Einziger Haken aus Samwers Sicht: Er hält an dem Hoffnungsträger nur einen Anteil von 38,5 Prozent und hat so nur begrenzt Einfluss; Rocket hat nicht einmal einen Sitz im Aufsichtsrat. Seit Monaten halten sich daher Gerüchte über einen Streit zwischen dem Management von Delivery Hero um Gründer Niklas Östberg und Investor Rocket über das Timing eines Börsengangs. Während Östberg gegenüber der WirtschaftsWoche einen Börsengang frühestens Anfang 2016 in Aussicht gestellt hat, würde Samwer seine aktuell wertvollste Rakete wohl noch gern in diesem Jahr zünden.
Mehr Handlungsspielraum hätte er bei Home24, wo Rocket knapp 50 Prozent hält. Mitte Mai verwandelte sich das Online-Möbelhaus bereits in eine AG. Eine neue Finanzspritze pushte den Wert dann im Juni auf knapp eine Milliarde Euro. Wie aussagekräftig derlei Bewertungen sind, zeigt indes der dritte Börsenaspirant: Hellofresh.
Die drei Samwer-Brüder
Auf rund 400 Seiten schildert Gründerszene-Chefredakteur Joel Kaczmarek in „Die Paten des Internets“ das Leben der drei Brüder Marc, Oliver und Alexander Samwer – von ihrer Kindheit über ihr erstes eigenes Unternehmen bis zum gigantischen Start-up-Schmiede „Rocket Internet“. Das Buch gewährt nicht nur vertiefende Einblicke in das gigantische Firmenimperium der Samwers, es vermittelt auch einen Eindruck in die Denkweise der ehrgeizigen Geschwister und zeigt ihre unterschiedlichen Charaktere auf.
„Die Paten des Internets. Zalando, Jamba, Groupon – wie die Samwer-Brüder das größte Internet-Imperium der Welt aufbauen" von Joel Kaczmarek, Finanzbuch Verlag, 19,99 Euro.
Zu Beginn des Samwer-Aufstiegs sucht auch Marc (* 3. Dezember 1970) häufig die Öffentlichkeit, überließ jedoch später häufig Oliver Samwer das Rampenlicht und konzentrierte sich auf seine Rolle als rechtlicher Berater und Steuerer des Samwer-Imperiums. Der erste Sohn des Kölner Rechtsanwalts Sigmar-Jürgen gilt als charismatischer und vernünftiger Gesprächspartner. Allerdings haftet dem ältesten Bruder auch der Ruf als Manipulator an.
Kaczmarek: "Marc Samwer, ein Menschenfänger mit Juristenverstand"
Studium: Rechtswissenschaften
Der mittlere Bruder (* 9. August 1973) hat schnell die Anführerrolle des Trios übernommen. Oliver organisiert und treibt die Entwicklung des Samwer-Imperiums voran.
Kaczmarek: „ Ein Mann, der sich körperlich bis an die Grenzen der Belastbarkeit tastet und einen gewissen Masochismus zeigt, wenn es darum geht, (über andere) zu triumphieren. Dem es gleichzeitig aber auch an einem moralischen Kompass oder einer für Unternehmer üblichen Wirtschaftsethik fehlt. […] Schnelligkeit und seine Auffassungsgabe heben Oliver Samwer deutlich hervor, doch es gibt eine Eigenschaft, die ihn wirklich von allen anderen absetzt – das ist diese ganz eigene Art, wie er mit Menschen umgeht und sie steuert. […] Ist es in seinem Interesse, verströmt er eine inspirierende, anregende Aura, der selbst Größen der internationalen Finanzwelt mit Leichtigkeit verfallen.“
Abitur-Note: 0,8
Studium: Betriebswirtschaftslehre
Anders als seine Brüder gilt Alexander nicht als nur vom Ehrgeiz Getriebener, sondern als analytischer Denker. Er wird als menschlich, höflich und zurückhaltend beschrieben.
