Die wichtigsten Fakten zur Übernahme Warum Microsoft Nokia kaufen musste

Zum Schnäppchenpreis kauft Microsoft Nokias Smartphone-Geschäft. Warum der Deal sinnvoll für den Software-Hersteller ist, welche Rolle Nokia-Chef Stephen Elop spielt und was die Übernahme für Anleger bedeutet. 

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Stephen Elop und Steve Ballmer Quelle: dpa Picture-Alliance

Dass Microsoft die Smartphone-Sparte von Nokia eines Tages übernehmen könnte, liegt schon seit Jahren in der Luft. Hätte sich der Smartphone-Hersteller nicht für den Einsatz von Windows Phone statt Symbian als Betriebssystem für die Lumia-Reihe entschieden, hätte es schon zum Zeitpunkt der Kehrtwende zu einer Übernahme kommen können. Das war zumindest der Plan B für Microsoft. Der weltgrößte Handyhersteller wollte Windows Phone vor allem mit Hilfe der Finnen an den Markt bringen. Das ist inzwischen gelungen.

Nun also auch die Übernahme. Das Geschäft soll Anfang 2014 abgeschlossen werden. Neben Nokia-Chef Stephen Elop werden weitere 32.000 Mitarbeiter zu Microsoft wechseln. Wie viele davon in Redmond bei Seattle eine Zukunft haben, ist bisher ungewiss. Die Übernahme wirft jede Menge Fragen auf. Die wichtigsten Antworten:

Warum hat Microsoft Nokia gekauft?

Microsoft kann sich mit dem Kauf der Nokia-Handysparte ganz neu am mobilen Markt positionieren. Der weltweit größte Softwarekonzern wird damit zum Smartphone-Hersteller. Anvisiert ist ein Marktanteil von 15 Prozent bis 2018, heißt es in einer Präsentation für Analysten, in der Microsoft die 5,4 Milliarden teure Übernahme erklärt. Bisher liegt der Anteil bei 3,7 Prozent.

Bereits ab dem Geschäftsjahr 2015 soll sich der Kauf positiv auf den Gewinn auswirken. Die Marge pro verkauften Smartphone erhöht sich von unter zehn US-Dollar, die Microsoft im Rahmen der aktuellen Partnerschaft mit Nokia erhält, auf über 40 Dollar – so zumindest die Prognose des Konzerns.

Der Deal ähnelt dem vor zwei Jahren verkündeten Kauf von Motorola durch Google und zeigt, dass die großen Hersteller sich im Kampf um Marktanteile neu einrichten. Denn wie insbesondere Apple mit seinem Megaseller iPhone samt Ökosystem App Store bewiesen hat, ist im Handy-Geschäft die möglichst durchgängige Kontrolle der kompletten Wertschöpfungskette – also der Hardware/den Geräten sowie der Software/des Betriebssystems – wichtig für den Erfolg.

