telekom schlug vor, den Internet-Verkehr innerhalb Deutschlands nicht über ausländische, sondern nur über inländische Rechner laufen zu lassen (National Routing):
„Kommunikation innerhalb Deutschlands: kein internationales Routing.
Die nationale Telefonie und die nationale Datenkommunikation sollten ausschließlich innerhalb Deutschlands geroutet werden dürfen. Dieses Vorgehen ist in den USA geübte Praxis und zum Beispiel als rechtlich verbindliche Auflage in Verträgen fixiert, die ausländische Investoren bei einem Engagement im ITK-Bereich abschließen müssen.“
„Der Bitkom sollte als Verband der gesamten IT-Branche der Tatsache Rechnung tragen, dass Server von Mitgliedsunternehmen in verschiedenen Ländern – auch in verschiedenen Ländern der Europäischen Union – stehen. Die Forderung nach einem nationalen Routing von Daten ausschließlich in Deutschland greift tief in die Geschäftsprozesse der Mitgliedsunternehmen ein. Außerdem können wir nicht einerseits europäische Lösungen anmahnen, andererseits aber nationale Alleingänge vorantreiben.“
„Ablehnung. Wir sollten uns bewusst machen, dass ITK nicht an Ländergrenzen haltmacht. Eine solche Forderung geht an der Praxis des Geschäfts vorbei. Wir unterstützen die oben genannten Forderungen/ Änderungen im Positionspapier ausdrücklich nicht. Wir sind der Überzeugung, dass eine derartige ,nationale‘ Marktabschottung dazu führt, dass für Innovation und Wettbewerb kein Raum mehr bleibt. Genau diese waren aber in den letzten
Jahrzehnten wesentliche Erfolgsfaktoren in unserem Land.“
„Ablehnung. Eine ausschließliche Bezugnahme auf Deutschland statt der EU widerspricht nicht nur dem Gedanken eines einheitlichen europäischen Rechtsraums und der diskriminierungsfreien Tätigkeit von Unternehmen in der EU, sondern dürfte auch der EU-Gesetzgebung und internationalen Abkommen widersprechen.“
Nach Intervention der US-IT-Konzerne fand nur diese stark abgeschwächte Form des Telekom-Vorschlags Eingang in das Bitkom-Positionspapier:
„Es ist zu prüfen, welche Beiträge zu mehr Datenschutz und Datensicherheit Maßnahmen im Bereich des Routings grundsätzlich leisten können. Im Besonderen ist dabei zu untersuchen, welche entsprechenden Beiträge von einem nationalen Routing oder einem Routing im Schengen-Raum ausgehen können.“
Doch in Deutschland wollten die US-Konzerne davon nichts wissen. Gemeinsam setzten sie durch, dass die Telekom-Forderung nur in deutlich abgeschwächter Form Eingang ins Positionspapier findet. Der Bitkom soll nun „prüfen“, heißt es in der Endfassung, welche Beiträge ein „national Routing“ für mehr Datenschutz leisten könne (siehe Kurztextgalerie).
IT-Konzerne sehen sich eingeschränkt
Ebenso konsequent wetterten die IT-Konzerne mit Sitz in den USA oder Großbritannien gegen alle Vorschläge, die einen Datentransfer in Drittstaaten außerhalb der Europäischen Union unterbinden wollen und dies auch in die neue EU-Datenschutzverordnung aufnehmen wollen. Die Idee dazu stammte von der Bitkom-Geschäftsstelle in Berlin. Dagegen machte sogar Vodafone Front. „Den meisten Konzernen dürfte das einige Probleme in der konzerninternen Zusammenarbeit bereiten“, bemerkte der britische Mobilfunkriese. „Die Vodafone IT-Services Ltd. in Indien dürfte dann nicht mehr die Server im Vodafone-Rechenzentrum in Ratingen/Deutschland warten.“ Und auch der US-IT-Riese IBM sah sich zu sehr eingeschränkt. „Die Übermittlung von Daten in Drittstaaten ist Bestandteil der Geschäftsmodelle global agierender IT-Unternehmen und somit zwingende Voraussetzung für die Aufrechterhaltung bestehender und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle“, erklärte der Konzern. Ein hartes Verbot von Datentransfers in Drittstaaten fordert der Bitkom jetzt nicht mehr in seinem Papier.