Kaczmarek: „Während die Gründungen, bei denen Oliver oder Marc Samwer federführend tätig waren, oftmals auf kurzfristigen Erfolg angelegt waren, konzentrierte sich Alexander Samwer auf die anspruchsvollen Aufgaben und betreute diese mit strategischer Weitsicht.[…] Hätte es ihn nicht in die Selbstständigkeit als Internetunternehmer verschlagen, könnte er heute genauso als Vorstandsvorsitzender eines DAX-Unternehmens tätig sein.“
Abitur-Note: 0,66
Studium: Volkswirtschaftslehre
Das Unternehmen, das Zutaten für Kochrezepte nach Hause liefert, stand Anfang des Jahres noch mit einem Gesamtwert von 131 Millionen Euro in den Rocket-Büchern. Die Samwer-Truppe hielt damals 37,4 Prozent an Hellofresh. Bei einer Finanzierungsrunde Anfang Februar steuerte Rocket 100 von insgesamt 110 Millionen Euro bei und sicherte sich zusätzliche 14,3 Prozent an Hellofresh.
Damit können die Berliner bei dem Boxversender nun durchregieren. Zudem galt der von Rocket gezahlte Preis fortan als Basis für die Bewertung des gesamten Unternehmens. Das war so auf einen Schlag nicht mehr 131, sondern stolze 624 Millionen Euro wert – zumindest auf dem Papier.
Beim für Herbst geplanten Börsengang dürfte der Kochkistenversender sogar eine Bewertung von mehr als einer Milliarde Euro anpeilen. Viel Geld für ein Unternehmen, das zwar kräftig wächst, aber mit einkaufsmüden Hobbyköchen einen eher überschaubaren Kundenkreis anspricht.
Kleinteilige Märkte, spitze Zielgruppen – damit schlagen sich derzeit viele Rocket-Gründungen herum. Vor allem in der zweiten Reihe ist wenig Massentaugliches auszumachen. So dürften vor allem gestresste Gutverdiener frisch gebügelte Hemden bei ZipJet ordern, ihre Wohnungen über den Maklerservice RightHome vermieten oder via Helpling die Putzkraft organisieren.
Fehlzündungen bei Rocket Internet
Jüngst floppte bereits die Rocket-Erfindung Shopwings. Das Start-up war im Herbst 2014 angetreten, Konsumenten den Einkauf im Supermarkt abzunehmen. Allein, die preissensiblen deutschen Kunden spielten nicht recht mit. Jetzt will sich Shopwings auf andere Länder konzentrieren.
Dass ihre jüngsten Kreationen nicht unbedingt das Zeug haben, an Erfolge wie beim Modeversender Zalando anzuschließen, dürfte den Rocket-Granden kaum entgangen sein. Wohl auch deshalb setzen sie auf Zukäufe. So gehören seit Kurzem die Shopping-App Shopkin, die Fitnessstudio-Plattform Somuchmore und der Essenslieferdienst Foodora mehrheitlich zu Rocket.
Demnächst könnte die Zahl der externen Beteiligungen steigen. Wie mehrere Insider in der Start-up- und Wagniskapital-Szene berichten, sammelt Samwer offenbar bereits Geld für einen neuen Beteiligungsfonds mit einem Volumen von rund einer Milliarde Euro. Angeblicher Arbeitstitel des Finanzvehikels: Rocket Internet Growth Fund.
Schon am Rande der Start-up-Konferenz Noah Ende Juni in Berlin sprach Nenad Marovac, Manager des Londoner Investors DN Capital, Samwer auf die Fonds-Gerüchte an. Der Rocket-Chef reagierte ausweichend: Wo immer es Möglichkeiten gebe, für die Aktionäre Mehrwert zu schaffen, so Samwer, sei Rocket dabei. Auch in einer E-Mail an die WirtschaftsWoche äußert sich Samwer nicht konkret, sondern verweist nur auf einen seit Längerem bestehenden Fonds, über den Investments abgewickelt werden.
Ein Unternehmensinsider wird da deutlicher: Es gebe zurzeit „viel, viel Geld“ im Markt. „Da geht noch was.“