Windows 8 im Test - Schocktherapie für Nutzer
Flotter StartZum Start ein Fisch: Windows 8 startete in unserer virtueller Testumgebung auf einem aktuellen iMac innerhalb des Virtualisierungsprogramms Virtualbox binnen Sekunden. Der Fisch zeigt übrigens an, dass es sich um die Consumer-Vorschau-Variante des kommenden Windows-Systems handelt. Schon in der Beta-Version von Windows 7 kam der Kampffisch (Gattung Betta) zum Einsatz, aus der fertigen Version wird er verschwunden sein. Quelle: Screenshot
Wischen ist angesagt!Dann werden wir von einem schicken Login-Screen begrüßt. Nun gilt es bereits, sich dem neuen Windows-Paradigma zu nähern: Wischen statt klicken! Erst nachdem der Login-Screen mittels Wisch-Geste nach oben verschoben wurde, dürfen wir uns einloggen. Damit ist eine der beiden wichtigsten Gesten eingeführt: Das Wischen zum Scrollen von Inhalten. Die zweite wichtige Geste bei Windows 8 ist das einfach antippen einer Schaltfläche - der Doppelklick hat auf der Metro-Oberfläche ausgedient. Übrigens: Wer bei der Installation dem Wunsch von Microsoft widerspricht, sich einen Microsoft-Account für Windows 8 anzulegen, landet nach dem Start direkt auf der Metro-Oberfläche ohne den Login-Screen. Quelle: Screenshot
Kacheln statt FensterUnd dann das: Bunte große Kacheln statt Fenster. Auf einen Blick wird hier deutlich, warum Microsoft-Chef Steve Ballmer Windows 8 als die bislang “riskanteste Produktwette” von Microsoft bezeichnet. Windows 8 ist der bislang größte Traditionsbruch in der Geschichte des Windows-Systems, dessen Wurzeln bis in das Jahr 1983 zurückreichen. Windows 8 hat sich von Windows Phone 7 inspirieren lassen, damit es sich genauso mittels Touch-Gesten steuern lässt wie mittels Maus auf dem PC. Anwendungen (“Apps”) und Widgets wie das aktuelle Wetter werden als Kacheln dargestellt. Für jede installierte Anwendung hängt Windows 8 eine weitere Kachel auf dem Startbildschirm an. Vorsortiert wird dabei nicht - die Sortierung übernimmt der Nutzer. Quelle: Screenshot
Anwendungen im Metro-GewandEin Klick auf die Kachel Internet Explorer und wir landen in dem Microsoft-Browser in der Metro-Variante. Bislang gibt es nur eine Handvoll mit Windows 8 ausgelieferte Microsoft-Programme, die in dem Vollbild-Metro-Modus laufen. Unter anderem von Googles Webbrowser Chrome und Mozillas Browser Firefox sind Metro-Varianten angekündigt. Ältere Windows-Software sieht dagegen auch unter Windows 8 so aus wie immer - und lässt sich damit per Touch-Bedienung nach wie vor nicht vernünftig bedienen. Anderseits ist die Bedienung der Metro-Programme mit der Maus äußerst gewöhnungsbedürftig. Nachdem wir eine Webadresse in den Browser eingegeben hatten, ist die Adressleiste plötzlich verschwunden. Erst ein Klick auf den unteren Rand des Fensters bringt sie zurück - und das erst nach einigem Ausprobieren. Alternative: ein Rechtsklick. Quelle: Screenshot
Anfängliche Verzweiflung: Wo geht’s hier raus?Und wie kommen wir nun aus dem Internet Explorer wieder raus? Ein “X” ist nirgendwo zu finden. Die altebekannte Tastenkombination Alt+F4 funktioniert auch nicht. Also schnell gegoogelt. Fazit: Wie bei einem Tablet-Konzept üblich, lassen sich die Metro-Apps gar nicht mehr so einfach beenden. Sie laufen im Hintergrund weiter und werden nur noch ausgeblendet. Und wie blendet man die App nun aus? Bei der Touchbedienung wird von rechts in den Bildschirm gewischt, um die sogenannten Charms - so nennt Microsoft das dann auftauchende Menü - herbeizuzaubern. Doch wie geht das mit der Maus? Erst ein Demonstrationsvideo von Microsoft bringt die Erkenntnis: den Cursor nach ganz unten oder ganz oben links bewegen. Damit werden die Charms rechts (siehe Screenshot) aufgerufen - und damit die Schaltfläche “Start”, um auf die Metro-Oberfläche zurückzukehren. Generell funktioniert mit der Maus vieles anders als mit der Touch-Bedienung - und manches ist auch unnötig verwirrend. Quelle: Screenshot
Zurück zum GewohntenFast wie Windows 7 sieht dagegen der klassische Desktop aus. Zu ihm gelangt der Nutzer jederzeit über den Start-Bildschirm der Metro-Oberfläche. Hier lässt sich auch wie gewohnt das Dateisystem mittels Windows Explorer durchforsten. Auch ansonsten beruhigt den eingefleischten Windows-Fan hier endlich ein gewohnter Anblick: Im unteren Bereich ist immer noch die Taskleiste, in der links die laufenden Programme und rechts Systemicons wie Lautstärkeregler, Warnungen des Wartungscenters und ein Netzwerk-Symbol angezeigt werden. Quelle: Screenshot
Einfach drauf lostippenHaben Sie beim letzten Bild etwas bemerkt? Ganz wie Windows 7 sah der Desktop doch nicht aus. Was fehlt? Genau, der mit Windows 95 eingeführte Windows-Start-Button ist ersatzlos gestrichen worden. In der ersten nur an Entwickler gerichteten Vorschau von Windows 8 war er noch vorhanden. Wie kommt der Anwender nun an seine Programme? Die Antwort ist für alte Windows-Hasen sehr ungewohnt: einfach drauf lostippen. Das funktioniert elegant und superflink - allerdings nur von der Metro-Startfläche aus, nicht vom Desktop. Wie bisher lassen sich Verknüpfungen auf Programme aber auf den Desktop oder in die Taskleiste legen. Zum Start aller anderen Anwendungen führt nun aber kein Weg am Start-Bildschirm der Metro-Oberfläche vorbei. Quelle: Screenshot

Mit dem jetzigen Schritt zieht Microsoft also mit den Marktführern im Smartphone-Geschäft Apple und Google gleich. Den Schritt zum voll integrierten (Mobilfunk-) Konzern hatte auch Sony im Frühjahr 2012 vollzogen und das Handygeschäft Sony Ericsson vom Joint-Venture-Partner Ericsson wieder ins eigene Haus eingegliedert. Der Deal war damals 1,05 Milliarden Euro schwer. Gemessen an den nicht mal zwei Prozent Marktanteil die Sony Ende 2012 noch am globalen Handygeschäft hatte, zahlt Microsoft damit für Nokias Handygeschäft pro Prozent Marktanteil fast vier Mal so viel wie Sony 2012 an Ericsson.

Welche positiven und negativen Seiten hat der Kauf für Microsoft?

Der Deal umfasst neben dem Kauf der Mobilfunksparte für 3,79 Milliarden Euro auch eine Patent-Lizensierung durch Microsoft für 1,65 Milliarden Euro. Das ist verglichen mit den zwölf Milliarden Dollar, die Google für Motorola bezahlt hat, sehr günstig – zumal das Patent-Portfolio von Nokia als viel wertvoller gilt als das von Motorola. Microsoft dürfte hoffen, mit einer Handy-Sparte unter dem eigenen Firmendach schneller agieren zu können, als dies bisher mit zwei unabhängigen Partnern möglich ist. Denn Geschwindigkeit ist gerade im äußerst hoch getakteten Smartphone-Geschäft kriegsentscheidend.

Ob sich die Beschleunigung allerdings wunschgemäß einstellt, ist zumindest fraglich. Erst Ende Juli hatte Bryan Biniak, Nokias Chef der App-Entwicklung, moniert, dass Microsoft seine Windows-Phone-8-Platform nicht zügig genug weiter entwickle.

Negativ dürfte sich der Deal aber auch dadurch auswirken, dass Microsoft die anderen Lizenznehmer von Windows Phone 8, also vor allem HTC, Samsung und LG, noch mehr verprellt als bisher. Bereits aktuell stammen vier von fünf Windows-Smartphones von Nokia. Steve Ballmer hat bereits versucht die Wogen zu glätten und angekündigt, dass auch andere Hersteller Windows-Phones bauen lassen.

Ist der Preis gerechtfertigt?

So sieht Windows 8.1 aus
Nach nur etwas mehr als sieben Monaten unterzieht Microsoft sein Betriebssystem Windows 8 einem kleinen Redesign. In Windows 8.1 kehrt auch der von vielen Nutzern schmerzlich vermisste Start-Button wieder zurück – wenn auch in einer abgespeckten Variante. Es soll zwar kein Knopf mehr sein, sondern nur noch ein Windows-Logo. Dennoch liefert er dem Nutzer die gewohnte Orientierung: Hier komme ich überall hin und finde mich wieder zurecht. Künftig kann man über die Start-Funktion die gesamte Kachel-Optik abschalten und zum gewohnten Windows-Desktop zurückkehren. Quelle: Screenshot
In einem Eintrag im Microsoft-Firmenblog hat Manager Antoine Leblond einige der Änderungen an dem Betriebssystem beschrieben. So sollen sich künftig zum Beispiel die Start-Bildschirme stärker und vor allem einfacher personalisieren lassen. Der Desktop-Hintergrund soll auch hinter den Start-Bildschirm gelegt werden können. Will der Nutzer die Kacheln der Apps neu organisieren oder deren Größe verändern, kann er jetzt mehrere Kacheln gleichzeitig bearbeiten und nicht mehr eine nach der anderen. Quelle: Screenshot
In Windows 8.1 können auch mehrere Apps gleichzeitig nebeneinander verwendet werden. Um das Multi-Tasking zu erleichtern, können die Programmfenster in ihrer Größe verändert werden. Auch hier gilt der Grundsatz, dass der Nutzer das System mehr auf seine persönlichen Vorzüge anpassen kann – wie zum Beispiel im Bild gezeigt eine Suche im Browser und die Umgebungskarte. In der linken Spalte bleibt die Übersicht über alle aktuell geöffneten Programme. Unten links können Sie übrigens den neuen alten Start-Button sehen. Quelle: Screenshot
Die SkyDrive-App bietet eine Übersicht über alle Dokumente, egal ob diese in der Cloud oder auf dem Gerät selbst gespeichert sind. Zudem sind die Cloud-Dateien auch stets offline verfügbar – zumindest auf dem Stand, als das Gerät zuletzt mit dem Internet verbunden war. Über die Cloud läuft auch der Austausch der persönlichen Einstellungen, ähnlich wie bei Apples iDevices. Sobald sich der Nutzer mit seinem Microsoft-Account anmeldet, zieht sich das Gerät automatisch Einstellungen und Apps, um den Umstieg auf ein neues Gerät einfacher zu machen. Das Update auf Windows 8.1 soll für Microsoft 8-Nutzer kostenlos sein. Quelle: Screenshot
Rückblick in den Oktober 2012: Auf dem Startbildschirm von Windows 8 liegen die Kacheln – mit einem Klick oder Fingerzeig starten die Programme. Welche gerade aktiv sind, können Nutzer sich in einer Leiste links anzeigen lassen. Quelle: Screenshot
Damit sich der Internet Explorer leichter per Touchscreen bedienen lässt, hat Microsoft die Bedienelemente deutlich vergrößert. Oben lassen sich die geöffneten Webseiten anzeigen, unten die aktuelle Adresse. Quelle: Screenshot
Große Bilder, große Überschriften: Die Apps sind extra für Touchscreens angepasst, etwa das Nachrichtenangebot Bing Sport. Quelle: Screenshot

Nokia befindet sich mitten in einer Umstrukturierungsphase. Die Finnen haben ob der vergangenen Umsatzzahlen Bescheidenheit lernen müssen. Die brachen im Frühjahr um fast ein Viertel ein. Und das nicht nur bei den High-End-Geräten sondern vor allem der Verkauf der Einfach-Handys in den Schwellenländern nahm rapide ab.

Zudem hat Nokia erst im Frühjahr den 50-Prozent-Anteil des Münchener Industriekonzerns Siemens an der gemeinsamen Netzwerktochter Nokia Siemens Networks für 1,7 Milliarden Euro komplett übernommen. Die Investition schlug zu Buche. Unterm Strich bewertete die Börse danach die komplette Handysparte von Nokia mit nicht einmal vier Milliarden US-Dollar. In dem Wert enthalten sind das globale Vertriebsnetz sowie die Marke und alle Fabriken. So gesehen, hat Microsoft sogar noch drauf gelegt.

Welche Schwächen hat der Handy-Hersteller?

Nokia war einst die unantastbare Nummer Eins am Handymarkt. Noch immer finden sich unter den meistverkauften Mobiltelefonen aller Zeiten neun Nokia-Handys. Ungeschlagen an der Spitze steht bis heute das Nokia 1110. Es kam 2005 auf den Markt und wurde weltweit 250 Millionen Mal verkauft. Bis Mitte der 2000er galt Nokia als Must-Have-Marke. Doch 2007 stellte der damalige Apple-Chef Steve Jobs das erste iPhone vor und krempelte damit den Markt um. Innerhalb von eineinhalb Jahren halbierte sich der Marktanteil von 40 auf 20 Prozent. Heute sind die Finnen nur noch ein Schatten ihrer einstigen Größe. Und damit kämpft Nokia bis heute. Umstrukturierungen und Entlassungen haben den Konzern ordentlich durchgeschüttelt.  

Gründe für den Absturz des einstigen Marktführers gibt es mehrere. Apples wichtiger Anbindung an den iTunes-Store hatte Nokia nur wenig entgegenzusetzen. Das einfache und legale Herunterladen von Musik direkt auf das Handy war eines der wesentlichen Kaufargumente für das iPhone. Nokia versuchte ähnliches mit dem Angebot „Come with Music“, das jedoch floppte. Ebenso der Deal mit Nokias Online-Shop „Ovi“, der nur für Käufer bestimmter Handys möglich war.

Bis heute leidet der Konzern daran, nicht rechtzeitig den Schwenk zu intuitiv bedienbaren Smartphones vollzogen, sondern sich zu lange auf technisch beeindruckende aber kaum massentaugliche High-Tech-Telefone konzentriert zu haben.

Zudem zieht sich der Schwenk auf eine einheitliche Softwareplattform immer noch hin. Zwar hat sich Nokia inzwischen von der alten Symbian-Plattform verabschiedet und fährt eine konsequente Doppelstrategie – Windows Phone für Smartphones, Series 40 für billige Standard-Handys, speziell fürs Niedrigpreissegment in Wachstumsmärkten. Doch da die Kunden auch dort zunehmend mehr nach (billigen) Smartphones verlangen, gerät Nokia in diesen Märkten immer mehr unter Druck. Vor r allem chinesischer Anbieter wie Huawei oder ZTE, die ihre billigen, für den nationalen Markt entwickelten Multimedia-Handys auf Android-Basis nun auch in den anderen Wachstumsmärkten anbieten, haben Nokia den Rang abgelaufen.

Hard- und Software aus einem Haus: Greift Microsoft jetzt Apple an?

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, dass Microsoft noch meilenweit davon entfernt ist eine ernstzunehmende Konkurrenz für Apple zu werden. 31,2 Millionen iPhones sind im dritten Apple-Geschäftsquartal 2013 (bis Juni) verkauft worden. Im gleichen Zeitraum griffen die Kunden weltweit 7,4 Millionen Mal zu Windows Phones von Nokia. Sonderlich schnell wird sich das auch nicht ändern. Die Apple-Kunden steigen nur sehr selten auf ein anderes Betriebssystem um. Die iOS-Welt ist mit weiteren Geräten wie dem Mac, Macbook, iTV und dem iPad insgesamt sehr geschlossen.

Denn die großen Wachstumssprünge für Apple sind vorbei. Nokia hingegen konnte in seinem zweiten Quartal um fast ein Drittel zulegen -  vor allem aufgrund des erfolgreichen Verkaufs der Lumia-Reihe. Mit dem Kauf des Handykonzerns ist es Microsoft gelungen, Software- und Hardware unter einem Dach zu vereinen. Außer Apple - und inzwischen mit ersten Geräten auch Google – kann diesen Vorteil kein anderer Hersteller ausspielen. Die meisten kooperieren mit Google und verwenden dessen Betriebssystem Android. Wie sehr Kunden Produkte „aus einem Guss“ schätzen, zeigt der Erfolg von Apple. Spannend wird, was Microsoft künftig aus diesem neuen Vorteil macht.

Wird Windows-Phone konkurrenzfähiger?

Wer übernimmt nach Steve Ballmer?
Hans VestbergMicrosoft zog Mitte Januar den Konzernchef des schwedischen Netzwerkausrüsters Ericsson als neuen CEO in Betracht. Der hat dem Software-Unternehmen allerdings einen Strich durch die Rechnung gemacht. Er sei seinem Unternehmen verpflichtet und werde deshalb nicht als Nachfolger von Steve Ballmer als Microsoft-Chef zur Verfügung stehen. Weder Ericsson noch Microsoft wollten die Personalie kommentieren. Damit sind bei Microsoft noch folgende Kandidaten im Rennen... Quelle: AP/dpa
Stephen ElopNur wenige Tage nach der Rücktrittsankündigung von Microsoft-Chef Steve Ballmer machen die britischen Buchmacher das Rätselraten um dessen Nachfolge zu ihrem Geschäft. Der größte Wettanbieter des Landes, Ladbrokes, startete das Rennen. Bisher führt Nokia-Chef Stephen Elop mit einer Wahrscheinlichkeit von 5/1 die Kandidatenliste an. Der 49-jährige Elop kennt sich bei dem weltgrößten Softwarekonzern aus. Bevor er zu dem finnischen Handykonzern kam, leitete der Kanadier bei Microsoft die Geschäftskunden-Sparte. Zählbaren Erfolg kann er allerdings nicht vorweisen. Der einstige Branchenprimus Nokia kämpft unter seiner Führung mit dem Überleben. Der Marktanteil ist auf drei Prozent geschrumpft, während Samsung und Apple das Smartphone-Geschäft fast unter sich ausmachen. Quelle: REUTERS
Kevin Turner Neben Elop sind noch andere bekannte Manager im Spiel. Der interne Kandidat von Microsoft, der bisher fürs operative Geschäft zuständige Kevin Turner, liegt bei Ladbrokes bisher an zweiter Stelle. Turner ist seit 2005 bei Microsoft. Quelle: REUTERS
Steven Sinofsky Den dritten Platz nimmt bisher der frühere Microsoft-Manager Steve Sinofsky ein, der die Firma im November verlassen hat. Auf ihn folgt die erste Frau: Julie Larson-Green, die bei Microsoft das Geräte-Geschäft verantwortet. Quelle: AP
Bill GatesMicrosofts Mitbegründer und Aufsichtsratschef Bill Gates wäre für viele ein Wunschkandidat an der Spitze. Er bringt die nötige Visionskraft mit, kennt die Dynamiken am Markt und brächte vor allem Ruhe in den Konzern. Die Wahrscheinlichkeit, dass er das Amt wieder übernimmt ist jedoch sehr gering. Gates hatte sich bewusst aus dem operativen Geschäft bei Microsoft zurückgezogen, um sich verstärkt der Arbeit der Bill und Melinda Gates Stiftung zu widmen. Dieser Arbeit wird er kaum den Rücken kehren. Quelle: REUTERS
Reed Hastings Der Chef der extrem erfolgreichen Online-Videothek Netflix kennt das mobile Geschäft - und Microsoft. 2007 trat er dem Vorstand des Unternehmens bei. Damals sagte er: "Es gibt nur wenige Unternehmen, die einen so großen Einfluss auf das Leben von Millionen Menschen haben, wie Microsoft. Ich freue mich darauf an der Neuausrichtung des Konzerns mitzuwirken." Auch Gates und Ballmer zollte er damals seinen Respekt und bekannte öffentlich: "Es ist enorm motivierend für ein bis zwei Tage im Jahr mit Bill Gates und Steve Ballmer in einem Raum zu sein. Es hilft mir zu verstehen, wie und warum Microsoft seit über 30 Jahren so erfolgreich ist." Allerdings scheint es, als habe Hastings vorerst genug von Microsoft gelernt. Ende November 2012 verließ er den Aufsichtsrat. Seit Juni 2011 bis heute sitzt er zudem dem Facebook-Vorstand vor. Ein Wechsel an die Konzernspitze von Microsoft scheint aber nicht ausgeschlossen. Quelle: dapd
Vic GundotraAls Rückkehrer könnte Googles Vize-Chef Vic Gundotra gefeiert werden. Derzeit ist er für die Social-Network-Sparte beim Suchmaschinen-Anbieter verantwortlich. Vorher betreute Gundotra allerdings die Software-Entwicklung bei Microsoft und warb vor allem junge Talente an. Experten glauben, er könne den nötigen frischen Wind in das Unternehmen bringen und dabei viel Microsofterfahrung mitbringen. Quelle: AP

Schon heute ist Windows Phone besser als sein Marktanteil. Das von Microsoft entwickelte Bedienungskonzept der sogenannten Live-Tiles war wegweisend und wurde inzwischen sowohl von Apple als auch von Google in die eigenen Programme übernommen. Bei Live-Tiles handelt es sich um individuell anpassbarer Programm-Symbole auf der Startseite, die sich dynamisch aktualisieren und so - auch ohne Aufruf der eigentlichen Anwendungen – Informationen über eingegangene Nachrichten, Kalendereinträge oder Status-Updates aus Sozialen Netzen ermöglichen.

Auch das für die Plattform verfügbare App-Angebot umfasst inzwischen rund 165.000 Programme zum Nachladen aus dem Windows-Phone-Store. Sehr viele der beliebtesten Apps, die es für iOS und Android gibt, sind inzwischen auch für Windows Phone 8 verfügbar. Allerdings hapert es an manchen Stellen noch. So blockiert etwa Google aktuell die Youtube-App für Windows Phone wegen angeblicher Verletzung der Nutzungsbedingungen. Auch sind die Apps zwar vorhanden, aber in ihrer Steuerung noch lange nicht so ausgereift, wie die Produkte aus dem Apple- oder Google-Store. Ein unmittelbarer Gewinn an Konkurrenzfähigkeit ist daher durch den Kauf nicht zu erwarten.

Wird Stephen Elop Microsoft-Chef?

Schon vor der Ankündigung des Kaufs galt Stephen Elop als einer der Favoriten für die Nachfolge von Microsoft-Boss Steve Ballmer. Immerhin hat der Ex-Microsoft-Manager Elop jahrelang unter Ballmer gearbeitet und kennt den Konzern bestens. Wie eng die beiden auch in den vergangenen Jahren zusammen gearbeitet haben, zeigt sich an der Milliardensumme, die Ballmer jedes Jahr als Marketing- und Forschungszuschuss ins finnische Espoo überwiesen hat.

Neben den 32.000 Nokia-Mitarbeitern in der Handy-Sparte wechselt auch Elop zu Microsoft – das dürfte seine Chancen auf den Microsoft-Chefsessel weiter erhöhen. Auch, dass er nicht nur bei Microsoft das Businessgeschäft höchst erfolgreich geführt und ausgebaut hat, sondern inzwischen ebenso exzellent mit dem für den Konzern so zukunftskritischen Geschäft mit Smartphones vertraut ist, spricht für seine – zumindest mittelfristige – Beförderung an die Spitze.

Doch noch bleibt etwas Zeit. Steve Ballmer will im Laufe der kommenden zwölf Monate vom Posten des Microsoft-Chefs zurücktreten. Der Aufsichtsrat hat angekündigt, dass sowohl interne als auch externe Kandidaten für die Nachfolge berücksichtigt werden.

Was wird aus Nokia?

Nokias Aufsichtsratschef Risto Siilasmaa wird kommissarisch die Leistung des Konzerns übernehmen. Ihm bleiben noch drei Sparten: NSN (Nokia-Siemens-Networks), Netzwerk-Infrastruktur und –Services, Here, Karten- und Ortungs-Services und Advanced Technologies, Technologie-Entwicklung und –Lizensierung.

NSN wird künftig das Kernstück des Unternehmens, und am meisten Arbeit machen. Gerade erst hatte Nokia die 50-Prozent-Anteile von Siemens übernommen. Die Sparte erholt sich zwar langsam, fährt aber unter dem Druck asiatischer Billiganbieter weiter Verluste ein. Geplant ist der weitere Ausbau des LTE-Netzes in Europa – und was auch immer danach kommt. Um Zukunftstechnologien wird sich die Sparte Advanced Technologies kümmern. Hier wollen die Finnen neue Geschäftsmodelle ausloten und in den Bereichen Vernetzung, Sensortechnik und Material forschen.

Alle Hoffnungen auf Profit liegen auf dem Kartendienst „Here“. Die Karten werden nicht nur Smartphones sondern auch in GPS- und Navigationsgeräten verbaut. Für etliche Autobauer ist Nokia auf diesem Bereich zu einem interessanten Partner geworden. Entsprechend interessiert war Steve Ballmer auch daran, die Sparte gleich mit zu übernehmen, um sie vermutlich mit der Suchmaschine Bing zu verknüpfen, die ebenfalls zu Microsoft gehört. Am Ende blieb der Kartendienst bei den Finnen, und Microsoft der wichtigste Kunde, die bestehende Zusammenarbeit wird aber fortgesetzt. Dafür fließen laufende Lizenzzahlungen.

Welche Auswirkungen hat der Deal auf die Aktienkurse?

Nokia-Aktie geht nach Microsoft-Deal durch die Decke

 

Die Meinungen an der Börse sind einhellig: Nokia nützt der Deal wesentlich mehr als Microsoft. Der Kurssprung um 40 Prozent nach oben ist dabei nur Ausdruck der nun um 5,4 Milliarden Euro verlängerten Bilanz. Da Nokia bereits vor dem Verkauf der Mobilfunksparte auf einigen Milliarden Euro Cash saß, teil sich der aktuelle Kurs von rund vier Euro für die Aktie wie folgt auf: zwei Euro entfallen auf den nun sehr hohen Bargeldbestand, ein Euro auf die Karten-Sparte Here und ein Euro auf den Wert der Nokia-Patente. Spötter bezeichnen Nokia deshalb schon als eine Bank mit angeschlossener Netzwerksparte, die Aktionäre bei einem Kauf zum jetzigen Kurs quasi gratis dazu bekommen. Das ist fair, schließlich verdient Nokia mit der Netzwerksparte zurzeit kein Geld.

Für Mutige ergibt sich daraus eine spannende Spekulation: Gelingt es Nokia, im Netzwerkgeschäft das Ruder herumzureißen, hat die Aktie auf Sicht von sechs bis zwölf Monaten gute Chancen, weitere Höhen zu erklimmen. Das Risiko für Nokia-Aktionäre, dass die Aktie wieder abstürzt, ist durch die gehorteten Milliarden zumindest mittelfristig gering. Angesichts der enormen Bargeldsummen bleibt jedoch die Frage, ob die Finnen in der Lage sind, diese klug zu investieren. Kurzfristig könnten auch Gewinnmitnahmen den Kurs etwa belasten. Wer mit Nokia-Papieren nun deutlich im Plus liegt, kann das ebenfalls tun. Mittel- bis langfristig bleibt der Wert chancenreich.

Routine bei Microsoft

Für Anleger, die auf Microsoft-Aktien setzen, hat sich eigentlich nicht sehr viel geändert. Sicherlich eröffnet der Nokia-Mobilfunk dem Softwaregiganten gemeinsam mit seiner großen Vertriebskraft und enormen Cash-Reserven neue Möglichkeiten. Andererseits sind Microsoft im Markt für mobile Betriebssysteme schon längst die Felle davon geschwommen. Bei der Hardware sind die Smartphone- und Tablet-Wettbewerber Microsoft ebenfalls weit enteilt. So einen richtigen Schub wird der Deal also nicht bringen, bestenfalls eine Nische könnte Microsoft mit dem Nokia-Zukauf noch besetzen.

Andererseits ist die Aktie gemessen an den Unternehmenszahlen geradezu billig. Zwar gehen die Wachstumsraten zurück, dafür sitzt Microsoft auf 51 Milliarden Dollar Cash-Reserven – und zahlt die Übernahme entsprechend in bar. Durch die Übernahme dürfte der Umsatz um knapp ein Fünftel zulegen, schätzen die Analysten von Independent Research. Im Gegenzug dürfte die Nettogewinnmarge, die noch bei 28 Prozent liegt, Federn lassen. Unter Anlegern ist die Microsoft-Aktie zudem beliebt, weil der Konzern zuverlässig eine Dividende zahlt, die in den vergangenen Jahren noch dazu stetig anstieg. Für Aktionäre ist das Risiko nach unten begrenzt, schließlich gibt der Konzern bei Bürosoftware und PC-Betriebssystemen immer noch den Ton an und verdient prächtig damit. Die Microsoft-Aktie startete nach Bekanntwerden des Deals anfangs im Plus. Offenbar bewerteten Anleger den Kaufpreis für Nokia zunächst als günstig. Später drehte das Papier jedoch ins Minus – wie es bei Aktien auf der Käuferseite einer großen Firmenübernahme häufig zu beobachten ist. Das Minus von knapp fünf Prozent könnte sich langfristig als Kaufgelegenheit erweisen.  

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